Der Sänger Art Garfunkel kommt nach Stuttgart und präsentiert auf dem Killesberg seine Gedichte und Lieder.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Mit Welterfolgen wie „Bridge over troubled Water“, „The Sound of Silence“, „Mrs. Robinson“, „The Boxer“, „A hazy Shade of Winter“ oder dem wunderbaren „Scarborough Fair“ ist Arthur Ira „Art“ Garfunkel im Duo mit Paul Simon berühmt geworden. Doch auch als Solokünstler, der auf seinen Konzerten Musik und eigene Gedichte vorträgt, hat er sich Meriten erworben. An diesem Donnerstag kommt der Sänger wieder einmal nach Stuttgart. Wir hatten im Vorfeld die Gelegenheit, mit ihm zu telefonieren.

 
Mister Garfunkel, wo erreichen wir Sie?
Ich sitze in meinem Büro, mitten in Manhattan. Und bin besorgt über den Zustand der Welt. Über Kim Jong-un und seine Raketen, über die Frage, wie töricht sich Donald Trump benimmt und auf welche Weise er unser Land wohin führen will. Was wird 2017 bringen? Und was ist mit dem Terrorismus? Sollten meine Frau und ich die Stadt verlassen und aufs Land ziehen, weil New York zu gefährlich geworden ist? So viele Fragen. Das sind die verrücktesten Zeiten, die ich jemals erlebt habe . . .
Okay . . .
Was meinen Sie mit okay? Es scheint alles derzeit überhaupt nicht okay zu sein.
Sie klingen wirklich besorgt.
Sind die Bedrohungen, von denen ich spreche, denn etwa nicht real?
Sicher sind sie das. Wir hier in Deutschland sorgen uns ebenfalls. Auch um die USA. Aber haben Sie Lösungen oder Vorschläge?
Nein. Es ist lächerlich . . . (seufzt) . . ., einfach nur lächerlich, was Trump treibt. Ich bin ein alter Knabe, ich war viel unterwegs, aber das ist einfach nur schrecklich.
Interessieren Sie sich für Politik?
Nein. Ich bin aber daran interessiert, am Leben zu bleiben. Und das ist schwieriger geworden.
Sie haben gerade ein paar Tage frei, dann geht’s wieder auf Tour?
Es sind gar nicht so sehr freie Tage, es ist die Rückkehr in mein normales Leben. Zu meiner wunderbaren Frau und meinem aufwachsenden Sohn. Ich bin ein Daddy, ich ziehe mein elfjähriges Kind groß. Das ist eine wichtige Phase für ein Kind, und ich will ein guter Vater sein in diesen Jahren. Schauen Sie: Neulich hat er mich gefragt, ob ich ihn mehr liebe oder den Status, ein Star zu sein.
Und was war ihre Antwort?
Ich liebe dich mehr, mein Schatz. Aber ich liebe es auch, auf der Bühne zu stehen. Das ist genau mein Ding.
Kommt Ihre Familie mit auf ihre Tourneen?
Nein, normalerweise nicht. Manchmal kommt sie zu Besuch. Aber ich habe einen älteren Sohn, Arthur Junior, der lebt in Hamburg. Vielleicht kommt er mich auf der Tour besuchen. Aber ich weiß es noch nicht, ehrlich.
Sie sind 75 Jahre alt. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich zurückzuziehen?
Nein, ich liebe es nach wie vor zu sehr, auf der Bühne zu stehen. Warum sollte ich das sonst auch machen. Ich habe genug Geld auf der Bank, ich muss nicht arbeiten. Ich kann an diesem Punkt meines Lebens machen, was ich will. Aber warum fragen sie überhaupt? Das klingt ja so, als könnten sie glauben, dass ich das nur des Geldes wegen tun würde. Was für ein lustiger Gedanke.
Keinesfalls. Ich habe sie letztes Jahr hier live gesehen und kann mir daher gut vorstellen, dass es Ihnen Riesenspaß bereitet.
Das Vergnügen ist sogar noch größer geworden. Ich habe vor sieben Jahren ja plötzlich meine Stimme verloren. Und jetzt ist sie vollkommen wiederhergestellt. Ich kann wieder richtig singen wie früher. Ich habe außerdem meine Show neu gestaltet, nach dem Motto: Weniger ist mehr. Nur noch ein Begleiter an der Gitarre und einer am Piano, mit viel Luft dazwischen für mich, meine Musik und meine Gedichte. Ich kann mich selbst besser hören als je zuvor. Nur meine Stimme, kein Paul Simon, kein Schlagzeug, kein Bass. Es ist für mich viel ergreifender, in diesem Weniger-ist-mehr-Modus zu arbeiten. Ich plane auch nicht alles vorab, sondern will bei jedem Auftritt die Möglichkeit haben, spontan zu überlegen, was sich in dem Moment richtig anfühlt: jetzt ein Gedicht oder ein Song.
Ihre Gedichte hatten sie letztes Jahr hier in Stuttgart auch schon vorgetragen. Ich denke, dass das Publikum beeindruckt war, aber es war auch sehr ungewöhnlich für ein Konzert.
Ich mag das Ungewöhnliche. Fragt sich bloß, weil ich das ja in Englisch vortragen muss, ob die Stuttgarter mein Englisch verstehen.
Viele Deutsche sprechen eigentlich ganz gut Englisch, fast niemand versteht natürlich hundert Prozent.
Klar, ein Gedicht ist eine schwierige Sache. Poetische Sprache zu verstehen ist ja ohnehin schwierig.
Umgekehrt muss man vielleicht nicht immer jeden Satz in einem Gedicht verstehen, um seinen Sinn zu erfassen.
Ja, was für ein interessanter Gedanke. Ich verstehe, was Sie meinen, mir geht das ja selbst so. Man muss ein Poem nicht als etwas Totales verstehen, man muss den Geist wahrnehmen, den es verströmt.
Sie treten in Stuttgart unter freiem Himmel auf. Mögen Sie das?
Für mich ist am wichtigsten, dass ich auf der Bühne so etwas wie ein Dach über mir habe. Das gibt meiner Stimme einen Sound, der etwas eingefangener und somit für mich auch etwas ansprechender wirkt. Ich kann besser singen, wenn ich so eine Art Raum um mich spüre.
Sind Sie auch noch an Studioaufnahmen interessiert? Wird es mal wieder ein neues Album von ihnen geben?
Nicht so sehr. Ich schätze die Form, Musik auf einer Bühne zu präsentieren. Also auch die Form, die Musik auf der Bühne nimmt. Wenn ich an Studioaufnahmen denke, gerät mein Denken immer in eine Sackgasse. Ich mag es, Alben aufzunehmen, ich habe im Studio auch schöne Alben erschaffen. Aber für die Arbeit an einem neuen Album müsste ich ein Jahr drangeben, und dann weiß ich ja gar nicht, wie man es unter die Leute bringt.
Na, keine falsche Bescheidenheit.
Nein, ernsthaft: Wie erreiche ich die Menschen am besten? Mit einer Platte? Wer hört denn heutzutage noch Platten? Und als Streaming? Glauben Sie, dass Sie ein Album wirklich hören, wenn Sie es nur von einem Computer oder einem Handy streamen? Das ist doch kein Zuhören mehr, da verliert doch ein ganzes Produkt in Windeseile seine Bedeutung. Das macht keinen Sinn für mich, und deshalb bin ich aus dem Musikbusiness raus. Ich will keine Perlen vor die Säue schmeißen. Wenn ich ins Studio gehe, möchte ich wundervolle Musik erschaffen. Und wenn ich etwas Wundervolles erschaffe, möchte ich das nicht an Leute geben, die dafür keine Zeit haben.
Sie erwähnten Paul Simon, und viele Menschen hier erinnern sich noch gerne an das Jahr 2003, als Sie letztmals gemeinsam auch hier in Deutschland auftraten. Ich weiß, dass Sie die Frage nicht mögen, aber ich muss sie zum Abschied stellen: Gibt es irgendeine Chance, dass Simon & Garfunkel noch einmal gemeinsam auftreten?
Nein.