Wenn die Daten zu lange brauchen, wird auch die Wirtschaft abgehängt. Daran haben Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft gearbeitet und diese Technik erstmals einem kleinen Kreis vorgestellt. Spätestens zur Cebit im kommenden Jahr soll die Funktechnik einem größeren Publikum präsentiert werden.

Stuttgart - Deutschlands Wirtschaft steht derzeit so gut da, wie sonst kaum eine. Aber unter der glänzenden Oberfläche lauern Gefahren, die sich bald unangenehm bemerkbar machen könnten. Das will die Münchner Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) als Europas führende Ideenschmiede für anwendungsnahe Forschung verhindern helfen, bevor es zu einem größeren Wettbewerbsnachteil kommt. „Das größte Problem ist die geringe Datengeschwindigkeit“, warnte der FhG-Präsident Reimund Neugebauer zur Bilanzvorlage des Thinktanks in München.

 

Schneller Datenverkehr sei eine Grundlage maßgeblicher Entwicklungen wie der digitalisierten Wirtschaft unter dem Schlagwort Industrie 4.0. „Aber bei den Datenraten sind wir auf dem Niveau eines Entwicklungslands“, sagt Neugebauer. In Ländern wie Südkorea seien die Übertragungsgeschwindigkeiten um ein Fünffaches höher. Hierzulande seien vor allem die letzten Meter von schnellen Glasfaserkabeln vor der Tür bis zu den Computerarbeitsplätzen eine Engstelle. Um sie zu beseitigen, hat die FhG neuartige Möglichkeiten drahtloser Datenübertragung erfunden. So ist es gelungen, 64 Gigabit pro Sekunde per Funk auf eine Entfernung von 850 Metern zu übertragen. Diese Technologie kann bestehende Hochgeschwindigkeitslücken vor allem auf dem Land oder an schwer zugänglichen Stellen schließen.

Per Infrarot ist FhG-Forschern das Senden von Daten mit zehn Gigabit pro Sekunde gelungen. Auch das setzt neue Maßstäbe. Eine wesentliche Voraussetzung der Industrie 4.0 ist auch die Vernetzung von Unternehmen untereinander – und zwar branchenübergreifend von Fabriken hin zu Logistikern oder Versicherern. Hier arbeitet die FhG daran, einen gegen Hackerangriffe sicheren Datenraum für ein riesiges Konzern-Intranet zu schaffen, das einmal nicht nur Deutschland sondern ganz Europa umfassen soll und das auch für asiatische oder amerikanische Firmen offen ist. „Aber mit unseren Sicherheitsstandards“, sagt der FhG-Präsident. Erste Ergebnisse dafür will er 2016 zu Cebit präsentieren.

Ein weiteres Problem betrifft das rasante Wachstum der Batterietechnik, die für Elektroautos oder die Energiewende dringend benötigt wird. So baut der US-Elektroautopionier Tesla eine riesige Batteriefabrik, die nur die erste ihrer Art sein soll. Heutige Batterietechnologien benötigen aber Rohstoffe in Form sogenannter seltener Erden, die vor allem in China geschürft werden. Die FhG will speziell die deutsche Wirtschaft davon unabhängig machen und forscht deshalb an Ersatzstoffen. In drei Jahren will Neugebauer erste Pilotanwendungen vorweisen. Das Problem eines zeitweisen Überschusses erneuerbarer Energien und steigendem Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid will die FhG in Kombination angehen, wobei synthetisches Erdöl gewonnen und damit ein drittes Problem angegangen würde.

Die Forscher wollen im großindustriellen Maßstab überschüssigen grünen Strom dazu nutzen, Kohlendioxid in Wasser und Kohlenstoff zu verwandeln sowie letzteren in synthetisches Öl. „Die Politik wünscht sich, dass wir das in drei Jahren schaffen“, sagt Neugebauer. „Aber im großen Stil, bis es die Wirtschaft wirklich spürt, dauert das noch zehn Jahre“, schätzt der FhG-Chef. Um weitreichende Projekte wie dieses zu stemmen, stellt die Fraunhofer-Gesellschaft mit seinen bundesweit 66 Instituten immer mehr Experten ein. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf nun fast 24 000 hochspezialisierte Beschäftigte. 564 Patente haben sie im vergangenen Jahr angemeldet, also im Schnitt zwei pro Werktag. Die Besonderheit der FhG-Forschung mit ihren jährlich gut zwei Milliarden Euro Finanzvolumen ist, dass sie besonders anwendungsnah ist und Produkte oder Techniken betrifft, die unmittelbar vor der Marktreife stehen.

Die Schwerpunkte der Fraunhofer-Gesellschaft

Forschung
Die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) konzentriert sich bei ihrer Forschung auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und ihrer Schlüsselbranchen. So hat sie ein Produktionsverfahren erfunden, das Bauteile, wie sie in der Autoindustrie verwendet werden, bei unveränderter Festigkeit mehr als die Hälfte leichter macht.

Produktion
Sie forscht auch an Produktionsmethoden wie beispielsweise einer energieflexiblen Fabrik, die nur dann Strom verbraucht, wenn er gerade preisgünstig ist und im Überfluss zur Verfügung steht.

Personal
Daneben versorgt die FhG die deutsche Wirtschaft auch mit Spitzenpersonal. Jedes Jahr wechseln rund 2000 FhG-Experten zu großen Konzernen oder Mittelständlern ins Topmanagement. Zudem gründen die FhG-Institute regelmäßigganze Startup-Firmen