Bislang sind 300 Flüchtlinge bei dem Autobauer als Praktikanten tätig. Was der Konzern nach den Sommerferien vorhat.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Der Stuttgarter Autobauer Daimler will mehr Flüchtlingen ein Praktikum bei dem Konzern geben, um sie fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Der Autobauer wolle das Programm ausbauen und nach der Sommerpause erneut Flüchtlinge in Untertürkheim beschäftigen, sagte ein Daimler-Sprecher. Bislang geht das Unternehmen dort mindestens von der gleichen Anzahl aus wie in der ersten Runde.

 

Im ersten Halbjahr 2016 sind bei Daimler an unterschiedlichen Standorten wie Berlin, Bremen, Gaggenau, Germersheim, Ludwigsfelde, Rastatt und Wörth 300 Flüchtlinge als Praktikanten beschäftigt. Das Programm in Untertürkheim mit 40 Flüchtlingen ist im März ausgelaufen. Die meisten Teilnehmer hätten danach eine Beschäftigung gefunden – der Großteil allerdings bei Zeitarbeitsfirmen. Zwei Teilnehmer werden bei Daimler eine Ausbildung beginnen.

Im April haben 42 Flüchtlinge und Asylbewerber ein sogenanntes Brückenpraktikum im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen begonnen. Die Teilnehmer wurden von der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter Stuttgart ausgewählt und stammen aus Afghanistan, Algerien, Eritrea, Iran, Irak, Nigeria, Kamerun, Pakistan, Serbien und Syrien und sind zwischen 19 und 55 Jahre alt.

„Ziel ist es, erfolgreiche Teilnehmer nach dem Brückenpraktikum an andere Unternehmen, Zeitarbeitsfirmen oder in eine Berufsausbildung, auch bei Daimler, weiterzuvermitteln“, so der Daimler-Sprecher. „Dazu haben wir beispielsweise zum Abschlusstag des ersten Brückenpraktikums in Untertürkheim eine Art Jobmesse mit Firmen aus dem Mittelstand, Zeitarbeitsfirmen, der Bundesagentur für Arbeit und Jobcentern organisiert.“

Flüchtlinge sollen sich beweisen können

Die Bundesagentur für Arbeit finanziert die ersten sechs Wochen des 14-wöchgigen Brückenpraktikums. In den restlichen Wochen vergütet Daimler die Arbeitszeit auf Basis des Mindestlohngesetzes, teilt der Konzern mit. Die Arbeitszeit im praktischen Teil betrage dreieinhalb Stunden pro Tag, in jeweils weiteren dreieinhalb Stunden lernen die Flüchtlinge deutsch. Die Finanzierung der Deutschkurse übernimmt Daimler für die komplette Dauer der Brückenpraktika.

„Es wäre sinnvoll, solche Projekte flächendecken einzuführen und zwar für einen längeren Zeitraum“, sagt Arbeitsmarkexperte Stefan Sell von der Hochschule Koblenz. „Wir wissen, dass der Weg, der bislang gegangen wird, fatal ist.“ Die Flüchtlinge würden oft viel zu lange auf Deutschkurse warten; der Versuch der Arbeitsmarktintegration käme danach. „Dabei wissen wir aus der Forschung, dass das berufsbegleitende Lernen den viel größeren Lernerfolg verspricht als das Lernen in einem schulischen Kontext.“

Für die Flüchtlinge sei es wichtig, so viel wie möglich Kontakt zu den Betrieben zu haben. „Sie brauchen die Chance, sich einmal beweisen zu können.“ Dass viele Flüchtlinge danach in Leiharbeit landen, sieht er insofern kritisch als es unter den Zeitarbeitsfirmen auch schwarze Schafe gibt. „Ein Flüchtling, der weder Deutsch perfekt spricht, noch das deutsche Arbeitsrecht kennt, wird sich dagegen kaum wehren.“

Auf der anderen Seite könnte die Beschäftigung in einer Zeitarbeitsfirma auch eine Brücke sein zu einem regulären Anstellungsverhältnis, so Sell.