Exklusiv Die französische Filmlegende Catherine Deneuve spricht im StZ-Interview über ihr Interesse an komischen Rollen, Frauen als Regisseure und Abenteuerlust im Alter. Sie erzählt auch, warum die Sexszene in ihrem neuen Film „Madame empfiehlt sich“, so schwierig war.

Berlin – Die Grande Dame des französischen Films, Catherine Deneuve, ist mit der Komödie „Madame empfiehlt sich“ nicht nur auf der Berlinale vertreten, sondern von Donnerstag an auch im Kino zu sehen. Im Interview mit Patrick Heidmann erzählt die 70-Jährige, was sie mit Betty, der Hauptfigur, gemeinsam hat. Andere Dinge möchte sie lieber nicht verraten . . .
Frau Deneuve, täuscht der Eindruck oder haben Sie in letzter Zeit ein besonderes Interesse an komischen Rollen, von „Asterix & Obelix“ über „Das Schmuckstück“ bis nun hin zu „Madame empfiehlt sich“?
Ich suche nicht pauschal nach komischen Rollen, sondern nach wie vor nach Geschichten, die mich ansprechen, und Regisseuren, die mich reizen. Und so sehr ich Komödien mag, muss ich doch feststellen: gute Drehbücher in diesem Genre zu finden, ist gar nicht so leicht. Was wohl daran liegt, dass kaum etwas schwerer zu schreiben ist.
Die Rolle in „Madame empfiehlt sich“ wurde eigens für Sie geschrieben. Da liegt der Verdacht nahe, die Figur könnte Züge Ihrer wirklichen Persönlichkeit tragen. . .
Glauben Sie? Dann sollten Sie wissen, dass die Regisseurin mich noch gar nicht kannte, als sie die Rolle schrieb. Sie kannte nur meine Filme, mehr nicht. Aber vielleicht stimmt es ja doch, dass man auch durch die Rollen eine Ahnung von der Persönlichkeit eines Schauspielers bekommen kann.
Ihr öffentliches Image der unterkühlten Diva unterscheidet sich sehr von dieser warmherzigen, spontanen Frau, die wir auf der Leinwand sehen.
Aber welche der Seiten eher meiner privaten entspricht, werde ich hier nicht zu Protokoll geben. Allerdings können Sie mir glauben, dass mir die Betty in „Madame empfiehlt sich“ auf Anhieb gut gefallen hat. Wie sie sich von den Schicksalsschlägen des Lebens nicht herunterziehen lässt, auch in ihrem Alter neugierig und offen ist und sich selbstverständlich noch einmal verliebt – das ist doch einfach wunderbar. Leider sieht man so etwas im Kino viel zu selten, obwohl solche Frauen im wahren Leben meiner Erfahrung nach keine Ausnahme sind.
Kann man mit sechzig genauso abenteuerlustig sein wie mit dreißig?
Selbstverständlich! Warum denn nicht? Bei Licht betrachtet spielt das Alter gar keine Rolle, wenn es um Liebe, Sex und all diese Sachen geht. Das Leben genießen kann man immer. Und ich denke, dass die Abenteuerlust manchmal sogar noch größer wird, wenn man gerade von seinem Mann für eine Jüngere verlassen wurde.
Betty lässt sich dann ja selbst auf einen jüngeren Mann ein . . .
In der Tat. Und man sieht mich im Bett mit ihm. Keine leichte Szene, muss ich sagen. Was aber nicht an nackter Haut oder ähnlichem lag, sondern daran, dass er zu Betty ganz schön harte Sachen sagt . . .   
Außerdem haben Sie einige Szenen mit Claude Gensac, die dank Filmen wie „Balduin, der Ferienschreck“ oder „Brust oder Keule“ eine Legende des Komödiengenres ist.
O ja, diese Art der Komödien waren eine Zeitlang in Frankreich sehr populär. Ich muss aber gestehen, dass das nie wirklich mein Ding war. Ich mochte Louis de Funès immer gerne, doch von seinen Filmen habe ich bestenfalls einen gesehen. Deswegen hatten Claude und ich andere Gesprächsthemen. Es hat mich gefreut zu sehen, wie viel Spaß sie noch immer an der Arbeit hat.
Sie selbst haben auch noch Spaß oder müssen wir befürchten, dass Sie in Rente gehen?
Der Ruhestand ist etwas, was uns Schauspielern schwer fällt. Aber trotzdem kann es natürlich passieren, dass ich irgendwann nicht mehr vor der Kamera stehe. Wenn es körperlich nicht mehr geht. Oder wenn ich keine Rollen mehr finde, die mich interessieren. Dann würde ich mir eine neue Beschäftigung suchen. Bis es soweit ist, müssen Sie sich aber keine Sorgen machen!
Und was könnte eine neue Beschäftigung sein? Vielleicht eine Autobiografie? Immerhin haben Sie schon einmal ein Buch veröffentlicht, „In meinem Schatten“.
Das war etwas anderes. Da habe ich einfach Tagebuchtexte veröffentlicht, die ich schrieb, während ich für Dreharbeiten im Ausland war, zu „Indochine“ und „Dancer in the Dark“. Das waren eher Eindrücke von der Arbeit. Privates habe ich nicht preisgegeben. Aber das war eine einmalige Sache. Ich habe nicht vor, meine Memoiren zu Papier zu bringen und mein Leben vor der Öffentlichkeit auszubreiten.
Nimmt die Schauspielerei heute den gleichen Stellenwert in Ihrem Leben ein wie früher?
Was mein Beruf mir bedeutet, hat sich immer wieder verändert. Am Anfang meiner Karriere wusste ich gar nicht, ob ich überhaupt weiter am Ball bleiben soll. Erst als ich den großen Jacques Demy kennengelernt habe, bekam ich ein Gespür dafür, was in diesem Job alles möglich ist – und dass dies vielleicht doch meine Bestimmung ist. Heute sind mir die Arbeit vor der Kamera und der Lebensstil, der damit zusammenhängt, so unglaublich vertraut, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, wie es ohne wäre.
Demy, Polanski, Ozon: die Liste großer Regisseure, für die Sie vor der Kamera standen, ist lang. An wen denken Sie besonders gerne?
Ich vergleiche Regisseure nicht mit einander. Warum auch? Nur weil diese Menschen den gleichen Beruf haben, sind sie doch trotzdem alles Individuen mit ganz eigenen Persönlichkeiten. Alt oder jung, Mann oder Frau – ich sehe keinen Sinn, das gegeneinander aufzuwiegen.
Ist es immer noch etwas Besonderes, wenn – wie diesmal – eine Frau Regie führt?
Ach, ich habe schon mit einigen Frauen hinter der Kamera gearbeitet. Denken Sie an Nadine Trintignant oder Agnès Varda. Und Nicole Garcia, mit der ich „Place Vendôme“ gedreht habe, einen Film, an dem mir sehr viel liegt. Natürlich ist das etwas anderes, als mit einem männlichen Regisseur zu arbeiten. Auch die Drehbücher haben eine andere Sensibilität.
Tatsächlich?
Zumindest was die Frauenrollen angeht. Ist doch klar, schließlich wissen sie mehr über Frauen als ihre männlichen Kollegen. Insgesamt finde ich oft, dass die Frauen mutiger sind. Gerade bei den Emotionen gehen sie aufs Ganze, wo sich die Männer hinter dem Skript verstecken. Nicht selten sind die Frauen unglaublich detailversessen. Das macht die Arbeit mitunter schwieriger. Aber wie gesagt: ich will all diese Personen nicht über einen Kamm scheren.
Gucken Sie sich eigentlich manchmal noch Ihre alten Filme an?
Eigentlich nicht. Wenn beim Zappen einer meiner Filme läuft, bleibe ich vielleicht mal kurz hängen. Aber spätestens nach zehn Minuten mache ich meistens aus. Nicht weil ich es nicht ertragen würde, mich selbst zu sehen. Sondern eher, weil ich schon für all die anderen tollen Filme, die ich noch sehen möchte, viel zu wenig Zeit habe. Wieso also sollte ich sie ausgerechnet für meine eigenen verschwenden?
Werden Sie in solchen Fällen nostalgisch?
Manchmal schon. Weniger wegen des Films selbst, sondern eher, weil ich natürlich sofort weiß, an welchem Punkt ich damals stand und was sich in meinem Privatleben ereignete. „Die Mädchen von Rochefort“ macht mich immer besonders sentimental, denn den habe ich ja mit meiner Schwester Françoise gedreht, kurz bevor sie bei einem Autounfall ums Leben kam.
Würden Sie manche Filme gerne vergessen?
Selbstverständlich, was für eine Frage. Aber glauben Sie nicht, dass ich Ihnen verraten, welche.