Politiker, Wissenschaftler, Architekten, und Planer sind sich einig: Die Region Stuttgart soll sich von 2017 bis 2027 in einer Internationalen Bauausstellung zum Teil neu erfinden. Das Projekt nimmt Bezug zur Weißenhofsiedlung.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Führende Vertreter des Verbands Region Stuttgart, der Stadt Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg haben am Dienstagabend den Weg bereitet für eine Internationale Bauausstellung (IBA), die von 2017 bis 2027 stattfinden soll. Das Präsentationsjahr 2027 sei nicht zufällig gewählt, betonte Walter Rogg, der Geschäftsführer der federführend agierenden Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart (WRS), bei der Präsentation des entsprechenden Memorandums in den Stuttgarter Wagenhallen. Nach Roggs Ansicht sollten Architekten und Planer 100 Jahre nach Eröffnung der Weißenhofsiedlung „radikal neue Ideen für Stadtregionen im Zeitalter von Digitalisierung, Klimawandel und Globalisierung entwickeln“. Dafür brauche es „Mut, Bürgerstolz und Identifikation mit unserer Region“.

 

Zuvor aber müssen die Regionalversammlung und die Gemeinderäte der Kommunen, die sich beteiligen wollen, der Einrichtung einer Internationalen Bauausstellung zustimmen. Was das heißt, beschrieb Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) in launigen Worten. „Die Region“, sagte der einstige IBA-Skeptiker, „besteht aus extrem eigensinnigen Städten.“ Zwar müsse jedes einzelne Pflänzlein gehegt werden, „ein schöner Garten entsteht aber nur, wenn man das Gesamtbild im Kopf hat“. Deswegen werde er im Stuttgarter Gemeinderat für die IBA werben. „Das Ding“, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn, „ist auf einem guten Weg.“

Regionalpräsident: „Kreative Spinner“ und Gemeinderäte müssen zueinander finden

Das hörte Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) gerne. Seiner Überzeugung nach müsse der Industriestandort am Neckar bereits jetzt über einen „präventiven Strukturwandel“ nachdenken. Für diesen Prozess sei die IBA bestens geeignet. Sobald die Gremien ihre Zustimmung erteilt hätten, starte ein Prozess, in dem „die kreativen Spinner“ aus den Architekturbüros und „die Gemeinderäte, die am liebsten schon vor der Beschlussfassung wüssten, ob das Dach mit Biberschwänzen gedeckt wird“, zueinander finden müssten. Das setze gegenseitiges Verständnis voraus. Und, natürlich, „dass die Bekundungen des Wollens in konkrete Zusagen münden“.

Dieser Satz war direkt gemünzt auf Bopps Parteifreundin Nicole Hoffmeister-Kraut. Tatsächlich hatte die Landes-Wirtschaftsministerin in ihrer Rede nicht nur „die kreative Aufbruchstimmung in den Wagenhallen“ und „die Bedeutung der zentralen Wirtschaftsregion des Landes“ betont. Sie erinnerte die Protagonisten auch daran, dass „hier große Worte fallen und viel versprochen wird“. Wichtig sei, dass keine Gleichmacherei stattfinde, sondern „der polyzentrische Charakter der Region“ mit Residenz- und freien Reichsstädten gestärkt werde. In Anbetracht der breiten Allianz aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft habe sie aber keinen Zweifel am Erfolg der IBA, zu dem das Land wohl sein Schärflein beitragen wird: „Wir loten die Möglichkeiten aus, wie das Land die IBA unterstützen kann.“

Fachleute schlagen vor, statt Superlativen den Mensch in den Vordergrund zu stellen

Wie weit die Vorstellungen der Experten schon jetzt reichen, machten drei ganz unterschiedliche Fachleute am Ende der Veranstaltung deutlich. Sowohl Tilman Harlander, emeritierter Professor am Institut für Wohnen und Entwerfen der Uni Stuttgart, als auch Hanna Noller vom Verein Stadtlücken betonten, dass sich Stuttgart von allen Superlativen („immer größer, immer höher, immer weiter“) verabschieden und stattdessen den Mensch in den Vordergrund stellen solle. „Das wäre doch mal wieder etwas Neues“, sagte Noller unter dem Beifall der etwa 300 Zuhörer.

Noch einen Schritt weiter ging Markus Müller. Der Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg nannte die Region Stuttgart einen „Sehnsuchtsort für viele Menschen“. Gleichzeitig erinnerte er an die Ziele der UN-Klimakonferenz im vergangenen Jahr in Paris und daran, dass in Afrika weltweit die größten Bevölkerungszuwächse zu verzeichnen seien. „Wir müssen hier bei uns die Lösungen erarbeiten, die auch beim Wohnbau in Afrika angewandt werden können“, sagte Müller und regte an, einige Einzelprojekte der IBA von Afrikanern kuratieren zu lassen.