Junge Menschen ansprechen und ältere Festbesucher nicht verprellen – keine leichte Aufgaben für die Macher eines Traditionsfestes. Heidi Ellwanger vom Organisationsteam der Beutelsbacher Kirbe erklärt, wie sie sich der Herausforderung stellen.

Weinstadt - Die Kirbe-Organisatorin Heidi Ellwanger spricht über den Spagat die Tradition des Beutelsbacher Weinfestes zu erhalten und dennoch mit der Zeit zu gehen, um auch Jünger anzulocken.
Frau Ellwanger, seit mehr als 25 Jahren findet die Kirbe allein schon in der Beutelsbacher Halle statt. Davor wurde in einem Festzelt und dann in der Alten Kelter gefeiert. Wie hat sie sich ansonsten verändert?
Ganz stark geprägt hat uns die Love-Parade in Duisburg . . .
Bei der 2010 in einer Massenpanik 19 Menschen getötet wurden . . .
Danach wurden die Sicherheitsanforderungen drastisch erhöht. Früher brauchte man keine Security, heutzutage ist das normal. Aber auch die Menschen haben sich verändert. Vor 30 Jahren waren sie anders, viele waren sich der Tradition der Kirbe noch mehr bewusst.
Was meinen Sie mit, die Menschen sind anders geworden? Anspruchsvoller?
Das kann ich schlecht sagen, ob sie anspruchsvoller geworden sind. Auf jeden Fall, wenn man die Musik vergleicht, war diese früher technisch nicht so opulent von Licht und Sound her. Vielleicht liegt das aber auch am Anspruch von uns Musikern. Denn ich bezweifel, ob jeder Gast es hört, ob ein Lied etwa zwei- oder dreistimmig ist.
Gibt es Dinge, die gleich geblieben sind?
Ja, unser großes Weinsortiment beispielsweise, das wir zusammen mit der Remstalkellerei auswählen. Dabei versuchen wir allen Ansprüchen gerecht zu werden, damit auch ein 20-jähriger Student, der nicht so viel auf der hohen Kante hat, sich den Kirbe-Besuch leisten kann. Aber wir bieten andererseits auch einen Grauburgunder an, der im Barrique gereift ist. Gleich geblieben ist auch, dass man brutal viele Helfer braucht. Ohne sie würde das Fest nicht funktionieren.
Und wie sieht es mit den Traditionen aus?
Die Kirbe-Jugend etwa hat es immer schon gegeben und gibt es auch heute noch. Das ist jedes Jahr ein neuer Jahrgang, der die Kirbe vertritt. Die 18- bis 19-Jährigen reisen mit einem selbst gebauten Wagen herum und machen Werbung für den Wein. Dieses Mal ist es der Jahrgang 1996. Zu den Aufgaben der Kirbe-Jugend gehört auch am Dienstag vor der Veranstaltung einen Trauben zu binden und ihn am Festsonntag am Rathaus aufzuhängen. Und jedes Mal ist es spannend, ob der 70 bis 80 Kilogramm schwere Trauben dabei fällt oder nicht.
Und ist er schon einmal gefallen?
Nein, aber eine Kirbe-Jugend hat sich ihn einmal von dem Jahrgang des Vorjahres klauen lassen und musste noch einmal einen neuen binden. Das gehört auch dazu, dass die Älteren einerseits den Jüngeren helfen, andererseits sie ein bisschen piesacken. Es gab noch keinen Kirbe-Jahrgang, der sich nicht über den vorherigen beschwert hat. ( lacht.)
Die Kirbe-Jugend ist sicher auch eine gute Möglichkeit Jüngere anzusprechen, oder?
Ja,dadurch wächst immer etwas nach. Und wir versuchen verstärkt über Facebook zu werben, um den Kontakt zur Jugend nicht zu verlieren. Aber was heißt Jugend? Unser Ziel ist es, junge Erwachsene anzusprechen. Denn letztlich ist die Kirbe ein Fest, bei dem es darum geht, Wein zu genießen. Natürlich sind auch Jugendliche erwünscht und ab 16 Jahren darf man ja Alkohol trinken, aber wir wollen keine Jugendlichen sehen, die sich voll laufen lassen.
Stichwort Facebook, die Kirbe als Traditionsfest geht also auch mit der Zeit?
Ja, klar. Seit drei Jahren bieten wir etwa für Nicht-Wein-Trinker, die lieber ein Bier oder eine Whisky-Cola wollen, eine Bar an. Das stieß auf viel Kritik von Leuten, die sagen: Die Kirbe ist ein Weinfest. Wir bekamen aber auch Lob, beispielsweise von einem jungen Mann, der wegen einer Fruktose-Intoleranz keinen Wein trinken darf. Es ist eben immer ein Zwiespalt, wenn man etwas verändert. Prinzipiell wollen wir jedoch ein gemischtes Publikum von 20 bis über 80 Jahren ansprechen.
Feiern tun junge Leute bekanntlich gern, aber packen sie auch mit an?
Die Kirbe-Jugend hilft immer beim Aufbau mit. Beim Abbau muss ich ehrlich sagen, ist sie dazu nicht unbedingt mehr in der Lage. Dafür packen oft Besucher spontan mit an.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Glauben Sie, die Kirbe kann in unserer schnelllebigen Zeit in 25 Jahren noch Bestand haben oder vielleicht gerade deswegen?
Ich glaube sie wird bestehen. Denn es gibt zu viele, die sagen: Die Beutelsbacher Kirbe darf nicht sterben. Aber ob es sie in der heutigen Variante gibt . . .? Doch in irgendeiner Form wird es sie geben. Die Kirbe stirbt nicht.