Das Ditzinger Familienunternehmen zeigt den amerikanischen Kunden mit einer intelligenten Fabrik, was der deutsche Maschinenbau beim Thema Industrie 4.0 zu bieten hat.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Chicago - Megan Baumgartner hat die Kontrolle: Auf dem Rechner der 32-jährigen Ingenieurin laufen alle Aufträge der Trumpf-Kunden in Chicago ein. Sie organisiert von der Kommandozentrale der neuen intelligenten Fabrik des Ditzinger Werkzeugmaschinenherstellers den möglichst effizienten Einsatz der Anlagen, sie programmiert die Maschinen und behält den kompletten Fertigungsprozess im Auge. „Theoretisch könnte die komplette Fabrik von meinem Kollegen und mir gesteuert werden“, sagt sie und zeigt auf ihren Nebensitzer. Gemeinsam überblicken die beiden von ihrem Arbeitsplatz aus die gesamte Produktionshalle.

 

Mit der intelligenten Fabrik hat Trumpf am Dienstagabend in Chicago (Ortszeit) die modernste Smart Factory eröffnet, die es derzeit in den USA gibt. Eine intelligente Fabrik ist eine Produktionsanlage, die fast keinen Personaleinsatz mehr benötigt. Das beginnt bei der Bestellung durch den Kunden und der Erstellung eines Angebots, geht über die Materialbeschaffung bis hin zur Produktionsplanung und Fertigung. „Es gibt derzeit keine Fabrik, bei der all diese Prozesse so automatisiert ablaufen wie in unserer Smart Factory“, sagte Heinz-Jürgen Prokop, der in der Trumpf-Geschäftsführung für den Bereich Werkzeugmaschinen zuständig ist. Insgesamt hat Trumpf für die Anlage rund 30 Millionen Euro investiert.

Der Werkzeugmaschinenhersteller hofft, dadurch mehr Kunden insbesondere aus der Blechbearbeitung von intelligenten Lösungen für ihre Fabriken überzeugen zu können. Die neue Anlage soll daher in erster Linie eine Schau-Fabrik sein, gleichwohl wird dort auch produziert.

Das Produktionstempo soll verdoppelt werden

„Wir gehen davon aus, durch die intelligente Vernetzung nicht mehr nur von Maschinen, sondern der gesamten Wertschöpfungskette die Durchlaufzeit unserer Produkte um 30 Prozent reduzieren zu können“, sagte Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller bei der Eröffnung. Das heißt: doppelt so schnell produzieren zu können wie bisher. „Unser Ziel ist es, dass Maschinen in Zukunft nicht mehr stillstehen“, so die Unternehmenschefin.

In der Fabrik der Zukunft sei stets genügend Material vorhanden, so dass alle Anlagen optimal ausgelastet und aus der Ferne bedient werden können. Den Standort Chicago hat Trumpf gewählt, weil die Region als das Silicon Valley der Blechbearbeitung gilt. Rund 40 Prozent der gesamten blechbearbeitenden Industrie sind von der Stadt aus in höchstens zwei Autostunden zu erreichen. Insgesamt ist es der fünfte Trumpf-Standort in den USA neben Farmington, Santa Clara, Detroit und Princeton. In Farmington betreibt Trumpf sein US-Hauptquartier und eine Produktion mit rund 700 Mitarbeitern. Mit einem Umsatzvolumen von 421 Millionen Euro sind die USA der zweitwichtigste Markt für Trumpf nach Deutschland. Damit liegen die USA vor China und Südkorea. Für das laufende Geschäftsjahr geht Mathias Kammüller, Technologiechef des Unternehmens, in den USA von steigenden Erlösen aus: „Wir rechnen mit einem Umsatzplus von zehn Prozent“, sagte er.

Warnung vor protektionistischen Maßnahmen

Kammüller ist zuversichtlich, dass Trumpf insbesondere im Bereich der Softwarelösungen wachsen kann. Denn beim Thema Industrie 4.0 haben viele amerikanische Unternehmen noch Nachholbedarf. Insgesamt sollen digitale Anwendungen in den kommenden Jahren immer stärker zum Umsatz des Werkzeugmaschinenherstellers beitragen. „Wir rechnen bei den Softwarelösungen mit einem Anstieg von derzeit 20 auf 200 Millionen in den kommenden fünf Jahren“, sagte Kammüller.

Bezogen auf den US-Markt warnte Nicola Leibinger-Kammüller davor, den freien Handel mit Deutschland einzuschränken: „Wir glauben: Alle politischen Signale, die auf Abschottung gegenüber anderen Märkten setzen, die vor allem fremde Handelsüberschüsse kritisieren, anstatt sich einmal mit der hohen Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte auseinanderzusetzen, sind Gift für Investitionen“, warnte sie. „Gerade unsere Industrie, der Maschinen- und Anlagenbau, braucht freie Märkte wie die Menschen die Luft zum Atmen.“ Sie wies darauf hin, dass drei Viertel der Produkte aus der Branche in den Export gingen. „Auch und gerade nach Amerika.“

Geteilte Meinungen zur Automatisierung

Während die deutschen Trumpf-Mitarbeiter mit Sorgenfalten nach Chicago reisten, sind die Trumpf-Vertreter in Amerika in guter Stimmung: „Die Wirtschaft brummt, die Auftragslage ist sehr gut“, sagte Burke Doar, der Vizepräsident von Trumpf in den USA. „Die Unternehmer hier hoffen jetzt vor allem auf die Steuerreform“, so Doar. „In kaum einem Land sind die Unternehmenssteuern höher als hier.“ Gelänge die Reform, seien alle protektionistischen Maßnahmen überflüssig, weil die amerikanische Wirtschaft dann keine weiteren Impulse benötigte, so Doar.

Beim Thema Automatisierung gibt es in den USA geteilte Meinungen. Für die einen gilt sie als Zukunftsthema, das es Hochlohnländern erlaubt, fertigungsintensive Produktionen weiterhin im Land zu behalten. Bei den anderen gilt sie als Jobkiller. „Es ist in der Tat so, dass durch die Automatisierung Jobs wegfallen werden“, sagte Tobias Reuther, Manager der Smart Factory in Chicago. „Jedoch sind dies die Jobs, bei denen wir heute schon Schwierigkeiten haben, Personal zu finden.“ Reuther geht davon aus, dass es durch die Digitalisierung der Produktionsprozesse möglich sein wird, Branchen in die USA zurückzuholen, die in den vergangenen Jahren in Billiglohnländer wie China abgewandert sind.