Neuer Zoff bei der Daimler-Tochter AMG: Diesmal hat sich der Betriebsrat des Herstellers von Hochleistungsmotoren in Affalterbach so sehr verkracht, dass das Arbeitsgericht über eine Auflösung des Gremiums befinden soll. Die IG Metall hält sich lieber heraus.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Affalterbach - Die Daimler-Sportwagen-Tochter AMG – in der Werbesprache als die „technologische Speerspitze des Konzerns im Segment der High-Performance-Automobile“ gefeiert – wird von einem internen Krach erschüttert. Der Konflikt in den Reihen des Betriebsrats ist nicht der erste beim Hersteller von Hochleistungsmotoren in Affalterbach. Mit der Unterstützung von etwa 514 Mitarbeitern haben nun sieben Betriebsratsmitglieder Klage gegen die gesamte Arbeitnehmervertretung erhoben. Das Gremium soll vom Gericht aufgelöst werden, um Neuwahlen zu erzwingen. Begründung: „grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten“.

 

Ein erster geplanter Termin zur Güteverhandlung vor der Kammer Ludwigsburg des Arbeitsgerichts Stuttgart ist vom 23. Februar auf den 16. März verschoben worden, weil der Anwalt der Kläger noch im Urlaub weilt. Zudem sind noch nicht alle Vollmachten ordnungsgemäß erteilt. Im Zentrum des Streits steht der langjährige Arbeitnehmervertreter Ralf Eckstein, der am 27. Oktober 2016 als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender zurückgetreten war, weil er nach monatelangen Querelen mit dem damaligen Vorsitzenden Timo Brill nicht mehr zusammenarbeiten mochte. Danach brach die offene Konfrontation aus: Der Versuch, einen Nachfolger zu wählen, scheiterte zweimal. Schließlich wurde Angelique Bomm am 23. November als neue Stellvertreterin auserkoren und Timo Brill tags drauf abgewählt – dessen Nachfolger wurde wiederum Ralf Eckstein, der damit schon der vierte Vorsitzende seit der Betriebsratswahl im März 2014 ist.

Den „Ball flach zu halten“, war nicht mehr möglich

Dessen Annahme, dass nun Ruhe einkehren könnte, trog jedoch: In der Folge sammelten die sieben Betriebsräte Unterschriften für die Absetzung des aktuellen Gremiums und fühlen sich mittlerweile von mehr als einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer unterstützt – das Quorum für die Zulässigkeit der Klage wäre damit erreicht. Die Mercedes AMG GmbH hat derzeit nach starkem Wachstum etwa 1600 Stammbeschäftigte, zudem Hunderte Werkverträgler und Leiharbeitnehmer. Zudem sind die Rebellen der Ansicht, dass bei diversen Betriebsvereinbarungen, die im Vorjahr beispielsweise zum neuen Arbeitszeitmodell mit dem Arbeitgeber abgeschlossen wurden, ein besseres Ergebnis zu erzielen gewesen wäre. Man benötige einen Betriebsrat, der für die Mitarbeiterbelange „einsteht, wie es sich gehört“, fordern sie.

Die Eckstein-Fraktion moniert ihrerseits, dass alle Bemühungen, den „Ball flach zu halten“, um den Ruf des Gremiums und des Unternehmens nicht zu beschädigen, vergebens gewesen seien. Konkrete Vorwürfe für ein Fehlverhalten seien aus der Klage auch nicht ersichtlich, und die Zeit ohne stellvertretenden Vorsitzenden sei längst überwunden. Somit meint Eckstein, dass viele Mitarbeiter mit falschen Argumenten ermuntert worden seien, sich der Klage anzuschließen. Unterm Strich sei das Vorgehen auch ein „persönlicher Feldzug“, dessen Gründe weit zurückreichen.

Schon 2014 eine Klage überstanden

Eckstein ist für die Geschäftsführung ein unbequemer Betriebsrat, der sich etwa auch für Leiharbeiter eingesetzt hat. Mehrfach schon seien über das Hinweisgebersystem Business Practices Office (BPO) interne Ermittlungen gegen ihn wegen möglicher Regelverstöße in Gang gebracht worden, schildert er. Im Sommer 2014 wollte ihn das Management per Amtsenthebungsverfahren aus dem Betriebsrat entfernen – auf Basis diverser persönlicher Vorwürfe wie der Schikane von Mitarbeitern. Die Klage wurde abgewiesen. Damals erhielt Eckstein den Rückhalt der IG Metall, die von einem „Versagen“ des Managements sprach, weil es eine Listenwahl statt einer Persönlichkeitswahl ausgelöst und damit Spannungen im Betriebsrat „provoziert“ hätte. Eine Einmischung in Betriebsratsbelange lehnt die Gewerkschaft generell ab.

Im aktuellen Fall hingegen bedauert der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Ludwigsburg, Konrad Ott, die Entwicklung „außerordentlich“. Man habe versucht, den Streit einzufangen, doch sei dies nicht gelungen. Nun will man sich nicht offen in den Kampf unterschiedlicher Strömungen von IG-Metallern einmischen und sich stattdessen „so unabhängig wie möglich positionieren“, indem man auch dem Gerichtsverfahren fern bleibe. Denn in so einem Konflikt gebe es nur einen Gewinner – die Geschäftsführung – und einen Verlierer, die AMG-Belegschaft. „Daher würden wir es begrüßen, wenn der Weg für vorgezogene Neuwahlen freigemacht würde“, sagt Ott. Die nächsten ordentlichen Betriebsratswahlen – nicht nur bei der Tuning-Tochter von Daimler – finden erst von März bis Mai 2018 statt.