Die Digitalwirtschaft diesseits des Atlantiks wirft den amerikanischen Konzernen wie Apple, Google und Co. unfaire Geschäftspraktiken vor. Jetzt soll die EU-Kommission Schützenhilfe leisten.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - In Europa wächst der Widerstand gegen die Dominanz der US-Internetkonzerne. Jan Oetjen, Geschäftsführer der beiden europaweit führenden Internetportale Web.de und Gmx mit Sitz in Karlsruhe, verlangt in dieser Auseinandersetzung von der Politik mehr Schützenhilfe: „Wir fordern eine Neutralität der dominierenden Betriebssystem-Plattformen.“ Und weiter: „Es muss verhindert werden, dass Google und Apple mit ihren Bedingungen für App-Anbieter den Wettbewerb einschränken können und ihre eigenen Anwendungen nach Belieben bevorzugen.“

 

Europäische Firmen beklagen, dass die Nutzung eines Android-Smartphones ohne Google-Account nicht möglich ist. Laut einer Studie, die die Denkfabrik ie.foundation gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger an diesem Montag vorstellt und unserer Zeitung vorliegt, sind Wettbewerber aus der EU weitgehend abgehängt. „Europa spielt derzeit fast nur als Absatzmarkt und Entwicklungsstandort für US-dominierte App-Stores eine Rolle.“

Die Internetgiganten sind immens wertvoll

Im Fachjargon werden hochinnovative und hochproduktive Unternehmen der Internetwirtschaft wie Google, Apple und Microsoft als digitale Plattformen bezeichnet. Von 176 digitalen Plattformen, die 2015 weltweit gezählt wurden, waren lediglich 27 in Europa ansässig. 82 kommen aus Asien, allein 44 Unternehmen dieser Art haben ihren Sitz in der kalifornischen Softwareschmiede Silicon Valley. Beim Wert lassen die größten digitalen Plattformen inzwischen die größten Industrieunternehmen hinter sich. Demnach sind die acht größten Plattformen mit insgesamt 2288 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel wert wie die acht größten Industrieunternehmen dieser Welt (953 Milliarden Euro).

Die Kommission will jetzt schärfer vorgehen

Die Autoren der Studie legen einen Zehn-Punkte-Katalog vor, damit Europa wieder Anschluss bekommt. Gefordert wird eine schnellere Reaktion der Kartellbehörden auf Missbräuche. Da gebe es eine Schutzlücke. Bei Fusionen in der Internetbranche würden die Mindestschwellen beim Umsatz regelmäßig nicht erreicht, sodass sich die Kartellbehörden gar nicht erst einschalteten. Dies müsse korrigiert werden: „Erfolgreich gegründete und schnell wachsende Internetdienste weisen oft nur geringe Umsätze, aber wertvolle Datenbestände auf.“ Dadurch könnten Marktführer ohne behördliche Kontrolle aufgekauft werden. Dies führe zu einem Ausbluten der europäischen Konkurrenz.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat bereits Konsequenzen signalisiert: „Wir prüfen gerade, ob wir auch Fusionen untersuchen, bei denen wertvolle Daten mit im Spiel sind, selbst wenn der Umsatz nicht so groß ist.“ Die EU-Kommission ermittelt zudem in mehreren Fällen gegen Google und Apple. Google wird vorgeworfen, Smartphone-Hersteller unter Druck zu setzen, die Google-Suchmaschine vorzuinstallieren.