Der Berliner Konzertveranstalter Creative Events ist pleite. Nun werden viele Fans, die sich Tickets zu Konzerten von Kylie Minogue im Vorverkauf besorgt haben, auf ihren Eintrittskarten sitzen bleiben. Ticketverkäufer wie Eventim lehnen die Verantwortung ab.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - „Kiss me once“ - so heißt die Welttournee, mit der Kylie Minogue noch bis März 2015 auf Achse sein will. Einst füllte die Popsängerin aus Australien mit Hits wie „I should be so lucky“ die Konzerthallen rund um den Globus. Doch die besten Zeiten scheinen vorbei zu sein, nur 12 000 von möglichen 68 000 Eintrittskarten wurden im deutschen Vorverkauf abgesetzt. Ein finanzielles Debakel für den bereits kriselnden Berliner Veranstalter Creative Talents und seinen Chef Carlos Fleischmann, der die hiesigen Auftritte organisieren wollte.

 

Die Folge: Das Unternehmen hat Insolvenz angemeldet. Alle vier Konzerte in Berlin, München, Hamburg und Köln wurden kurzfristig abgesagt. Der Ärger bei den enttäuschten Fans ist groß, denn viele haben für die Eintrittskarten nicht nur hohe Preise von 90 Euro und mehr gezahlt, sondern auch extra Flüge und Hotels gebucht. In Internetforen häufen sich Vorwürfe gegen die Sängerin, aber auch gegen die Ticketverkäufer wie Eventim und Weltmarktführer Ticketmaster, die jede Haftung für die Pleite des Veranstalters ablehnen und auf den Insolvenzverwalter verweisen.

Für viele Fans ist das unverständlich, denn die Karten haben sie online direkt bei den Ticketplattformen oder bei Agenturbüros gekauft. Von dort wollen sie auch ihr Geld zurück, was kaum gelingen wird. Der Kartenverkäufer sei nur zur vertragsgemäßen Lieferung der Tickets verpflichtet, sagt Katja Müller von der Verbraucherzentrale Berlin. Wenn ein Event aber wegen der Insolvenz des Veranstalters ausfällt, hafte der Vermittler dafür nicht (siehe Infokasten).

Die Pleite von Creative Talents zeigt, wie schlecht Ticketkäufer gegen Insolvenzen abgesichert sind. Allein voriges Jahr verkaufte die deutsche Veranstaltungsbranche rund 120 Millionen Eintrittskarten für insgesamt 3,8 Milliarden Euro, ein Plus von 500 Millionen. Für Auftritte gefragter Rockstars oder spektakuläre Sportereignisse startet der Vorverkauf nicht selten schon ein Jahr im voraus. Wer dabei sein will, muss sich sein Ticket früh sichern – und hat das Risiko, dass sein Geld schlimmstenfalls weg ist, wenn der Veranstalter pleite geht.

Diesmal hat es einen seriösen Veranstalter getroffen

Das kann schnell passieren. Creative Talents galt als seriöser Veranstalter. Der Geschäftsführer Fleischmann war zeitweise mit der Berliner Veranstalter DEAG von Peter Schwenkow verbandelt und erhielt noch im Frühjahr den Branchenpreis für das Konzert des Jahres, einen Auftritt der Band Muse in der Berliner Waldbühne. Dann kamen Tiefschläge: Das Musikfestival Greenville in Brandenburg musste im Sommer wegen flauer Kartenverkäufe ebenso abgesagt werden wie die Deutschlandtourneen des Rappers Snoop Doggy Dogg und der Backstreet Boys.

Auch wer dafür Karten gekauft hat und noch auf Rückzahlung wartet, kann versuchen, seine Ansprüche beim Insolvenzverwalter Thomas Kühn von der Kanzlei Brinkmann & Partner in Berlin anzumelden. Das ist leicht im Internet möglich.

Immerhin sollen Ticketkäufer, die seit dem Insolvenzantrag am 11. September noch Karten für Kylie Minogue erworben haben, den Kaufpreis zurückerhalten. Beim großen Rest hängt die Höhe der Rückzahlung davon ab, welche Entschädigungsquote die Insolvenzmasse hergibt. Anwalt Kühn will möglichst viel für die Gläubiger herausholen und droht sogar mit einer Klage gegen Kylie Minogue wegen der kurzfristigen Konzertabsagen. Nach seinen Angaben habe die Künstlerin ihre Gage bereits vorab erhalten, was im Konzertgeschäft nichts Ungewöhnliches mehr ist. Stars wie die Rolling Stones kassieren schon vor Beginn ihrer Tourneen hohe Garantiesummen. Im Falle von Minogue hofft der Insolvenzverwalter auf die Einsicht der Sängerin und Rückzahlung der Gage zugunsten der geprellten Ticketkäufer. Ohne einen Auftritt dürfe es auch keine Gage geben, sagt Kühn.

Der Anwalt verhandelte nach eigenen Angaben zunächst längere Zeit mit dem Management der Australierin, um die Auftritte zu retten. Dem Vernehmen nach war man dort aber nicht bereit, die geforderten Zugeständnisse zu machen und in vielleicht halbleeren Hallen zu spielen. Laut Kühn klaffte wegen der unerwartet geringen Kartenerlöse von nur 840 000 Euro im Vorverkauf ein Defizit von mindestens 1,4 Millionen Euro im Etat. Es konnte letztlich nicht geklärt werden, wie die Tour am Ende finanziert werden sollte.

Konzerte im Ausland als angebliche Alternative

Der Imageschaden für die Künstlerin und die Branche ist groß. „Nie wieder Kylie Minogue!“, schimpfen bisher treue Fans im Onlineforum von Ticketmaster. Das US-Kartenimperium bot den deutschen Fans statt finanzieller Entschädigung aus Kulanz den Eintritt zu Kylie-Konzerten in Polen, Tschechien, Litauen, Lettland oder Frankreich an, was den Ärger und Spott eher noch verschlimmerte. Denn manche Anhänger haben schon hunderte Euro für Buchungen von Flug, Bahn und Hotel ausgegeben, um die nun abgesagten hiesigen Konzerte besuchen zu können.

Die Fans wollen deshalb wenigstens ihr Geld für die wertlosen Tickets zurück. Noch haben sie Hoffnung und machen Druck, einige wollen eine Plattform für Geschädigte bei sozialen Netzwerken im Internet gründen. Schon im Falle der abgesagten Tour der Backstreet Boys, die im Juli in Berlin, Essen und Leipzig spielen sollten, gab es heftige Proteste, weil Creative Talent und Fleischmann die 4000 Kartenkäufer hängen ließen. Denn entgegen der vorherigen Zusage an die Fans wurden selbst per Einschreiben eingeschickte Tickets weder angenommen noch erstattet.

Immerhin gab es in diesem Fall am Ende eine erfreuliche Lösung: Um den Imageschaden zu begrenzen und die Fans nicht ganz zu verlieren, übernahmen schließlich die Backstreet Boys und Ticketmaster gemeinsam die Entschädigung der Ticketinhaber und zahlten freiwillig das Geld über die Verkaufsstellen zurück. Bei Kylie Minogue warten die verprellten Anhänger allerdings bisher immer noch auf ein solches Entgegenkommen.

Dir rechtlichen Regeln beim Ticketkauf

Vermittler
Die großen Ticketplattformen wie Ticketmaster und Eventim verkaufen Eintrittskarten in der Regel nur im Auftrag eines Veranstalters und bekommen dafür eine Provision. Im Kleingedruckten weisen die Unternehmen meist ausdrücklich darauf hin, dass sie nur Vermittler sind oder die Tickets in Kommission verkaufen. Sie haften also nur dafür, dass der Käufer die Tickets vertragsgemäß erhält.

Insolvenz
Die Ticketverkäufer übernehmen nicht die Verantwortung dafür, ob eine Veranstaltung stattfindet oder ein Veranstalter pleite geht. In diesen Fällen ist der Veranstalter oder dessen Insolvenzverwalter der Ansprechpartner des Karteninhabers. Im schlimmsten Fall ist das gezahlte Geld für die Karte verloren. Nur wenn der Ticketverkäufer selbst auch Veranstalter ist, haftet er direkt.

Rückerstattung
Wenn eine Veranstaltung wegen Krankheit eines Künstlers ganz abgesagt werden muss, organisieren die Veranstalter die Rückzahlung in der Regel über die Vorverkaufsstellen und Ticketplattformen. Dort können Kunden die Karten zurückgeben und bekommen ihr Geld wieder. Dafür sind aber zuvor klare Regelungen zwischen Veranstalter und Ticketverkäufern nötig