Der Schauspieler Christoph Waltz gibt in dem Film „Kill the Boss 2“ mal wieder den Fiesling. Dabei ist er doch eigentlich verständnisvoll und fürsorglich, wie er im StZ-Interview betont.

London - Der zweifache Oscar-Preisträger Oscar Waltz muss sich in „Kill the Boss 2“ in einem Ensemble von routinierten US-Komödianten behaupten. Als fieser Boss einer Großfirma treibt er ein Trio von Freiberuflern in den Ruin. Alles andere als fies gibt sich Christoph Waltz beim Interviewtermin in London. Man trifft auf einen sehr entspannten, unterhaltsamen Gesprächspartner, der höchstens auf unpräzise formulierte Fragen ein wenig einsilbig reagiert.

 
Eigentlich wollten Sie diese Rolle in „Kill the Boss 2“ gar nicht spielen. Warum nicht?
Ich habe erst einmal abgelehnt, weil ich zunächst nicht gesehen habe, wie ich in dieser Konstellation funktionieren soll. Diese Kollegen sind Komiker und Improvisationskünstler. Ich kann weder improvisieren, noch gefällt es mir. Ich bin wirklich schlecht im Improvisieren und es macht mir Angst. Es ist einfach nicht meine Sache. Diese US-Kollegen wissen, wie man komisch ist. Dazu braucht man eine Technik, die ich nicht habe. Aber gerade weil ich Angst davor hatte, hat es mich dann auch wieder interessiert. Am Ende war es eine fantastische Erfahrung.
Wenn Sie eine Oper wie den „Rosenkavalier“ inszenieren, sind Sie der Boss. Was für ein Boss sind Sie?
Ich bin nicht der Boss. Ich bin ein sehr verständnisvoller, liebevoller und fürsorglicher Mitarbeiter.
Aber Sie müssen die Entscheidungen treffen.
Das ist eine andere Geschichte.
Also sind Sie der Boss.
Nun ja, irgendwie schon. Aber Boss oder nicht Boss, ich habe die Bedeutung des Wortes nie so wirklich ergründet. Ich weiß gar nicht, woher es überhaupt kommt. Als ich ein Kind war, da war „Boss“ etwas Amerikanisches. So etwas gab es bei uns nicht. Wir hatten Vorgesetzte oder Chefs. Verständlicherweise wird das Wort „Führer“ im Deutschen nicht mehr gebraucht, dafür in anderen Sprachen aber immer noch sehr oft. Auf Englisch redet jeder über „Leader“. Wie auch immer. Letztendlich ist es jemand, der die anderen auf ein Ziel zuführt, in diesem Fall auf den fertigen Film, ein Theaterstück oder eine Oper. Und das ist nun einmal keine demokratische Veranstaltung. Sonst wird nie etwas daraus. Deswegen muss sich einer ausdenken, was passiert und dann muss er die anderen mit auf dem Weg nehmen.
Als junger Schauspieler haben Sie Ihr Geld in einem Restaurant in New York verdient. Was haben Sie da fürs Leben gelernt?
Ich weiß nicht, ob ich da etwas fürs Leben gelernt habe. Aber als Schauspieler ist der Beruf des Kellners ja schon beinahe fester Bestandteil der Biografie.
Was hatten Sie dort für einen Boss?
Mein Boss war fantastisch, ein wirklich netter Kerl. Er war sehr verständnisvoll. Aber ich war auch ein guter Kellner. Deswegen haben wir uns gut verstanden. Ich habe gelernt, dass man nicht servil sein muss, um zu servieren. Man kann diesen Beruf mit Würde ausüben. Und man begibt sich keineswegs unter sein Niveau, wenn man anderen Menschen hilft, einen schönen Abend zu haben. So gesehen habe ich dort dann doch etwas für meinen Beruf gelernt. Denn man muss als Schauspieler nicht servil sein, um einer guten Idee des Regisseurs zu folgen, auch wenn ich eine andere hatte.
Wie haben Sie ansonsten davon profitiert?
Ich konnte mich in Konfliktbewältigung üben. Zum Beispiel wenn Gäste die Rechnung bekommen und behauptet haben, sie hätten gar nicht so viele Gläser Wein gehabt. Dann habe ich ihnen ruhig und freundlich die Bestellungen gezeigt und gesagt: „Tut mir leid, hatten Sie doch.“
Hatten Sie schon einmal einen fiesen Chef?
Natürlich.
Wie gehen Sie damit um?
Ich leide mich so durch diese Geschichte durch. Ich füge mich in mein Schicksal, halte den Mund. Oder ich rebelliere. Oder man geht einfach. Ich glaube nicht, dass der Regisseur zwangsläufig ein Arschloch sein muss. Es existieren verschiedene Formen von Autorität. Es gibt die stille, kompetente und die laute, uneffektive und brutale Autorität. Das ist innerhalb der Kommunikation eine Form von Gewalt. Wenn jemand weiß, was er will und das vernünftig kommuniziert, habe ich kein Problem mitzumachen. Ich stelle die Entscheidung nicht in Frage, weil das auch gar nicht in meinem Interesse liegt, denn es ist im Gegenteil zu meinem Vorteil. Ich mag eine andere Meinung haben, aber dafür bin ich nicht engagiert worden. So macht es auch viel mehr Spaß, als alles zu zerreden.
Sie haben einmal gesagt, Sie lernen mit jeder neuen Arbeit auch etwas Neues dazu. Was lernen Sie, wenn Sie eine Komödie machen?
Wie traurig die Welt ist. Aber im Ernst: Man lernt, wie selten unser Alltag komische Situationen zulässt. Wir nehmen uns gar nicht mehr die Zeit, zu erkennen was komisch ist. Denn wir sind so damit beschäftigt unkomisch, produktiv, ernsthaft und erfolgreich zu sein. Die Welt wird immer weniger komisch. Um sich von der Ukraine oder IS abzulenken, ist es gut, von Zeit zu Zeit zu erkennen, dass da noch eine andere Welt existiert, die lustiger sein könnte.
Woher nehmen Sie nach dreißig Jahren immer noch die Leidenschaft für Ihren Beruf?
Wer sagt, dass ich leidenschaftlich bin? Meine Leidenschaft besteht eher darin, herauszufinden, ob ich eine Rolle spielen kann, ob ich das Mark und das Herz treffe. Das heißt nicht, dass ich das immer schaffe. Aber das interessiert mich. Ich bin froh, dass ich heute mehr so arbeiten kann, wie es mir gefällt. Natürlich sind da auch immer noch frustrierende Erlebnisse auf verschiedenen Ebenen, aber das Umfeld meiner Arbeit ist heute viel befriedigender für mich. Früher musste ich den nächsten Job annehmen, heute kann ich auch mal Nein sagen. Wenn mir junge Menschen erzählen, sie wollen Schauspieler werden, sind mir immer die verdächtig, die sagen, sie lieben die Schauspielerei. Dann frage ich: Was lieben Sie denn daran? Die Arbeitslosigkeit, oder das Kellnern?
Was ist das Schönste an ihrem Erfolg?
Zu den schönsten Dingen gehört, dass ich Menschen, die ich immer bewundert habe, einfach anrufe, um sie zu treffen. Bisher hat noch niemand ein Treffen abgelehnt.
Wen haben Sie denn schon alles getroffen?
Den Oscarpreisträger und Komponisten Stephen Sondheim, Mel Brooks, Julian Schnabel, David Byrne oder Daniel Barenboim.
Wie funktioniert das genau?
Na, ich rufe sie einfach an. Denn ich finde diese Menschen einfach spannend und verfolge ihre Karrieren seit langer Zeit. Ich frage dann: Haben Sie Lust, mich zu treffen? Die finden das dann ein bisschen seltsam. Aber dann sagen sie: Warum nicht? Ich habe immer eine wundervolle Zeit mit ihnen.
Ich war sehr überrascht zu lesen, dass Sie als Österreicher das Skifahren nicht mögen. Was gefällt Ihnen daran nicht?
Das Skifahren selbst, gegen das hätte ich gar nichts. Aber ich habe mit 15 Jahren aufgehört, weil mir dieses ganze Theater drum herum so wahnsinnig auf den Senkel gegangen ist. Damals war das auch noch viel schwieriger mit der Beförderung, das lange Warten an der Seilbahn, das lange Warten am Lift. Apres-Ski ist eine Sache, die mir ehrlich gesagt so ein bisschen gegen den Strich läuft, um es sehr, sehr milde auszudrücken. Und ich konnte nie gut genug Skifahren, dass ich Touren gehe und alleine durch den Tiefschnee wedele. Weil das wäre meine Idee vom Skifahren. Doch den Aufwand habe ich nie betrieben, so gut Skifahren zu lernen. Der Weg dahin war mit so viel widerwärtigen Dingen gepflastert.
Sie sind vor kurzem 58 geworden. Feiern Sie Geburtstage überhaupt noch?
Ja, wir feiern so ein bisschen. Man erinnert sich daran, dass man geboren ist. Das muss ja nicht in jedem Fall ein grauenvolles Ereignis gewesen sein. Ich mache aber keine Riesennummer daraus.