Der Nationalspieler und Ex-VfB-Profi Christian Träsch spricht über seinen Wechsel nach Wolfsburg und seine Perspektiven im DFB-Team.    

Stuttgart - Zwei Wochen nach seinem Wechsel zum VfL Wolfsburg kehrt Christian Träsch nach Stuttgart zurück - zum Länderspiel gegen Brasilien (Mittwoch 20.45 Uhr/ARD). "Es kann schon sein, dass es den einen oder anderen Pfiff gegen mich geben wird", sagt der Mittelfeldspieler.

 

Herr Träsch, Ihr Abschied aus Stuttgart trifft auch uns hart. Haben Sie Ihr StZ-Abo schon gekündigt?

Um ehrlich zu sein: ja. Letzte Woche war es so weit. Jetzt bin ich dabei zu schauen, welche Zeitungen es in Wolfsburg gibt.

Wie ist sonst Ihr erster Eindruck von Ihrer neuen Heimat?

Es ist ganz anders als Stuttgart, alles ist kleiner, es ist weniger los. Aber ich bin ja in Ingolstadt aufgewachsen - das ist auch nicht gerade eine Metropole. Deshalb gefällt es mir auch in Wolfsburg sehr gut.

Ab wann war für Sie denn klar, dass Sie den VfB verlassen wollen?

Ich war relativ früh mit Wolfsburg einig. Weil mein Vertrag in Stuttgart aber noch ein Jahr lief, musste ich darauf warten, dass sich auch die Vereine einigen. Hätte das nicht geklappt, hätte ich noch ein Jahr für den VfB Vollgas gegeben. Ich war dann aber sehr froh, als alles perfekt war. Ich wollte unbedingt diesen Schritt machen.

Warum eigentlich? Wolfsburg ist dem Abstieg noch knapper entronnen als der VfB.

Es gab mehrere Gründe. Zum einen wollte ich schon immer mal unter Herrn Magath trainieren. Das hatte ich mir schon vorgenommen, als ich noch bei 1860 München gespielt habe. Und zum anderen habe ich in Wolfsburg die Möglichkeit, im zentralen Mittelfeld zu spielen.

Das war doch auch beim VfB Ihre Position.

Schon. Aber vor dieser Saison hatte der VfB andere Vorstellungen als ich. Fredi Bobic und Bruno Labbadia haben mir erklärt, dass sie mich künftig rechts hinten sehen, dass ich dort am besten aufgehoben sei. Ich habe nichts gegen die Position des rechten Verteidigers. Wenn Not am Mann ist, spiele ich auch dort. Grundsätzlich aber fühle ich mich im Mittelfeld viel wohler. In Stuttgart hatte ich keine Möglichkeit mehr gesehen, dort zu spielen.

Die VfB-Fans verstehen Ihren Wechsel trotzdem nicht und vermuten, dass allein das Geld ausschlaggebend gewesen sei.

Ich kann die Leute verstehen, wenn Sie so etwas sagen, und ich kann auch verstehen, dass sie sauer sind. Ich sehe es aber ein bisschen anders. In Wolfsburg sind tolle Möglichkeiten vorhanden. Und Herr Magath hat bereits eine sehr gute Mannschaft aufgebaut, mit der wir in den nächsten Jahren viel erreichen können.

Welche Rolle hat der VfB-Manager Fredi Bobic bei diesem Wechsel gespielt?

Ich hatte sehr gute Gespräche mit ihm. Wir haben uns offen ausgetauscht und uns offen unsere Meinung gesagt.

Es heißt aber, Ihr Verhältnis sei nicht das allerbeste gewesen.

Das kann ich nicht bestätigen. Ich muss ihm ja auch dankbar dafür sein, dass er mich am Ende hat gehen lassen.

Hat Ihnen die Wertschätzung gefehlt? Hätten Sie sich gewünscht, dass der Verein schon früher auf Sie zugegangen wäre?

Das ist schwer zu sagen. Wir hatten eine sehr schwierige Saison mit dem VfB und haben bis zum Schluss gegen den Abstieg gekämpft. Da wäre es falsch gewesen, im Winter, als wir mit zwölf Punkten dastanden, über eine Vertragsverlängerung zu reden. Ich glaube der Zeitpunkt war schon richtig, um nicht zusätzliche Unruhe zu verursachen. Deshalb hatten wir die Gespräche vertagt, bis wir gerettet waren.

Und was hätte passieren müssen, um Sie in Stuttgart zu halten?

Die Frage meiner Position war der zentrale Punkt. Hinzu kam aber auch, dass ich vier Jahre beim VfB gespielt habe und es an der Zeit fand, etwas Neues auszuprobieren. Ich hatte auch mit meiner Frau gesprochen, und wir sind zu der Entscheidung gekommen, dass mir eine Luftveränderung sportlich guttun kann. Ich habe ein neues Umfeld, muss mich neu beweisen - auch das trägt zu meiner Weiterentwicklung bei.


Wussten Sie schon vorher, dass Sie in Wolfsburg gleich Kapitän werden würden?

Nein, das kam ganz unverhofft. Ich habe es erst am Tag vor unserem ersten Bundesligaspiel gegen Köln erfahren. Herr Magath hat mich zu sich gerufen und mich gefragt, ob ich mir diese Aufgabe zutraue. Ich war erfreut und habe Ja gesagt.

Ist es nicht furchtbar schwer als neuer Spieler, der sich einfinden muss, die Mannschaft anzuführen und die Kommandos zu geben?

Natürlich ist das eher ungewöhnlich. Ich glaube aber nicht, dass es ein Akzeptanzproblem geben wird. Mein Vorgänger Marcel Schäfer, den ich schon sehr lange kenne, und Josué, der davor Kapitän war, haben mir ihre Unterstützung zugesagt. Und auch die ganze Mannschaft steht hinter mir.

Was bedeutet Ihnen diese Rolle?

Es ist eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Für mich bedeutet das, Verantwortung zu übernehmen. Das gilt aber auch für alle anderen Spieler. Ich habe schon beim VfB immer gesagt: es bringt nichts, wenn nur der Kapitän Verantwortung übernimmt. Das ganze Kollektiv ist gefragt.

Sie waren bisher nicht als Lautsprecher bekannt. Müssen Sie sich als Kapitän verändern und mehr aus sich herausgehen?

Es würde nicht meinem Naturell entsprechen, wenn ich plötzlich auf dem Platz rumbrüllen und meine Mitspieler zur Sau machen würde. Ich werde versuchen, in die Rolle reinzuwachsen, ohne mich von Grund auf zu verändern.

Könnte die gestiegene Verantwortung im Verein auch zu einem höheren Stellenwert in der Nationalmannschaft beitragen?

Das muss sich zeigen. Natürlich will ich auch in der Nationalmannschaft spielen. Aber ich werde keine Ansprüche stellen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle im DFB-Team?

Herr Löw zählt mich zum engeren Kreis, und dort will ich auch bleiben.

Allerdings kommen immer neue junge Spieler nach, wie jetzt Ilkay Gündogan, der auf Ihrer Position spielt.

Da muss man dagegenarbeiten, in der Liga gute Leistungen zeigen und auch hier.

Leichter wäre es als rechter Verteidiger, was der Bundestrainer Ihnen empfohlen hat.

Man weiß ja, dass Philipp Lahm nach links gewechselt ist. Dadurch ist rechts ein Platz frei geworden. Mein tägliches Brot ist aber der Verein, dort spiele ich Woche für Woche und muss mich auf meiner Position wohlfühlen.

Jetzt sind Sie aber erst einmal kurzfristig nach Stuttgart zurückgekehrt. Befürchten Sie eigentlich Pfiffe?

Kann schon sein, dass es den einen oder anderen Pfiff geben wird. Ich hoffe aber, der geht unter in der tollen Atmosphäre des neuen Stadions.


Karriere

Christian Träsch (23) hat beim MTV Ingolstadt mit dem Fußballspielen begonnen und wechselte 2003 in die Jugend von 1860 München. Mit 19 kam er vier Jahre später zum VfB, bei dem er sich zum Leistungsträger und Nationalspieler entwickelte. Für neun Millionen Euro wurde er vor dieser Saison vom VfL Wolfsburg verpflichtet. Der Trainer Felix Magath hat ihn sofort zum Kapitän ernannt.

Privat

Von seiner Wohnung am Stuttgarter Marienplatz ist Träsch in ein Haus in einem Wolfsburger Vorort gezogen. Begleitet wurde er von seiner Frau Jenny, mit der er seit dem vergangenen Sommer verheiratet ist und die derzeit an der Universität Tübingen ihre Doktorarbeit in Politikwissenschaften schreibt.