Wenn Männer die 40 überschritten haben, fangen sie an, seltsame Dinge zu tun. Welche, das erzählt der Autor Christian Jakubetz (49) in seinem Buch „Der 40-Jährige, der aus dem Golf stieg und verschwand“. Tobias Köhler hat ein Beratungsgespräch mit ihm geführt. 

Stuttgart - Wenn Männer die 40 überschritten haben, fangen sie an, seltsame Dinge zu tun. Der Begriff „Midlife Crisis“ verharmlose das stark, meint der Autor Christian Jakubetz (49). In seinem Buch „Der 40-Jährige, der aus dem Golf stieg und verschwand“ hat der Journalist liebevoll ironisch aufgeschrieben, wie und warum dieses Alter Männer aus der Bahn wirft. Tobias Köhler hat ein Beratungsgespräch mit ihm geführt.

 

Herr Jakubetz, ich bin neulich 42 Jahre alt geworden. Sehe ich das richtig: Mir steht eine schwere Zeit bevor?

Sie sind schon mittendrin. Es geht nicht mit einem Big Bang los. Sie rutschen da einfach so rein.

Und woran merke ich das?

Mit Anfang 40 stellst du als Mann zum ersten Mal fest, dass deine Leistungsfähigkeit nachlässt. Du kannst dir Dinge nicht mehr so leicht merken, hörst schlechter und fängst an, mit der Speisekarte vor der Nase herumzuwedeln, damit du sie lesen kannst. Plötzlich nervt dich laute Musik, und wenn du nachts um die Häuser ziehst, bist du nicht nur am nächsten Morgen nicht fit, sondern noch zwei Tage später. Alles gerät außer Form – und damit meine ich nicht nur den Körper.

Damit war zu rechnen. Aber das ist ja noch kein Grund, ein Buch mit 250 Seiten darüber zu schreiben.

Nein, das ist alles nicht dramatisch. Das Spannende ist, was das mit den Menschen macht. Anfang, Mitte 40 fangen Männer an, seltsame Dinge zu tun. Ich hatte drei Freunde, die liefen plötzlich Marathon. Wie die Verrückten. Vorher hatten sie sich nicht groß für Sport interessiert. Manche beginnen auch mit exzessivem Krafttraining – du versucht einfach, deinen schwindenden Körper zu retten. Früher haben wir Sport gemacht, um besser zu werden. Heute versuchen wir, den Verfall irgendwie aufzuhalten.

Andere ziehen sich auf einmal an, als wären sie wieder 20. Kommen in der Lederjacke und mit der Baseball-Kappe ins Büro, färben sich die Haare. Sie gehen in Clubs, in die sie nicht mehr gehören, obwohl sie genau wissen, dass sie da nicht hingehören. Oder sie gehen auf Nostalgiekonzerte – wenn Sie sich plötzlich bei Genesis oder The Police wiederfinden, wissen Sie, wovon ich spreche.

Jetzt entdecke ich mich doch wieder. Ich sage lieber nicht, wo. Aber warum ist es ein Problem, älter zu werden? Warum versuchen Menschen Mitte 40 oft verzweifelt, das Altern aufzuhalten?

Wahrscheinlich ist es einfach die Angst, das Beste hinter sich zu haben. Die Angst vor dem, was kommt. Die Frage: kommt da überhaupt noch etwas, das Spaß macht? Die Unsicherheit bringt die Leute dazu, sich komisch zu verhalten. Es ist so eine Art zweite Pubertät. Nur geht die nicht so schnell vorbei wie beim ersten Mal.

Mit 40, schreiben Sie, tritt auch ein neues Phänomen im Leben eines Menschen zum ersten Mal massiv auf: Nostalgie. Wann packt Sie die Nostalgie?

Ich schaue und höre mir gerne alte Radio- und Fernsehsendungen auf Youtube an. Das erinnert mich daran, wie ich in den 80er-Jahren vor dem Radio saß, die Hitparade gehört und darauf gewartet habe, bis mein Lieblingssong kam, damit ich ihn mit dem Kassettenrekorder aufnehmen kann. Damals gab es ja kein Spotify und keine anderen Musikstreamingdienste. Manchmal schaue ich mir auch einfach alte Fernsehansagen an. Ansagerinnen gibt es ja schon lange nicht mehr.

Übrigens, ob Ansagerinnen, Details aus der Ära Helmut Kohl oder Jean Paul Belmondo - wenn du mit jungen Leuten ganz selbstverständlich darüber reden willst, sagen die verstört zu dir: Von was reden Sie da? Dann merkst du erst, dass die viel zu jung sind, um das zu kennen. Beziehungsweise du merkst: du bist einfach alt.

Ist das ein männliches Problem? Frauen kommen in Ihrem Buch deutlich besser weg.

Ich glaube, Frauen gehen damit souveräner um. Dieses panikartige Reagieren habe ich eher bei Männern wahrgenommen. Frauen lesen dann eben die Zeitschrift für Frauen ab 40, während wir Männer immer noch glauben, den "Playboy" abonnieren zu müssen.

Seite 2: "Mit 40 bist du im Keller"

Ihr Buch ist mit einer Parabel illustriert. Was wollen Sie mir denn damit sagen?

In vielen Studien haben Wissenschaftler festgestellt, dass du dich mit 40 im Keller befindest – davor geht es ganz gut und danach geht es auch wieder aufwärts. Mit 50 kannst du dann gelassen in das Loch zurückblicken. Ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung nur bestätigen.

Also haben Sie keine Angst, sechzig zu werden?

Ich habe eine Riesenangst. Mit 50 kannst du dir einreden, dass du noch viele schöne Sachen vor dir hast. Ich weiß nicht, wie ich mir die Lage mit 60 schönreden soll. Aber fragen Sie mich in zehn Jahren nochmal, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dann erzählen werde, wie toll es ist, ein paar ruhige Jahre vor sich zu haben.

Wenn Sie dann eine Aufgabe suchen, läge es nahe, die Fortsetzung zu schreiben…

Das werde ich ganz sicher tun. Mir fehlt nur noch ein passender Titel. Aber ich habe genügend Zeit, mir Gedanken zu machen.

Haben Sie bis dahin einen Tipp für mich, wie ich erhobenen Hauptes und mit gesundem Verstand über die schwierigen Jahre hinwegkomme?

So banal es klingt - und das hat nicht einmal das Niveau eines Kalenderspruchs: Augen zu und durch. Am Ende gehst du gestärkt aus der Sache hervor.

Christian Jakubetz, Der 40-Jährige, der aus dem Golf stieg und verschwand, 251 Seiten, EFF ESS Verlag, 12,90 Euro, ISBN 978-3-980505-64-2.