Das Geschäftsmodell „Private leihen Privaten Geld“ boomt im Internet. Den Anlegern winken hohe Zinsen. Verbraucherschützer sind jedoch sehr skeptisch.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Stuttgart - DJ_Herki will sich ein Auto kaufen, Dajobre einen anderen Kredit ablösen, Grolaf sein Fuhrunternehmen vergrößern und Tina1746 sich schlicht einen „Wunsch erfüllen“ – auf Kreditplattformen im Internet tobt das pralle Leben. Verbraucher benötigen aus den unterschiedlichsten Gründen Kapital, und eine wachsende Zahl hofft, auf privater Ebene Geldgeber zu finden. Klassische Geschäftsbanken sind bei dieser Art des Kreditgeschäfts außen vor: Wer Geld übrig hat, verleiht es an die, die Kapital suchen – und erhält Zinsen dafür, die deutlich über den banküblichen Renditen liegen. Weltweit werden so mittlerweile Kreditvolumen in Milliardenhöhe an den etablierten Instituten vorbei vermittelt.

 

Einige Internetplattformen sind vor Jahren in eine Lücke gestoßen, die ihnen die traditionellen Banken und Sparkassen lassen; der Online-Marktplatz Auxmoney hat in Deutschland nach eigenen Angaben mittlerweile einen Marktanteil von fast 80 Prozent. Das Düsseldorfer Unternehmen vermittelt Kredite bis 25 000 Euro, die etablierte Institute in vielen Fällen nicht abschließen würden, beispielsweise wegen unzureichender Bonität des Kreditsuchenden – erst recht nach den Erfahrungen der Finanzkrise. Viele Kredite erwiesen sich als faul und mussten abgeschrieben werden. Die Banken agieren mittlerweile vorsichtiger, ihr Geschäft wird aber auch viel stärker beaufsichtigt als früher. Die strengeren Regularien führen zudem dazu, dass die Banken bei kleineren Kreditsummen oft abwinken, weil sich der Aufwand dafür nicht lohne.

Die Durchschnittsrendite liegt bei 6,7 Prozent

Die Online-Plattformen sehen sich deshalb ganz bewusst als Ansprechpartner für Menschen, die anderswo durchs Raster fallen: „Auch für Selbstständige, Freiberufler, Auszubildende, Studenten oder Arbeitnehmer in der Probezeit sind wir offen“, sagt Philipp Kriependorf, einer von zwei Auxmoney-Geschäftsführern. Diese Menschen würden von Banken „oft unbegründet von der Kreditvergabe ausgeschlossen“.

Doch auf den Plattformen Geldgeber für sich zu gewinnen kostet gerade Kreditsuchende mit ungenügender Bonität und fehlenden Sicherheiten Geld. Mit hohen Zinsen versuchen sie die Anleger von einem Engagement zu überzeugen. Bei Auxmoney liegt die Durchschnittrendite, die ein Kreditgeber nach Angaben des Unternehmens erzielen kann, bei 6,7 Prozent; wer von der Plattform in eine hohe Risikoklasse eingestuft wird, muss schon mal 15 Prozent bieten. Darlehensnehmer mit guter Bonitätseinstufung können dagegen bei etwa fünf Prozent Zinsen liegen.

Lending Club ist bereits an der Börse

Online-Kreditgeschäfte dieser Art gibt es seit etwa zehn Jahren; eingebürgert hat sich dafür der Begriff Crowdlending. Dabei stellen mehrere Anleger Geld für ein Projekt zur Verfügung, bis die erwünschte Kreditsumme zusammenkommt und auszahlungsreif ist. 2005 startete die Londoner Plattform Zopa; das Unternehmen gilt als Pionier der Branche und ist Marktführer in Großbritannien. Bis heute hat Zopa nach eigenen Angaben Kredite im Gesamtvolumen von umgerechnet 1,1 Milliarden Euro ausgereicht. Die weltgrößte Crowdlending-Plattform, Lending Club aus den USA, hat im Dezember sogar einen Börsengang gewagt; das Unternehmen aus San Francisco hat im vergangenen Jahr 213 Millionen Dollar (190 Millionen Euro) umgesetzt, macht aber noch Verlust. Der Marktführer hat seit der Firmengründung 2006 bis Ende März 2015 nach eigenen Angaben eine Kreditsumme von umgerechnet 8,3 Milliarden Euro vermittelt. Knapp 80 Prozent der Darlehensnehmer bei Lending Club verwendeten das geliehene Geld, um andere Kredite zu bedienen oder Kreditkartenschulden zu tilgen.

Auxmoney, 2007 gegründet, ist über die Jahre deutlich gewachsen. Über die Plattform ist mittlerweile ein Kreditvolumen von knapp 225 Millionen Euro vermittelt worden. Andere Anbieter wie die Münchner Fidor Bank oder Lendico bleiben deutlich dahinter zurück. Hinter Lendico steht das Berliner Unternehmen Rocket Internet, zu dem auch die Modeplattform Zalando gehört. Und der einstige Auxmoney-Hauptkonkurrent Smava, ebenfalls 2007 gegründet, bietet mittlerweile schwerpunktmäßig seine Dienste als Kreditvergleichsrechner an. Im Laufe der Jahre sind zudem zwei Dutzend Kreditportale entstanden und wieder verschwunden.

80 Prozent der Anfragen werden abgelehnt

Reibungslos ging die Entwicklung auch bei Auxmoney nicht vonstatten, das Geschäftsmodell wurde mehrmals angepasst. „Das Ursprungsmodell ähnelte dem anderer Internetplattformen wie Ebay oder Immobilienscout“, sagt Geschäftsführer Kriependorf, der auch einer von drei Gründern ist. „Anfangs haben wir die Plattform zur Verfügung gestellt, und Gebühren sind fällig geworden, unabhängig davon, ob das Kreditgeschäft zustande gekommen ist.“ Das hat der Auxmoney viel Kritik von Nutzern eingebracht. „Wir haben viel ausprobiert und viel gelernt. Die gesammelten Erfahrungen haben sich zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil entwickelt“, sagt Kriependorf. Mittlerweile hat Auxmoney ein eigenes Bewertungssystem entwickelt, in das objektive Daten wie die der Schufa einfließen; die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) sammelt Finanzdaten über Verbraucher und deren Zahlungsfähigkeit. Hinzu kommen Daten und Fakten, die der Kreditsuchende in einem Internetfragebogen angibt. Der Ende 2013 eingeführte „Auxmoney-Score“ führe dazu, dass „wir jeden Tag 80 Prozent der Kreditanfragen ablehnen“, sagt Kriependorf. Der Kreditsuchende benötige „ein regelmäßiges Einkommen, mit dem man Kredite bedienen kann“, um angenommen zu werden.

Kommt das Kreditprojekt über Auxmoney zustande und wird ausgezahlt, erhält die Plattform unabhängig von der Laufzeit eine Vermittlungsprovision von 2,95 Prozent der Kreditsumme. Anleger müssen eine Gebühr in Höhe von einem Prozent der Anlagesumme bezahlen, ebenfalls unabhängig von der Laufzeit.

Kritik am Gebührenmodell

Niels Nauhauser, Finanzexperte von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, kritisiert das Gebührenmodell. Ein „klassisches Anreizproblem“ des Kreditgeschäfts generell sieht er auch bei den Online-Plattformen: die Entlohnung der Anbieter richtet sich nach dem vermittelten Volumen. „Die Anbieter haben also ein Interesse an möglichst vielen Abschlüssen und hohen Kreditvolumina, ohne selbst die Risiken zu tragen“, stellt Nauhauser fest. Dieses Geschäftsprinzip habe seinen Teil zur Finanzkrise beigetragen. Das Argument der Anbieter, bei Fehlverhalten ruiniere man sich das eigene Geschäft, hält der Finanzexperte für zu schwach – und an den Selbstreinigungskräften des Marktes hat er erhebliche Zweifel. In den USA hätten die Aufsichtsbehörden aus dem Systemfehler gelernt: Kreditverkäufer müssen einen Teil des weitergereichten Pakets in den eigenen Büchern behalten und damit einen Teil des Risikos selbst tragen.

Die Verbraucherorganisation Stiftung Warentest sieht Plattformen „für Kreditsuchende als Alternative zur Bank“. Die Verbraucherexperten halten das Finanzierungsmodell allerdings vor allem geeignet für „Menschen, deren Bonität nicht die beste ist“, und „risikofreudige Anleger“. Die Tester benennen in dem vor zwei Jahren durchgeführten Test klar die Risiken für beide Seiten: Der Kreditnehmer könne nicht sicher sein, die Kreditsumme „zu den gewünschten Konditionen“ zusammenzubekommen, der Anleger gehe das Risiko ein, „dass er sein Geld nur teilweise oder gar nicht zurückbekommt“.

Das Risiko ist letztlich nicht abzuschätzen

Mittlerweile fließt bei Auxmoney der geringste Teil des Anlegergeldes in die frei auf der Internetseite zugänglichen Einzelprojekte. Seit der Einführung des eigenen Scorings Ende 2013 können Anleger in verschiedenen Scoring-Klassen automatisiert in Privatkredite investieren. „Täglich steht Kreditsuchenden ein Geldtopf mit zweistelligen Millionenbeträgen zur Verfügung“, sagt Kriependorf. Um das Risiko zu streuen, „sollte der Anleger mindestens in 100 Projekte gleichzeitig investieren“. Und Banken spielen bei Auxmoney zumindest bei der Abwicklung eine Rolle: Der gewerbsmäßige Geldverleih über die Plattformen macht laut Kreditwesengesetz die Zusammenarbeit mit einer Bank notwendig.

Verbraucherschützer Nauhauser steht dem Geschäftsmodell insgesamt kritisch gegenüber. Mit einem klaren „Nein“ beantwortet er die Frage, ob er auf Plattformen wie Auxmoney überhaupt in Projekte investieren würde. „Anleger können die Risiken hier unmöglich abschätzen, es besteht die Gefahr, dass sie für das getragene Risiko keine angemessene Verzinsung bekommen.“ Hinsichtlich des Verwendungszwecks und der Beweggründe müssten Anleger vollständig auf die Angaben des Kreditsuchenden vertrauen. Ob Möbelkauf, Umschuldung oder der Transporter für das Kleingewerbe – „all das kann ohnehin niemand überprüfen“, sagt Nauhauser. Außer den Angaben zu den Schufa-Einträgen gebe es kaum objektive Einschätzungen zu den potenziellen Kreditnehmern. Und anders als bei klassischen Banken gebe es keine Sicherung der Einlagen.

Noch verdient Auxmoney kein Geld

Man habe eigene Möglichkeiten entwickelt, den Anleger zu schützen, kontert Auxmoney. „Wenn ein Kreditnehmer die Zahlungen verweigert, dann greifen wir auch mit voller Härte durch. Wenn es notwendig wird, leiten wir ein Zwangsvollstreckungsverfahren ein“, sagt Kriependorf. Sein Unternehmen will weiterwachsen, setzt dabei auch auf das Geld von US-Venture-Capital-Gebern; Auxmoney verdient aber bis jetzt kein Geld.

Der Bankenverband sieht die Entwicklung auf dem deutschen Markt gelassen: Die Summe der Kredite von Banken an Privatpersonen in Deutschland habe alleine 2014 mehr als eine Billion Euro betragen, sagt eine Sprecherin. „Es bleibt abzuwarten, ob sich bei den Plattformen eine nennenswerte Kreditnachfrage entwickeln wird.“ Der Wettbewerbsdruck sei hoch.