Vor der Internationalen Funkausstellung in Berlin rührt die Branche gewaltig die Werbetrommel, denn die Umsätze sinken und bahnbrechende Innovationen fehlen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - So können Experten irren. Im Online-Zeitalter hätten Publikumsmessen keine Zukunft mehr, behaupteten lange Zeit angebliche Fachleute. Die Internationale Funkausstellung (Ifa) beweist allerdings Jahr für Jahr genau das Gegenteil. Die Leitmesse für Konsumelektronik, die am Freitag unter dem Berliner Funkturm für sechs Tage ihre Tore öffnet, brummt weiterhin und meldet wieder Rekordzahlen.

 

Mit 1823 Ausstellern (plus 13 Prozent) auf 158 000 Quadratmetern (plus fünf Prozent) ist die Ifa zum neunten Mal in Folge ausgebucht. Berlins Messechef Christian Göke schwärmt von der „flächenstärksten Ifa“ überhaupt. Ifa-Direktor Jens Heithecker sieht die Elektronikschau an der Spree als „weltweit größte Publikumsmesse der Consumer und Home Electronics und effizientesten Business-Treffpunkt der Branchen“.

Bescheidenheit ist in Messezeiten nicht gefragt. Auf der Ifa, die seit mehr als 90 Jahren stattfindet, wird traditionell kräftig die Werbetrommel gerührt, denn Hersteller und Handel bereiten sich auf die verkaufsstärkste Jahreszeit vor: das Weihnachtsgeschäft. Technikprodukte gehören zu den beliebtesten Geschenken unterm Tannenbaum. „Von der Ifa erwarten wir auch 2016 positive Impulse“, sagt Hans-Joachim Kamp vom Branchenverband gfu Consumer Home Electronics, dem Messeveranstalter.

Ifa gilt als wichtigsten Ordermesse der Branche

Aufträge im Wert von 4,35 Milliarden Euro wurden 2015 von Industrie und Handel auf der Ifa vereinbart. Das Berliner Treffen gilt deshalb als wichtigste Ordermesse der Branche und zudem als globaler Indikator für Trends und Innovationen. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr, denn die wichtigsten Hersteller von TV- und Videogeräten, Kameras, Heimcomputern, Tablets oder Smartphones sitzen zum größten Teil längst in Asien oder den USA.

Europa hat den Anschluss in vielen Bereichen schon lange verloren, ist aber ein zentraler Absatzmarkt. Und die Ifa gilt als ideales Schaufenster, um Neuheiten zu präsentieren, Kaufimpulse zu setzen und Aufmerksamkeit zu schaffen. Die Aussteller können zudem testen, wie Innovationen beim Publikum und den zahlreichen Fachbesuchern ankommen. Mehr als 240 000 Gäste werden auch in diesem Jahr erwartet.

Impulse kann die Branche gut gebrauchen. Denn die Geschäfte laufen derzeit nicht berauschend, bewegen sich aber weiterhin auf sehr hohem Niveau. Global wird für 2016 ein Umsatz von 814 Milliarden Euro mit Konsumelektronik erwartet, ein leichter Rückgang. In den meisten entwickelten Ländern steht die Branche vor dem gleichen Problem: Der Bedarf der Konsumenten an TV-Geräten, Kameras oder Handys ist eigentlich gesättigt. Viele Haushalte sind bereits bestens ausgestattet. Die Kunst der Verkäufer besteht deshalb vor allem darin, den Verbrauchern tatsächliche oder scheinbare Innovationen anzupreisen und so für weiter wachsende Nachfrage zu sorgen.

Umsätze in Deutschland um 2,3 Prozent gesunken

Im ersten Halbjahr ist der Umsatz mit Konsumelektronik in Deutschland um 2,3 Prozent auf 12,2 Milliarden Euro gesunken. Auch fürs Gesamtjahr erwartet die gfu ein Umsatzminus von knapp einem Prozent. Höher ist die Nachfrage bei Haushaltstechnik. Bei Großgeräten wie Waschmaschinen und Trocknern rechnet man mit einem Plus von vier Prozent auf 7,8 Milliarden Euro, bei Kleingeräten sogar mit 15 Prozent Wachstum auf 4,2 Milliarden Euro.

Die Digitalisierung und Vernetzung der Geräte steht weiterhin im Mittelpunkt der Funkausstellung. Die klassische Unterhaltungselektronik verliert dabei rasant an Bedeutung. Im ersten Halbjahr sanken die Umsätze mit TV-, Audio- und Videotechnik um drei Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Damit bringt der einstige Hauptumsatzträger nur noch ein Drittel der Gesamterlöse. Die neuen Verkaufsschlager sind längst Smartphones. In den ersten sechs Monaten wurden nochmals 10,7 Millionen Geräte für 4,3 Milliarden Euro verkauft. Allein für die mobilen Alleskönner geben die Bundesbürger also mehr aus als für alle neuen TV-, Video- und Audiogeräte zusammen. Allerdings lässt der Boom auch hier nach. Erstmals schrumpften die Absatzzahlen bis Juni deutlich um 5,5 Prozent, der Umsatz fiel um ein Prozent.