Das Kunstmuseum präsentiert von Samstag an die Serie „Stammheim“ des Fotografen Andreas Magdanz. Ein Gespräch über Bilder, Terror und Geheimnisse.

Stuttgart Die „Black Box BRD“ ist voller Geheimnisse: Es gibt in ihr verborgene Machtzentralen, abgeschottete Geheimdienstanlagen und mythenschwere Gefängniszellen. Der Aachener Fotograf Andreas Magdanz hat sich der Idee verschrieben, Licht an dunkle Orte der Republik zu bringen. Für seine neueste Serie ist er ins Epizentrum des Deutschen Herbstes gereist: nach Stuttgart-Stammheim.
Herr Magdanz, Sie haben in den letzten Jahren zahlreiche Bild-Dokumentationen von historischen Gebäuden erstellt, von dem einstigen Regierungsbunker in der Eifel oder der BND-Zentrale in Pullach. Was verraten solche Gebäude über unsere Gesellschaft?
Gebäude können zu Symbolen werden. Stammheim zum Beispiel galt in den 70er Jahren für viele innerhalb der politischen Linken als „Beton gewordener Faschismus“. Gebäude sind Stellvertreter. Sie verdichten gesellschaftliche Diskurse. Ich habe an der Stammheim-Serie eineinhalb Jahre gearbeitet. Ich glaube, ich hätte das nie so lange durchgehalten, wenn mich diese symbolische Aufladung von Orten nicht faszinieren würde.

Viele der von Ihnen untersuchten Gebäude sind „Black Boxes“. Sie sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und hüten ein politisches Geheimnis. Liegt darin ihr Reiz?
Bestimmt. Andere Leute gehen ins Kino, um unterhalten zu werden. Ich mache meine Fotoprojekte. Das ist immer ein Abenteuer. Eine Entdeckungsreise. Ich komme da stets mit neuen Erkenntnissen wieder raus. In Stammheim habe ich hautnah einen Mythos besichtigt. Das ist spannend und auch anstrengend. Ich habe den Ort eher seziert als fotografiert. Das ist ein Prozess, der Kraft und Zeit raubt.

Fünf Monate haben Sie in Stammheim verbracht – Sie haben im Gefängnis gearbeitet und direkt neben dem Gefängnis gewohnt. Wie nah muss man einem solchen topografischen Mythos kommen, um ihn wirklich erfassen zu können?
Ohne Nähe geht das gar nicht. Ich halte nichts von Fotografen, die für einen Tag an einen interessanten Ort fahren, dort ihre Bilder machen und dann wieder abreisen. So funktioniert das nicht. Man muss sich einlassen können – auch wenn das zuweilen an die Substanz geht. Es gibt bei mir Momente, da tut mir meine Arbeit nicht gut. In Stammheim hatte ich zuweilen sogar schlaflose Nächte. Aber dennoch glaube ich, dass man sich solche Gebäude Stück für Stück erarbeiten muss. Man muss unten anfangen und sich bis oben durchkämpfen. Es gibt Künstler, bei denen interessiert mich gar nicht so sehr das letztendliche Bild. Aber ich bewundere diese Energie, mit der sie an ihre Projekte herangehen.

Kann man einem solchen Projekt auch zu nahe kommen?
Das gibt es sicherlich auch. Irgendwann ist man nicht nur gefordert; man ist überfordert. Ich habe zum Beispiel vor einigen Jahren bei meiner Serie über die BND-Kaserne in Pullach gemerkt, dass ich da zu weit drin gewesen bin. Mir kam die Objektivität abhanden. In Pullach habe ich mich zuweilen verloren.