Christian Senger, der Leiter der Elektrosparte bei Volkswagen, ist überzeugt, dass VW mit dem vollelektrischen I.D. ab 2020 nach 45 Jahren Golf ein neues Zeitalter öffnen wird. Die Elektrofahrzeuge werden nach allen Fortschritten bei den Batteriekosten die besseren Autos sein, ist Senger sicher.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Christian Senger, der Leiter der Elektrosparte bei Volkswagen, ist überzeugt, dass VW mit dem vollelektrischen I.D. ab 2020 nach 45 Jahren Golf ein neues Zeitalter öffnen wird. Der I.D. soll mit einer einzigen Batterieladung bis zu 600 Kilometer weit fahren können. Das sagte Senger auf dem Pariser Autosalon, der von heute an bis zum 16. Oktober für alle Interessierten geöffnet hat.

 
VW setzt voll auf Elektroautos. Tun Sie das auch, um von der Abgas-Affäre wegzukommen?
Wir sind seit langem Richtung E-Mobilität unterwegs und glauben, dass die Elektrofahrzeuge nach allen Fortschritten bei den Batteriekosten die besseren Autos sein werden. Nach 45 Jahren Golf öffnen wir mit dem vollelektrischen I.D. ab 2020 ein neues Zeitalter.
Auf jenes Jahr setzen Sie den Durchbruch für die E-Autos an. Wie kommen Sie gerade auf 2020?
Dann werden die Vorschriften und EU-Regularien für Verbrennungsmotoren immer schwerer zu schaffen sein. Die E-Mobilität bietet die Lösung – vorausgesetzt, man bringt die nötige Erfahrung mit. In Norwegen, einem Pionierland, hat VW einen Anteil von 20 Prozent an den E-Fahrzeugen. 90 Prozent unserer Kunden wollen nicht mehr zurück, obwohl wir noch die zwei Kernthemen Reichweite und Preishöhe regeln müssen. Sie werden sehen, der E-Golf wird das attraktivste Produkt seiner Marke sein.
Sie wollen bis 2025 gleich 30 E-Modelle auf den Markt werfen. Ganz schön viel...
Die 30 Modelle gelten konzernweit, also auch für Porsche, Seat, Audi oder Skoda. Die Marke VW wird allerdings den Hauptanteil stellen. Sie kann das wegen ihrer weltweiten Aufstellung. E-Fahrzeuge sind weniger komplex und leichter replizierbar. Es ist, als hätten Sie ein Skateboard als Unterlage.
Ihr neuer E-Konzeptwagen I.D. gleicht umfangmäßig dem Golf. Wird das auch preislich der Fall sein?
Wir werden versuchen, mit den E-Modellen in jedem Segment an den Preis der Dieselmodelle heranzukommen. Die Kunden wollen in Zukunft nicht mehr Geld für Autos ausgeben. Wenn wir bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge produzieren, haben wir das Volumen, um optimale Preise anzubieten.
Auch ohne den Subventionsbonus für E-Autos?
Ja, auch ohne. Wir gehen nicht davon aus, dass die aktuellen Subventionen bei Millionen-Stückzahlen durchhaltbar sind. Das kann sich auf die Dauer keine Regierung leisten.
Ihr Pioniermodell I.D. soll eine Reichweite von 600 Kilometern haben. Mit Verlaub: Soll das der Konsument glauben?
Die Herstellerangaben beruhen auf Standardmessverfahren. Natürlich werden Sie in den Bergen nicht auf 600 Kilometer kommen. Für den Winter werden wir die Reichweite aber enorm erhöhen. Vieles ist zudem eine Preisfrage. Man kann sich ein Basismodell mit 400 Kilometer Reichweite vorstellen, das ergänzbar ist durch eine Option für 500 Kilometer oder gar für 600 Kilometer. Dann haben Sie genug Energie für eine Woche.
I.D. ist das erste Modell aus dem „Modularen Elektrifizierungsbaukasten“, kurz: MEB, von VW. Das klingt nicht gerade nach Fahrspass.
(Lacht) MEB bedeutet unter anderem, dass wir eine optimale Basistechnik gefunden haben: Die Batterie in der Fahrzeugmitte erlaubt eine nahezu perfekte Schwerpunktlage von 53 Prozent Gewicht im Heck. Das sorgt auch auf nassen Straßen für einen winterfähigen Antrieb, der mit voller Kraft beschleunigen kann. Der Fahrspaß ist gewährleistet.
Was macht Sie in Zeiten sinkender Ölpreise so sicher, was die E-Zukunft betrifft?
Nicht nur, weil die Emissionsauflagen steigen und die Innenstadtbeschränkungen für Dieselautos zunehme werden. Wir haben heute noch mit sehr hohen Batteriekosten zu kämpfen, doch wenn wir einmal 600 Kilometer Reichweite schaffen, sind die Fahrzeuge voll alltagstauglich. Dann kann ich an meinem Wohnort München zur Arbeit und im Winter bequem Ski fahren gehen. Nicht zu vergessen: Bei einer Million E-Autos wird Volkswagen immer noch 75 bis 80 Prozent Verbrennungsmotoren produzieren. Das E-Auto wird diese Fahrzeuge nicht ersetzen, aber es wird aus der Nische kommen.
Gerade die deutschen Hersteller tüfteln derzeit eher an der gemischten Plug-in-Technologie, sprich: Strom und Benzin.
Das ist eine Übergangstechnik, die überdies sehr teuer ist. Wir glauben, dass die Umweltauflagen so hoch sein werden, dass das Elektroauto schlicht die günstigere Lösung sein wird. Das dauert noch zehn Jahre, doch dann wird der Effekt durchschlagen. Der Plug-in-Motor ist nicht emissionsfrei; er ist vielleicht nützlich, um mit dem Wohnanhänger ans Mittelmeer zu reisen. Aber für den Alltagsmenschen wird das E-Fahrzeug ganz einfach die bessere und günstigere Lösung sein.