Mitarbeiter der Intensivpflege des Robert-Bosch-Krankenhauses klagen über massive Überlastungen in ihrem Arbeitsalltag. Die Geschäftsführung habe darauf bisher nicht ausreichend reagiert. Erstmals sind sie deshalb an die Öffentlichkeit gegangen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Ein schon seit Monaten schwelender Streit zwischen der Leitung des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) und Mitarbeitern über die Arbeitsbelastung in der Intensivpflege spitzt sich immer mehr zu. Bei einem öffentlichen „Notruf“ zusammen mit der Gewerkschaft Verdi haben Mitarbeiter am Montag erklärt: Sollten sich die Verhältnisse nicht bis Ende Oktober ändern, werde man nur noch Dienst nach Vorschrift machen.

 

Schon seit längerem, aber vor allem in den vergangenen Monaten sei die Lage auf ihren Stationen immer schwieriger geworden, sagen Mitarbeiter der Intensivstation und des Überwachungsbereichs. „Wir haben keine Zeit mehr durchzuatmen“, erklärt eine Anästhesiepflegerin. „Wir versorgen Schwerstkranke Menschen im Akkord, Fehler häufen sich. Das kann ich mit meinem Gewissen immer weniger vereinbaren.“ Eine 39-Jährige, die seit 15 Jahren als Intensivkrankenschwester arbeitet, klagt deshalb: „Wir sind psychisch und körperlich am Ende.“

177 Unterschriften an die Geschäftsleitung

Nach zahlreichen Überlastungsanzeigen und einem Schreiben an die Geschäftsleitung, das 177 Kolleginnen und Kollegen unterzeichneten, sind die Mitarbeiter nun zusammen mit Verdi an die Öffentlichkeit gegangen. Verdi ist freilich nicht Betriebspartei, das RBK hat für die Ärzte einen Haustarifvertrag mit dem Marburger Bund, im Pflegebereich lehnt man sich an den Tarif des öffentlichen Dienstes an.

„Von den 177 Leuten sind etwa 50 Prozent bei Verdi, da haben wir in gewisser Weise ein Vertretungsrecht“, sagt Nadja Schmidt von Verdi. Jedenfalls unterstützt die Gewerkschaft von außen seit geraumer Zeit die Forderungen der Mitarbeiter, die da lauten: Personalbesetzung eins zu zwei auf der Intensivstation, eins zu drei auf der Überwachungsstation und eine Prämie von 50 Euro, wenn jemand, der eigentlich frei hat, für einen anderen einspringt. Letzteres sei in den meisten anderen Häusern heute üblich, sagt Nadja Schmidt.

Ärztlicher Direktor weist die Vorwürfe zurück

Der Ärztliche Direktor des RBK, Mark Dominik Alscher, kann das neuerliche Aufflammen des Protests nicht nachvollziehen. Schon Ende Juni habe man sich mit der Sache ernsthaft befasst und festgestellt: „Im Regelfall arbeiten wir mit den korrekten Besetzungen“, wie diese nun gefordert würden, vorübergehende Abweichungen könne es aber bei hohen Ausfällen während Krankheitswellen geben. „Im Vergleich mit anderen Häusern haben wir sogar eine günstigere Personalbesetzung“, sagt Alscher. Um den Dialog aller Beteiligten zu verbessern, habe man aber ein „Intensivforum“ eingeführt. Was die Forderung nach einer Prämie angeht, stellt der Ärztliche Direktor klar: Man habe einen Springerpool für Engpässe, so Alscher. „Ohne Teamgeist kann man das nicht machen, man kann nicht alles eins zu eins finanziell abbilden.“ Was Überstunden anlangt, gebe es im Übrigen eine Betriebsvereinbarung. Zuschläge gibt es nicht. In der Substanz bleibe von den Vorwürfen nichts übrig, sagt Alscher. „Ich habe da ein gutes Gefühl.“

Bei den Beschäftigten sieht man das anders. Zur Aussage des Ärztlichen Direktors, dass das RBK den von der Fachgesellschaft Intensivmedizin empfohlenen Personalschlüsse in der Regel einhalte, sagt eine erfahrene, 47 Jahre alte Intensivschwester: „Hinrechnen kann man alles. Am Bett erleben wir das jedenfalls anders.“

Betriebsrat warnte vor Überarbeitung

Fred Guha, der Betriebsratsvorsitzende des RBK, sagt über die Verdi-Aktionen, man sei daran nicht beteiligt. „Wir stehen aber hinter unseren Mitarbeitern.“ Er bestätigt, dass die Stimmung im Intensivbereich des Bosch-Krankenhauses und der Klinik Schillerhöhe „seit Anfang des Jahres hochgekocht ist“. Der Betriebsrat habe immer wieder „vor Überarbeitung gewarnt“. Auch jetzt kann Fred Guha nicht feststellen, dass eine „Befriedung“ eingetreten sei.

Überzeit ist im RBK jedenfalls ein Thema. Bis Ende Juli musste die Geschäftsleitung monatelang dafür sorgen, dass die Mitarbeiter rund 40 000 aufgelaufene Überstunden abbauten, wie es die Regelung der Arbeitszeitkonten vorsieht. Dieser Schritt war erzwungen worden – der Betriebsrat hatte beim Arbeitsgericht geklagt.