Der Kreis ist einer der wenigen hellen Flecken auf dem Breitbandatlas, der im Internet zeigt, wo es bereits Glasfaserkabel gibt, die bis in Wohnhäuser hineinreichen. Dennoch gibt es noch viel zu tun, bis schnelles Internet überall verfügbar ist.

Göppingen - So ist das mit den Zukunftstechniken: Kaum ist eine halbwegs verbreitet, gilt sie bereits wieder als veraltet und wird von der nächsten abgelöst. Beim Thema schnelles Internet ist alles noch ein bisschen verzwickter. Dort laufen der Ausbau über das sogenannte Vectoring und der Ausbau nach dem FTTB/H-Standard zurzeit vielerorts parallel. Denn Vectoring gilt technisch zwar als überholt, ist aber günstiger als FTTB/H. Beim Vectoring werden nur entlang der Straßen Glasfaserkabel verlegt, der letzte Abschnitt zu den Häusern läuft über bestehende Kupferleitungen. FTTB/H gilt als die Technik der Zukunft: Die Glasfaserkabel werden dabei bis zu jedem einzelnen Haus verlegt.

 

Ein Blick auf den Breitbandatlas des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt, dass das Land und die Region Stuttgart beim Thema FTTB/H bisher alles andere als weit sind. Während schnelles Internet per Vectoring mit Übertragungsraten von 50 Mbit/Sekunde inzwischen vielerorts zu haben ist, gleicht die Region beim FTTB/H-Ausbau einer Wüste. Die einzigen hellen Flecken sind die Stadt Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) und der Kreis Göppingen.

Pilotgemeinde beim Netzausbau

Allein in Kornwestheim sind in der Region flächendeckend Glasfaserkabel bis zu den Häusern der Nutzer verlegt. Denn die Stadt gehörte vor vier Jahren zu den Pilotgemeinden, in denen die Telekom das Netz komplett ausbaute. Dafür investierte sie zwölf Millionen Euro und grub 56 Kilometer Straße auf.

Im Kreis Göppingen ist der Fortschritt nicht der Telekom zu verdanken, sondern einigen glücklichen Fügungen, vielen Gesprächen, die der Wirtschaftsförderer, Alexander Fromm, mit Internetanbietern geführt hat, und einer Portion Pfiffigkeit.

Angefangen hat alles mit dem Versuch, ein Gewerbegebiet in Göppingen mit schnellerem Internet zu versorgen. „Wir sind mit der Firma Imos ins Gespräch gekommen“, erzählt Fromm. Die Internetagentur in Göppingen engagiert sich seit einigen Jahren zunehmend beim Ausbau der Netze, speziell seit die Energieversorgung Filstal (EVF), eine Tochter der Stadtwerke Göppingen und Geislingen, als Gesellschafter eingestiegen ist.

Kreis profitiert von der Kooperation von Imos und EVF

Am Ende schloss Imos nicht nur das Gewerbegebiet ans Glasfasernetz an, die Firma baute zusammen mit der EVF auch eine Glasfaserachse, die sich mittlerweile durch Göppingen, Uhingen, Albershausen und Schlierbach sowie Teile von Hattenhofen und Aichelberg zieht. Demnächst will das Unternehmen das kleine Lauterstein bei Donzdorf ans Netz anschließen. Dazu nutzt es Bauarbeiten der EVF, die dort ohnehin Gasleitungen verlegen muss.

Daneben hat Fromm auch andere Anbieter als Partner für den Ausbau der Leitungen gefunden, und er hat dafür gesorgt, dass Zuschüsse clever genutzt werden. So wurde etwa Geld vom Land für den Ausbau des Schulstandorts Aufhausen eingesetzt, um einen Glasfaseranschluss zur Schule im Ortszentrum zu verlegen – davon profitiert künftig die ganze Gemeinde.

All das hat dem Landkreis ein sogenanntes Backbone-Netz von 229 Kilometern Länge eingebracht, für das er selbst kaum Geld in die Hand nehmen musste. Dieses Netz fungiert als Rückgrat bei der Glasfaseranbindung der Kommunen. Wenn es auf die anvisierte Länge von 257 Kilometern gewachsen ist, hat jede Kommune und jedes Gewerbegebiet einen Anschluss. In den anderen Kreisen der Region müssten einer Studie zufolge hingegen noch 100 bis 250 Kilometer Netz gebaut werden.

Rechtliche Hürden bremsen Kommunen aus

Damit die Städte und Gemeinden das Backbone-Netz nutzen können, müssen viele allerdings noch den innerörtlichen Ausbau voranbringen und die Kabel in den Straßen und bis zu den Häusern verlegen. Doch auch dafür gibt es im Kreis bereits Ideen. Fromm unterstützt die Kommunen zurzeit dabei, Pläne auszuarbeiten, wie der Ausbau im Einzelnen umgesetzt werden kann, etwa, wenn an einer Stelle ohnehin bei Bauarbeiten die Straßen aufgerissen werden. Diese Pläne werden vom Bund mit bis zu 50 000 Euro bezuschusst.

Wann sie umgesetzt werden können, hängt unter anderem davon ab, wann letzte rechtliche Hürden auf Bundes- und EU-Ebene aus dem Weg geräumt sind. Dabei geht es unter anderem um das Subsidiaritätsprinzip, wonach die öffentliche Hand eigentlich nur tätig sein darf, wo sie der freien Wirtschaft nicht in die Quere kommt. So wollte etwa Rechberghausen Glasfaser auf eigene Kosten ins Gewerbegebiet legen. Doch kurz davor baute die Telekom dort das Vectoring aus. Weil es dort nun 50Mbit-Anschlüsse gibt, darf die Kommune nicht mehr selbst tätig werden. Fromm verhandelt deshalb mit den Anbietern und macht sich zusammen mit anderen Experten dafür stark, die gesetzlich gestgelegte Ausbaugrenze von 50Mbit/Sekunde zu kippen, die bisher noch viele Glasfaserprojekte ausbremst.

Zukunftstechnologie und technische Kniffe

Vectoring
: Mit dieser Technik wird vielerorts das Internet schneller gemacht: Bis zu den Verteilerkästen am Straßenrand werden Glasfaserkabel verlegt. Doch auf dem letzten Stück von den Kästen bis zu den Gebäuden werden weiter die bestehenden Kupferkabel genutzt. Ein Vectoringgerät im Verteilerkasten filtert elektrische Störungen in den Kabeln heraus, so dass Übertragungsraten von teilweise mehr als 100 Megabit pro Sekunde möglich werden. Die Technik ist vergleichsweise günstig, weil nicht überall neue Leitungen gelegt werden müssen. Der Nachteil: Es kann nur jeweils ein Provider (meist die Telekom) das Vectoring vor Ort umsetzen, damit alles funktioniert. Wegen des Rechts auf einen freien Netzzugang muss dieser dann anderen Anbietern einen Zugang einräumen. Der größte Teil der schnellen Internetleitungen in Deutschland basiert auf dieser Technik. Mittlerweile verfügen rund drei Viertel der Haushalte in Deutschland über einen Internetzugang mit mindestens 50 Mbit/Sekunde, davon die meisten in städtischen Gebieten.

FTTB
: Die Abkürzung steht für das englische „Fibre To The Basement“ oder „Fibre To The Building“, also Glasfaserkabel (englisch: Fibre), die bis zum jeweiligen Gebäude verlegt sind. Von FTTH spricht man, wenn im Gebäude selbst ebenfalls Glasfaserkabel verlegt sind. Die Internet-Übertragungsraten sind auf diesem Weg am höchsten. Doch die Kosten für den Ausbau der Glasfaserkabel bis in Wohnhäuser oder Firmengebäude hinein sind hoch. Zudem sind Glasfaserkabel empfindlicher bei mechanischen Belastungen als Kupferkabel. Der Ausbau des Glasfasernetzes ist ein erklärtes Ziel der Bundesregierung und der meisten anderen Parteien, da die Glasfaser als Zukunftstechnologie gilt.