Am 2. Mai startet das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart 2017. Als Publikumsmagnet ist es eine Wucht, als Branchentreff zusammen mit der Fachmesse FMX bestens etabliert. Nun muss die Poliitk die große Chance erkennen, die das bietet, meint Thomas Klingenmaier.

Stuttgart - Ein Blick zum Himmel kann derzeit sauerste Aprillaune auslösen, aber auch eine Grundsatzdiskussion – eine über das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart. Von Dienstag an bis Sonntag will diese originelle kulturelle Großveranstaltung im ohnehin schon kulturwimmeligen Stuttgart wieder internationales und lokales Fach- und Laienpublikum gleichermaßen bedienen. Das Zentrum seiner Angebote, das kostenlose Open-Air-Vergnügen auf dem Schlossplatz, lockte in den Vorjahren die Massen – weil meist auch das Wetter mitspielte. Sollte die Festivalwoche kühl und regnerisch ausfallen, wird das die Besucherzahl schmälern. Auch wenn die Veranstalter darauf hinweisen, Regen triebe stets auch zusätzliches Publikum in die vom Festival belegten Kinosäle.

 

Sind auf der Chefetage des strahlkräftigen Events Zocker am Werk? Planen da klimaanlagenumsäuselte Zivilisationsmenschen, denen der Bezug zur archaischen Gewalt des Wetters verloren gegangen ist? Muss das Trickfilm-Festival vor ihnen gerettet verlegt werden? Man darf das als eventuell fröstelnder Besucher mit Schirm durchaus mal fragen, sollte aber auf ein Nein als Antwort gefasst sein.

Filmland in der Peanuts-Kategorie

Die Planer bei der von den Städten Stuttgart und Ludwigsburg, der Wirtschaftsregion Stuttgart, der Filmakademie in Ludwigsburg und dem Land Baden-Württemberg getragenen Film- und Medienfestival gGmbH wissen, was sie tun. Ihr Festival ist ein hochkarätiges Freizeitangebot, zugleich aber ein Schlüsselprojekt hiesiger Medienpolitik. Das Trickfilm-Festival schafft Aufmerksamkeit für einen Medienstandort, dessen kombinierte Finanzanreize ihn ansonsten international bloß mit Ach und Krach für die unterste Peanuts-Kategorie qualifizieren.

Das Trickfilm-Festival geht Hand in Hand mit dem parallel stattfindenden Fachkongress FMX, einer Tagung für alle Gewerke digitaler Bildgestaltung, von den Spezialeffekten Hollywoods über bombastische Werbeclips und Computerspiele bis hin zu interaktiven Informationsangeboten in Museen und Behörden. Diese Talent- und Ideenbörse, die sich beharrlich gegen viel internationale Konkurrenz, manchen Plagiator und auch ein wenig politische Ignoranz durchgesetzt hat, trägt entscheidend dazu bei, die Region Stuttgart-Ludwigsburg auf die Landkarte des internationalen Filmgeschäfts zu bringen. Dass etwa Trickbilder für den globalen TV-Serienhit „Game of Thrones“ in Stuttgart entstehen, ist auch der FMX zu verdanken.

Ein größeres Konzept muss her

Der weltweite Filmfestival- und Kongresskalender aber ist prallvoll. Viele Veranstalter konkurrieren um eine begrenzte Anzahl einflussreicher Gäste und relevanter Firmen. Man gründet da nicht einfach ein neues Event und hat Erfolg, man kann auch kein bestehendes Festival einfach mal zeitlich verschieben, ohne schmerzhafte Einbußen zu erleiden. Das etablierte Trickfilm-Festival tut gut daran, ein wenig Wetterrisiko auf sich zu nehmen.

Der Blick in den grauen Himmel konfrontiert uns also nicht mit der Grundsatzfrage, ob der Maibeginn den besten Open-Air-Termin abgibt. Sondern mit der anderen: Ob nämlich dieses für die Medienwirtschaft so segensreiche Festivalgebilde das ideale Umfeld hat – oder ob diese jährliche Talent-, Ideen- und Trendballung im Kernbereich der Bewegtbildkultur nicht nach einem größeren Medienkonzept verlangt. Mit seinen Stärken im Bereich der Animation und Computerbilder, der Games und der Kinderfiktionen sollte der Südwesten stärker wuchern. Es geht nicht ums Mithalten im innerdeutschen Standortrangeln. Es geht darum, sich als Labor und Werkbank für innovative Bildwelten von morgen zu etablieren. Gewiss, das sind wilde Visionen – aber keine vermessenen, bedenkt man, dass sich aus einer schwäbischen Hinterzimmergaudi das größte Trickfilm-Festival der Welt entwickelt hat.