Das neue Innenministerium ist jetzt eröffnet worden. Der Bau von Staab Architekten an der Willy-Brandt-Straße bringt einen Hauch Hauptstadtflair an den Nesenbach, findet die StZ-Architekturkritikerin Amber Sayah.

Stuttgart - Der um sich greifende Städtebau der Großklopse in Stuttgart gebiert nicht nur Ungeheuer wie das Gerber oder Caleido. Groß ist der Ministeriumsneubau an der Willy-Brandt-Straße auch, mit seinen sechs Geschossen auf einer Strecke von 207 Metern sogar sehr groß, aber architektonisch um Längen besser als alle im Entstehen begriffenen Kommerzprojekte im näheren oder weiteren Umfeld – und als die benachbarte Bebauung an diesem End- und Tiefpunkt der „Kulturmeile“ sowieso.

 

Fünfhundert je 15 Quadratmeter große Büros auf einem Fleck – so viel geballte Monofunktionalität vor Monotonie zu bewahren erfordert schon einiges Geschick im Umgang mit baulicher Masse. Der Berliner Volker Staab, der 2012 auch Gewinner des Wettbewerbs für den Landtagsumbau war, hat das schwierige, nach Norden schmal zulaufende Grundstück offensiv in eine markante, rhythmisch gegliederte Großform mit gut proportionierten, liegenden Fenstern übersetzt.

Klare räumliche Fassung

Wo früher die letzten, denkmalgeschützten Zeugen der großbürgerlichen Wohnbebauung aus dem 19. Jahrhundert standen und sich nach deren Abriss 2004 nur noch der Verkehr breitmachte, gibt der Neubau der Willy-Brandt-Straße jetzt wieder eine klare räumliche Fassung und formuliert zugleich die Grenze zum Schlossgarten. Von der Ulmenallee auf der Parkseite aus betrachtet, erinnert das Gebäude mit seinen Vor- und Rücksprüngen, der hellen Fassade und den dunkel abgesetzten Fensterbändern ein klein wenig an Emil Fahrenkamps berühmtes Shell-Haus aus den 1930er Jahren am Berliner Landwehrkanal. Aber wo dieses stromlinienförmige Art-déco-Rundungen aufweist, ist Staabs Ministeriumsbau streng kubisch. Einen Hauch Hauptstadtflair bringt diese disziplinierte Architektur gleichwohl an die Gestade des Nesenbachs (dem sie im Übrigen teilweise ihre Kühl- und Heizenergie entnimmt).

Die Grenzstellung des Neubaus wird dem Eintretenden im Atrium sofort wieder bewusst, wenn der Blick durch ein großes Fenster zum Schlossgarten auf die mageren, doch immerhin gesicherten Reste der Lusthausruine fällt. Blickfang des sechsgeschossigen Lichthofs ist aber vor allem der nahezu haushohe Stahlring mit samtigroter Rostoberfläche auf der Außen- und silbrig-spiegelnder Innenseite: attraktive Kunst am Bau von Raik Elias, die sich noch zwei weitere Male im weitläufigen Haus wiederfindet.

Sorgfältig geplante Architektur

Dezent wie das Äußere wirkt auch das Innere. Alle Materialien, vom hellen, sandgestrahlten Sichtbeton der konstruktiven Struktur über den geschliffenen Estrich in den Atrien bis zu den Alutürrahmen auf den Bürofluren bleiben im gleichen, monochrom graubraunen Farbspektrum, das von dem aus den Glasdächern einfallenden Tageslicht belebt wird. Alles in allem sorgfältig geplante und angemessene Architektur, so wie es sich für ein Gebäude der öffentlichen Verwaltung gehört. Mehr davon, und Stuttgart sähe schon besser aus.