Mit einem neuartigen Lüftungssystem hat die Stuttgarter LTG Air Tech Systems Platz eins im Rennen unter mehr als 100 Bewerbern um den nach dem früheren Wirtschaftsminister Rudolf Eberle benannten Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg gewonnen. Zwei der vier Hauptpreisträger sind in der Medizintechnik tätig.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - „Es war bei einem Branchentreffen in dem Bonner Hotel Kamea Grand“, sagt Ralf Wagner. Dort hat er sich sicher auch für die Lage der Unternehmen und neue Entwicklungen interessiert. Doch was er mitbrachte vom Ausflug an den Rhein war die Idee für ein neuartiges Lüftungsgerät. Dieses spart Energie ebenso wie Platz. Jetzt wurde die Idee des Vorstandsmitglieds der Stuttgarter LTG Aktiengesellschaft mit dem nach dem früheren baden-württembergischen Wirtschaftsminister Rudolf Eberle benannten Innovationspreis des Landes ausgezeichnet. Genau 101 Bewerber waren dieses Jahr ins Rennen um den seit 1985 verliehenen Dr.-Rudolf-Eberle-Preis gegangen – Platz eins und damit ein Preisgeld von 20 000 Euro sicherte sich die LTG.

 

Innovation ist kein Selbstläufer

Für die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ist „Innovationsfähigkeit kein Selbstläufer“. Der Preis zeige aber das enorme Potenzial unserer Unternehmen im Land, sagte die Ministerin bei der Verleihung, und solle auch zur Nachahmung motivieren. Innovation – das ist für Ralf Wagner mehr als nur ein Gedankenblitz: „Thomas Alva Edison hat einmal gesagt, bei Neuerungen handelt es sich um ein Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration“. Ein solche „ist ein Kraftakt, bei dem man hartnäckig mit immer neuen Problemen zu kämpfen hat“, so die Erfahrung von Wagner.

Am Firmensitz in Stuttgart-Zuffenhausen zeigt er, wie sein Gerät funktioniert: Hinter einer Glasscheibe in einem Strömungslabor wabert aus einem Gitter im Boden blau beleuchteter Nebel: „Jetzt wird kalte Luft von draußen angesogen und in den Raum geblasen, das Gerät atmet ein“, erklärt Wagner. Nach 20 Sekunden schalten einige Klappen des im Boden unsichtbar eingebauten Geräts um, die Luft färbt sich rot. „Nun wird die warme, verbrauchte Luft aus dem Raum abgesaugt, das Gerät atmet aus.“

Die Abluft wird dabei allerdings nicht einfach ins Freie geblasen. Dank eines Wärmerückgewinners kann sie zur Heizung des Gebäudes verwendet werden. „Wir ,filtern, entfeuchten, kühlen und heizen die Luft,“ sagt der Technikvorstand.

Jeder Raum wird einzeln gelüftet

Dezentrale Fassadenlüftung – das bedeutet, dass in jedem einzelnen Raum ein Gerät installiert werden muss. „Wir sparen damit aber die großen Lüftungszentralen auf dem Dach, man braucht keine Lüftungsschächte und kann in den Räumen auch auf Zwischendecken für Lüftungskanäle verzichten“, erklärt Wagner, „die Architekten freuen sich, dass sie zusätzlichen Raum gewinnen, die Investoren können größere Flächen vermieten“.

Das Gerät verschafft aber nicht nur zusätzlichen Platz. Wichtiger noch als dies ist die Energieeinsparung: „Wir lüften nicht einfach einen Raum. Die Geräte sollen nur dann atmen, wenn auch Menschen im Raum sind und wirklich Frischluft benötigt wird“. Bis zu 90 Prozent der Heizenergie, die mit der warmen Luft „ausgeatmet“ wird, können nach den Worten von Wagner zurückgewonnen werden. Durch die spezielle Konstruktion des Geräts ist nur ein Ventilator nötig. Dieser kann die Luft ansaugen, aber auch rauspusten – gespart werden also auch Gerätekomponenten und Material.

Die LTG klimatisiert zwar auch Fabrikhallen und industrielle Produktionsprozesse, die Raumbelüftung aber ist der wichtigste Bereich des Unternehmens mit 150 Beschäftigten und einem Umsatz von 27 Millionen Euro. Etwas mehr als ein Viertel des Umsatzes wird außerhalb der Europäischen Union erzielt. Die Kunden sind in erster Linie Planungsbüros, die für Bauherren Entwürfe fertigen. Die Verwaltung und die Entwicklung der LTG sitzt in Stuttgart-Zuffenhausen, produziert wird in Weil der Stadt.

Vorzeigeprojekte in Stuttgart und Karlsruhe

Dass seine Geräte funktionieren, kann Wagner spätestens seit dem vergangenen Jahr nachweisen: Die neue Unternehmenszentrale des Stuttgarter Hochregalherstellers Viastore war das erste Referenzprojekt. Inzwischen hat die LTG bereits weitere Projekte an Land gezogen: So etwa die Klimatisierung der neuen Zentrale der Drogeriekette dm in Karlsruhe oder die Ausrüstung einer Musikschule im lettischen Ventspils. Doch es muss nicht unbedingt ein Neubau auf der grünen Wiese sein, um die Lüftungstechnik aus Stuttgart einsetzen zu können: In Paris, ganz in der Nähe des Arc de Triomphe, wurde sie bei der Sanierung eines Bürogebäudes eingebaut.

Ebenso innovativ wie geschäftstüchtig war die 1924 von Albert Klein als europaweit erste Fachfirma für Luft- und Klimatechnik gegründete LTG Lufttechnische Gesellschaft schon in ihren frühen Jahren. Da Tabak nach Gewicht verzollt wird, stellte das Familienunternehmen auch Anlagen zum Trocknen oder Befeuchten von Tabak her: Vor der Grenze wurde getrocknet, dahinter wieder befeuchtet.

Und nicht nur dies: Zur Klimatisierung der ägyptischen Cheops-Pyramide nutzte das Unternehmen einst eine Öffnung, die für Höheres vorgesehen war – einen Schacht, aus dem die Seele des Pharao entweichen sollte.

Prokasro: Ein Roboter macht Graben überflüssig

Die Prokasro Mechatronik GmbH aus Karlsruhe erhält einen mit 10 000 Euro dotierten Preis. Gewürdigt wird damitein Roboter zur Kanalsanierung. Dieser sucht kaputte Stellen mit einer Kamera und repariert diese. Große Grabungen an beschädigten Kanälen, die etwa ein Leck haben, werden damit überflüssig. Gefragt sind die Roboter weltweit. Dies zeigt sich auch am steigenden Umsatz und der wachsenden Mitarbeiterzahl des 2000 im Rahmen eines Management-Buy-outs gegründeten Unternehmens. Mit 145 Mitarbeitern sollen in diesem Jahr 25 Millionen Euro umgesetzt werden, fünf Millionen Euro mehr als noch vor fünf Jahren. Bis 2020 sollen 30 Millionen Euro erreicht werden. „Wir wollen in der Kanalsanierung neue Maßstäbe setzen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Yvan Haberkorn.

Cytena: Zellen als Wirkstoff gegen den Krebs

Das Gerät der Cytena GmbH aus Freiburg arbeitet so ähnlich wie ein Drucker. In einer Kartusche indes befindet sich keine Druckfarbe, sondern eine wässrige Lösung. Was mit einem Preisgeld von 10 000 Euro gewürdigt wurde, ist ein Gerät, das aus der Vielzahl der Zellen in der wässrigen Lösung einzelne Zellen herauspickt und diese in kleine Töpfchen gibt. In jedes dieser Töpfchen kommt eine Zelle. Diese Zellen sind genetisch verändert, so dass sie einen Wirkstoff – etwa gegen Krebs – produzieren können. Sechs der weltweit zehn größten Pharmakonzerne gehören inzwischen zu den Kunden. Das Unternehmen mit 13 fest angestellten Beschäftigten will den Umsatz in diesem Jahr verdoppeln. Bis jetzt liegt dieser nach den Angaben von Geschäftsführer Andre Gross im einstelligen unteren Millionenbereich.

Ovesco Endoscopy: Schnitte in die Wand des Darmes

Eine schonende Entnahme von Geweben aus der Darmwand mit einem speziellen Gerät hat der Ovesco Endoscopy AG aus Tübingen einen Preis und 10 000 Euro eingebracht. Das Gerät kann bei einer Darmspiegelung ein Stück aus der Darmwand herausschneiden. Bisher konnten nur oberflächlich Teile der Schleimhaut des Darms herausgeschnitten werden. Doch auch der Schnitt in die Darmwand ist nach den Angaben von Geschäftsführer Marc Schurr minimal-invasiv. „Wir können schon fortgeschrittene Befunde ohne Operation entfernen“, sagt der Professor für experimentelle Medizin. Ovesco hat schon mehr als 5000 Geräte verkauft. Am Freitag beginnen in Chikago die ersten Schulungen für Ärzte in den USA. Beschäftigt werden 100 Mitarbeiter, der Umsatz soll in diesem Jahr zehn Millionen Euro erreichen.

VirtualQ: Mit Software gegen die Warteschleife

Ähnlich wie der Mann auf unserem Bild hat sich Ulf Kühnapfel, der Mitgründer von VirtualQ (Stuttgart), darüber geärgert, dass er in der Warteschleife hängen blieb. Der Ärger löste die Gründung eines Unternehmens und die Entwicklung einer speziellen Software aus. Statt in einer Warteschleife Musik oder Werbung anzuhören, kann der Anrufer auflegen. Die Software ruft ihn zurück, sobald die Leitung frei ist. Kunden sind etwa die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die österreichische Bundesbahn. Das 2014 gegründete Unternehmen beschäftigt acht Mitarbeiter. VirtualQ erhielt den von der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) ausgelobten Mittelstandspreis von 7500 Euro. Im Rahmen einer Finanzierungsrunde wird zudem ein Investor gesucht, der sich mit 500 000 Euro an dem Unternehmen beteiligt.

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