Andreas Thiel vom Landesdenkmalamt erläutert, wie Fachleute heute Funden aus der Römerzeit auf die Spur kommen. Allerdings ist er sich sicher, dass in 20 Jahren die Methoden noch deutlich ausgereifter sein dürften.

Interview - Jede Technik, auch die der Archäologie, entwickelt sich weiter. Im Interview erklärt der Gebietskonservator Andreas Thiel, dass in einigen Jahren Grabungen für Analysen von Fundorten vielleicht gar nicht mehr notwendig sind.
Herr Thiel, wenn Sie heute als Archäologe eine Fundstelle untersuchen, was wäre der Unterschied zu dem Vorgehen, das man vor 40 Jahren hatte?
In der Technik ist der Unterschied gar nicht so groß. Wir arbeiten nach wie vor mit Schaufeln oder Kellen, zur Not auch mit Pinseln. Was sich stark verändert hat, ist die Dokumentationstechnik. Heute wird ja alles digital gemacht, vor 40 Jahren hat ein Foto Geld gekostet, heute ist es eigentlich kostenneutral. Wir haben daher eine viel umfangreichere und exaktere Dokumentation. Bei komplizierten Funden helfen auch Laserscans, die ein dreidimensionales Bild von Funden sichern, das man sogar am 3D-Drucker wieder ausdrucken kann. Wir haben zudem die Möglichkeit, Drohnen einzusetzen, die mit Kameras über die Fläche gehen und ein verzerrungsfreies Luftbild schießen können. Vor 15 Jahren hat man noch von einer Leiter aus Luftbilder gemacht, die verzerrt waren. Heute können Sie Fotos wieder am Computer entzerren. Es ist alles also viel exakter.
Die Techniken des Auffindens künftiger Funde hat sich sicherlich ebenfalls weiterentwickelt?
Da spielen Sie sicherlich auf die Geophysik an. Wir haben nun die Möglichkeiten des Radars, der Magnetik und der Geoelektrik. Das hat vor 40 Jahres erst angefangen. Damit sind wir nun sehr viel weiter. Die Technik hat jedoch ihre Grenzen. Wir können sie in dicht bebauten Flächen nicht einsetzen sowie bei der Grabung am See, weil es dort zu feucht ist. Aber in vielen anderen Fällen bekommen wir in kurzer Zeit einen Einblick in den Boden – zwar mit Fragezeichen, aber in jedem Fall einen Einblick der uns sagt: Dort ist etwas zu finden.
Haben Sie nun auch bessere Möglichkeiten, Fundstücke zu bestimmen?
Ja, ganz klar. Vor 100 Jahren hat man Hölzer gefunden und konnte nur bestimmen, von welchem Baum das Holz war. Heute kann man sagen, wann und wo der Baum gewachsen ist und wann er gefällt wurde. Hinzu kommt die Dendrochronologie, also die genaue Bestimmung des Alters des Holzes. Und bei kleineren organischen Resten wie Knochen oder Leder können wir zwar nicht das Jahr, aber zumindest die Epoche genau feststellen. Das alles sind Techniken, die so sicher und preiswert sind, dass wir sie standardmäßig einsetzen können.
Sind Fundstücke heute denn länger haltbar, als das früher der Fall war?
Ja, da hat die Restaurierungstechnik große Fortschritte gemacht. Wir können Holz und Lederfunde in einen Zustand bringen, dass sie unbegrenzt unter Sauerstoffatmosphäre erhalten werden können. Wenn wir Metallfundstücke geborgen haben, können sie heute besser bearbeitet werden als früher. Wir stellen allerdings fest, dass Metallfunde, die wir vor 100 Jahren gemacht haben, besser aus den Boden kamen als die heutigen Funde. Wenn auf landwirtschaftlichen Flächen gedüngt wird, verändert das den Boden offensichtlich so, dass er aggressiver wird.
Hat man denn in der Archäologie je einen Stand der Technik erreicht, der sich nicht mehr verbessern lässt?
Das ist ein fortlaufender Prozess. Man wird auch in 20 Jahren sagen, das was 2015 gemacht wurde, war Pfusch, heute sind wir sehr viel weiter. Das ist auch der Grund dafür, warum wir sagen, alles, was im Boden verbleiben kann, soll dort verbleiben. Ich spekuliere jetzt mal: Wir gehen ja jetzt schon mit Computertomografie an kleine Blöcke, die wir aus der Erde geschnitten haben, durchleuchten diese und bekommen ein dreidimensionales Bild. Möglicherweise kann man das mit ganzen Grabungsflächen irgendwann machen. Dann könnte man die Funde virtuell aus den Boden heraus zoomen, sich eine Münze anschauen und den Befund datieren, ohne dass man sie aus der Erde holen muss. Deshalb sage ich als Denkmalpfleger trotz aller technischen Fortschritte: Alles, was im Boden liegt, das liegt da gut. Der Boden ist nach wie vor der beste Konservator, besser als jeder Restaurator im Labor.