Auf der 57. Ifa werden die Neuheiten der Elektronikbranche präsentiert. Die Konsumtechnik hat unser Leben verändert. Doch nicht jede Innovation setzt sich durch – und gerade die viel beschworene Digitalisierung macht viele Geräte kurzlebiger.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Das waren Zeiten. Als am 4. Dezember 1924 die „Erste Große Deutsche Funk-Ausstellung“ in Halle 4 des Berliner Messegeländes für elf Tage die Tore öffnete, kamen 114 000 Besucher, um die größte Innovation zu bestaunen: Röhren-Rundfunkgeräte. Schon vier Jahre später wurden die ersten TV-Geräte gezeigt und 1931 glänzte die Ifa mit der Premiere einer vollelektronischen Fernsehübertragung. Im Jahr darauf folgte das erste Autoradio aus europäischer Produktion – damals allesamt technische Sensationen.

 

Fast hundert Jahre später sind Radios und Fernseher pure Selbstverständlichkeit. Konsumtechnik, Digitalisierung und Internet haben unseren Alltag so rasant verändert wie kaum eine Technologie zuvor. Bestes Beispiel: der phänomenale Erfolg des Smartphones. 2007 stellte Apple-Mastermind Steve Jobs das erste I-Phone vor. Nur zehn Jahre später sind die mobilen Alleskönner für Milliarden Menschen rund um den Globus zum unersetzlichen Helfer bei der Kommunikation, Information, Navigation oder Unterhaltung geworden – quasi zum zweiten Gehirn.

Auch auf der IFA gehören Smartphones zu den begehrtesten Objekten, die Stände der Aussteller sind umlagert. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 20 Millionen Stück verkauft. Das spült dem Handel über acht Milliarden Euro Umsatz in die Kassen. Damit bringt die Sparte mittlerweile so hohe Erlöse wie die gesamte klassische Unterhaltungselektronik zusammen. Kein Wunder, denn die smarten mobilen Mini-Computer sind multifunktional und machen MP3-Player, Kleinbildkameras und Navigationsgeräte überflüssig.

Das Farbfernsehen – ein Ifa-Meilenstein

Davon konnte man vor fünfzig Jahren allenfalls träumen. 1967 dauerte die IFA noch zehn Tage und fand nur alle zwei Jahre statt. Mehr als eine halbe Million Besucher kamen und Bundeskanzler Willy Brandt startete mit einer symbolischen Geste das Farbfernsehen in Deutschland – eine Technologie, die zum Standard wurde und erst drei Jahrzehnte später durch digitale Übertragungswege und Geräte allmählich ersetzt wurde. Willy Brandts Knopfdruck war einer der großen historischen Momente der Funkausstellung, ein Meilenstein. Die Fernseher mit der neuen PAL-Norm zur Farbübertragung wurden bald zum Verkaufsrenner, fast jeder wollte so ein Gerät haben. Schon in den Wirtschaftswunderjahren stand die TV-Technik auf der Ifa immer im Mittelpunkt. Nach den Schrecken und Entbehrungen des 2. Weltkriegs waren Unterhaltung und Lebensfreude gefragt – das Fernsehen sorgte dafür.

Auch die Wirtschaft lieferte gerne. 1953 gab es auf der IFA bereits eine „Fernsehstraße“ mit 68 verschiedenen Empfängern. Vier Jahre später wurden tragbare TV-Geräte vorgestellt, 1959 die drahtlose Fernbedienung. 1961 folgten UHF-Fernseher für den Empfang des neu gestarteten ZDF. Alles Innovationen, die sich durchsetzten, ähnlich wie Stereo-Rundfunk und Kassettenrekorder, beide 1963 vorgestellt, sowie die 1969 präsentierten Videorekorder.

Die goldenen analogen Zeiten

Im Unterschied zur heutigen Zeit brauchte es meist viele Jahre, bis die IFA-Neuheiten auch in den Wohnungen standen. Einkommen und Kaufkraft waren geringer, die Geräte viel teurer. So blieb ein eigener Farbfernseher für zahlreiche Familien erst mal nur ein Wunschtraum. In der analogen Zeit waren die Entwicklungs- und Modellzyklen zudem viel länger. Geräte wie Radios, Plattenspieler und Musikanlagen veränderten sich über Jahrzehnte hinweg kaum wesentlich – und wurden oft ebenso lange genutzt. Es waren die goldenen Zeiten der deutschen Unterhaltungselektronik. Unternehmer-Legenden wie Max Grundig stiegen zu den größten Produzenten von Rundfunk- und Tonbandgeräten weltweit auf, Marken wie Dual, Nordmende, Braun, Loewe, Saba, Siemens oder Telefunken teilten sich seit den Zwanzigerjahren den lukrativen Markt und bestimmten auch das Bild auf der Funkausstellung.

Doch dann begann die Globalisierung der Branche. Erst die Japaner (Sony, Sharp, Hitachi, Kenwood, Toshiba, JVC, Aiwa, Mitsubishi, Denon, Panasonic, Technics), später die Koreaner (Samsung, Goldstar, Daewoo, LG) und schließlich die Chinesen (Lenovo, Huawei) verdrängten mit günstigeren Preisen und immer besserer Technik die Traditionsmarken aus Europa fast vollständig. Ob Grundig, Dual oder Telefunken, Dutzende einst führende Unternehmen mussten aufgeben, Zehntausende Jobs verschwanden. Für die Verbraucher brachte der Wandel durchaus Vorteile. Die heftige globale Konkurrenz und die Massenproduktion in Fernost machten Unterhaltungselektronik so vielfältig und billig wie nie zuvor.

Insellösungen und Systemstreit

Doch auch die ersten Schattenseiten zeigten sich. In immer kürzeren Abständen warfen Hersteller neue, kaum veränderte Modelle auf den Markt, um Umsatz zu generieren. Manch gefeierte Innovation wie der 1970 auf der Ifa präsentierte Bildplattenspieler erwies sich bald als Insellösung. Richtig sauer machte viele Verbraucher dann aber der Systemstreit um die Videoaufzeichnung. Denn anstatt sich auf einen Standard zu einigen, brachte die Industrie gleich drei Techniken auf den Markt. Auf der Ifa 1977 präsentierte Sony den Betamax-Videorekorder und JVC die VHS-Technologie. Zwei Jahre später folgte die Konkurrenz aus Europa, Philips und Grundig stellten Video 2000 vor. Doch nur VHS setzte sich am Markt durch, vor allem wegen günstiger Preise für die Geräte und Leerkassetten sowie des größeren Angebots von Filmen zum Kaufen und Ausleihen in Videotheken. Wer die andere Technik gekauft hatte, schaute dagegen bald in die Röhre. Das qualitativ bessere Betamax-System blieb eine Randerscheinung, Video 2000 wurde bald wieder eingestellt. Doch das war nur ein Vorgeschmack darauf, was bald kommen sollte: Die Digitalisierung eroberte die Unterhaltungselektronik, machte Geräte intelligent und multifunktional – aber auch immer schneller zur Wegwerfware.

Die digitale Revolution

Als 1981 die ersten Compact-Disc-Geräte auf der IFA standen, ahnten wohl die wenigsten, welche Revolution da gerade begann. Die Unternehmen hatten dazu gelernt, Sony und Philips gemeinsam den Standard für die Silberscheiben und Abspielgeräte definiert. Bald explodierte der Markt, als die Preise für CDs und Geräte in den Neunzigerjahren sanken. Die Schallplatte wurde nach mehr als hundert Jahren zum Auslaufmodell, ganze Sammlungen landeten im Keller oder gleich auf dem Müll – und die Plattenspieler ebenso. Solch einen Technologiesprung hatte es zuvor in der Branche nicht gegeben. Die meisten Verbraucher waren vom brillanten CD-Klang begeistert, legten Sammlungen an und kauften neue Musikanlagen. Doch kaum zwei Jahrzehnte später hat die gefeierte Technik bei vielen schon wieder ausgedient. Vor allem die mobile Jugend hört Musik zum großen Teil nur noch online bei Youtube oder Spotify, mit Smartphone, Kopf- und Ohrhörern oder per Wlan-Funk verbundenen Lautsprechern. CDs oder große TV- und Musikanlagen werden nicht mehr gebraucht.

Wer sich dagegen seit Beginn der Digitalisierung bemühte, immer auf dem aktuellen Stand der Gerätetechnik zu bleiben, benötigt gute Nerven – und vor allem viel Zeit und Geld. Denn immer schneller zählt gerade noch in der Fachpresse bejubelte Technologie zum alten Eisen. Das lässt die Schrottberge ausrangierter Geräte wachsen. Ein Beispiel: die digitale Aufzeichnung. 1987 präsentierte Sony auf der Ifa das Digital Audio Tape (DAT), das den analogen Videorekorder ablösen sollte. 1991 folgten Philips mit der Digitalen Compact Cassette (DCC) , gleichzeitig wurde die Photo-CD von Kodak vorgestellt. Kein einziges System setzte sich durch, alle verschwanden bald wieder vom Markt.

Technik veraltet immer schneller

Stattdessen wurden die wiederbespielbare CD und Bluray, später dann Festplattenrekorder zum Mitschneiden und Kopieren von Filmen genutzt. Inzwischen verstaubt auch diese Technik in den Wohnzimmern. Denn Online-Anbieter bieten Millionen Filme und Songs gegen kleine Monatsbeiträge oder gar kostenlos zum sofortigen Konsum oder Download an, bei anderen lassen sich TV-Mitschnitte auf Online-Datenspeichern sogar per Smartphone programmieren. Damit kann man sich Aufzeichnungsgeräte und Speichermedien sparen.

Auch die TV-Hersteller hielten die Kundschaft in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten mächtig auf Trab. Erst 4:3, dann 16:9, später flach, jetzt sogar gebogen, außerdem High Definition und natürlich smart, onlinefähig und vernetzt – wer sein Gerät immer auf dem neuesten Stand haben wollte, kam zeitweise mit dem Austausch kaum noch hinterher. Auf dieser Ifa trommelt die Branche schon für den nächsten, noch schärferen Bildstandard Ultra-HD, um die zuletzt flauen Geschäfte anzuheizen.