Vincent Systems aus Karlsruhe wird für eine leichte Prothese mit einzeln beweglichen Fingern ausgezeichnet. Damit will das kleine Unternehmen Weltmarktführer werden.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Karlsruhe - Am Ende der Straße spielt eine schwarze Hand die Hauptrolle. Ein Krimi aber wird dort nicht gedreht. In dem Gebäudekomplex in der Südstadt bewegt Matthias Baßler mit wenigen Knopfdrücken die Finger einer schwarzen Handprothese. Baßler ist Elektrotechnik-Ingenieur, sein Arbeitgeber ist das Start-up Vincent Systems. Und just für diese Hand haben die Karlsruher den nach dem früheren Wirtschaftsminister Rudolf Eberle benannten Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg erhalten. Nahezu hundert Unternehmen haben sich auch in diesem Jahr um die begehrte und mit insgesamt 50 000 Euro dotierte Auszeichnung beworben. „Mit dem Innovationspreis prämieren wir zukunftsweisende Ideen, die unsere mittelständischen Unternehmen jedes Jahr auf den Markt bringen“, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut bei der Verleihung.

 

Vincent Systems hat nicht nur den ersten Preis eingeheimst, sondern liefert auch ein Beispiel dafür, dass es Innovationen auch geben kann und muss bei Dingen, die so neu nicht sind. Bereits Götz von Berlichingen (1480 bis 1562) hatte bekanntlich seine eiserne Hand, mit der er zumindest der Legende nach auch zum Schwertstreich ausholen konnte. Doch der „Ritter mit der Eisernen Faust“ konnte diese nur mit seiner anderen Hand öffnen oder schließen, musste alle Finger gleichzeitig bewegen.

Einzelne Finger sind beweglich

Matthias Baßler dagegen führt vor, wie einzelne Finger bewegt werden können, sich zum Griff öffnen oder bei ansonsten flacher Hand Daumen und Zeigefinger gegeneinander gedrückt werden, um kleinere Gegenstände zu greifen. „Mit der geschlossenen Faust könnte jemand sogar einen leichten Koffer tragen“, sagt der Ingenieur. Bilder zeigen, wie der Träger einer Prothese Rad fährt, einen Apfel hält oder auf dem Laptop schreibt. Was der Ingenieur mit einem Knopfdruck tätigt, lösen bei einem Prothesenträger Sensoren an den Armmuskeln aus. Über die Muskeln erhalten die Finger ihre Befehle. Im Grund sind dies zunächst nur zwei: Öffne die Faust, schließe die Faust. Allerdings: Es gibt auch Variationen der Befehle, wenn etwa nur einzelne Finger bewegt werden sollen – eine Sache, die aber gelernt werden muss.

Stefan Schulz, Gründer und Inhaber der Vincent Systems GmbH nennt ein Beispiel dafür, was seine mit Batterie betriebene Prothese von der anderer Hersteller unterscheidet: „Durch ein spezielles Getriebe kann die Faust auch bei einem Stromausfall geöffnet werden, bei anderen bleibt sie zu“. Dass sich die künstliche Hand öffnen lässt, kann auch bei einem Sturz wichtig sein. Früher hat Schulz am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an derartigen Projekten, aber auch an Greifern für Roboter geforscht. Doch als diese Projekte ausliefen, machte er sich 2009 selbstständig. Seither beschäftigt er sich auf eigene Rechnung und mit inzwischen rund einem Dutzend Mitarbeitern mit künstlichen Händen für Menschen.

Erste spezielle Prothese für Kinder

Dabei hat er nicht nur die nach seinen Worten weltweit „leichteste Hand ihrer Klasse“ entwickelt, sondern auch eine erste spezielle Prothese für Kinder und Jugendliche. Die Prothesen sind auch deswegen so leicht, weil sie aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung bestehen. „Herausragend bei unserer Hand ist auch der Tastsinn“, sagt Schulz. So kann die Hand beispielsweise auch eine Traube greifen, ohne diese zu zerdrücken. Weltweit gibt es nach den Angaben von Schulz nur drei Anbieter von Prothesen, bei denen einzelne Finger bewegt werden. Die Kunden sind in erster Linie Orthopäden, auf Kongressen und bei Fachausstellungen versucht sich das Unternehmen bekannt zu machen. In Karlsruhe bietet Vincent Systems zudem für Orthopäden Schulungen für den Umgang mit der schwarzen Hand an.

„Die Prothesenträger wollen ihre Hand keineswegs verstecken, die sagen, ich habe eine High-Tech-Hand“, meint Schulz. Und deswegen wird in der Regel auch keine künstliche Haut darüber gezogen, um der Hand einen natürlichen Anschein zu geben. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland eingeheimst – und auch der Firmenname soll zeigen, welch hoher Wert auf die Gestaltung der Hand gelegt wird: Vincent Systems hat eine Anleihe beim Vornamen des Impressionisten Vincent van Gogh genommen – nicht nur die Funktion, auch das Design soll dazu beitragen, dass das Unternehmen vom Ende der Straße zum Weltmarktführer aufsteigt.