Cro war der Hip-Hop-Durchstarter 2012 und ist einer der am heftigsten kritisierten Popkünstler. Am Freitag erscheint sein neues Album. Im StZ-Interview erwidert der Stuttgarter Rapper die Kritik an seinen Werbedeals und seinem Stil – und er bekennt: „Stuttgart ist geil“.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Der Rapper Cro war das Hip-Hop-Phänomen des Jahres 2012: erst wurde er im Internet ein Star, kam dann mit seinem Album „Raop“ und diversen Singles auf Platz eins der Charts und wurde anschließend in ausverkauften Hallen umjubelt. Am Freitag erscheint sein zweites Album „Melodie“. Die erste Singleauskopplung „Traum“ landete ebenfalls prompt auf Platz eins.

 

Kommerziell könnte es für Cro und dessen Label Chimperator also nicht besser laufen, und auch „Melodie“ wird wahrscheinlich ein Hit – das Album greift den konsenstauglichen Sound von „Raop“ auf und steht in guter Tradition des entspannten., am Pop orientierten Stuttgarter Hip Hop. Doch es gab auch Kritik: wegen zahlreicher Werbeauftritte wurden Cro Beliebigkeit und Ausverkauf vorgeworfen, in der Szene gilt er wegen seiner radiotauglichen Songs als wenig glaubwürdiger Vertreter der „echten“ Rapkultur.

Die StZ ist nicht das einzige Medium, das mit Cro darüber reden möchte. Als der 24-Jährige ohne Maske zum Interview erscheint, ist es bereits zwanzig nach acht. Er bittet aus dem Besprechungsraum seines Labels Chimperator auf die Dachterrasse des Bürohauses am Stuttgarter Rotebühlplatz. Der Blick auf den Platz und den in der Abendsonne glühenden Hang unter dem Fernsehturm ist famos. Und Cro wirkt erstaunlich frisch angesichts der Tatsache, dass es bereits sein achtes Interview an diesem Tag ist.

Cro, dein neues Album hat 17 Tracks und ist stilistisch sehr vielfältig. Es erinnert mich ein bisschen an DJ Thomilla mit seinem Album Genuine Draft. Da ist unter anderem „Reimemonster“ von Afrob und Ferris MC drauf. Siehst du Parallelen zu deinem neuen Album?
Den Song höre ich immer mal wieder, aber das Album hat an sich keine Rolle gespielt. Obwohl: Der Sound ist Neunziger, und mein Album klingt auch ein bisschen nach Neunzigern. Das wollte ich auch so machen. Und es gibt ja auch Skits und Filmszenen und Werd-endlich-mal-erwachsen-Telefonate.

Und das alles gleich im ersten Song. Da greifst du Kritik an dir und deinem Rapstil auf.
Ich habe immer die Klappe gehalten zu Leuten, die mich frech angeschissen haben, obwohl sie mich nicht mal kennen. Die haben mich benutzt und als Leitfigur der Szene hingestellt und das Bild Cro benutzt, das in ihren Augen für „scheiße“ steht. Da dachte ich mir: Was wollt ihr von mir? Dann haben meine Kumpels zu mir gesagt: Du kannst es dir locker rausnehmen, auf den Putz zu hauen. Weil du grad der Krasseste bist. Das habe ich selbst so nie geglaubt und glaube es immer noch nicht. Aus Liebe zu den Kumpels habe ich dann aber einfach mal auf den Putz gehauen.

Auch als Zeichen, dass du Battle Rap kannst?
Das ist mir schon längst egal, das habe ich für mich gemacht. Ich weiß, was ich kann. Und wenn ich wollte, könnte ich alle Rapper zerstören durch Skills – aber dann würde ich ein Diss-Album machen, das nicht erfolgreich wäre. Ich will aber lieber Erfolge feiern mit Musik, die jeder mag.

Ist die Kritik an deiner Musik also purer Neid?
Oft glaube ich: ja. Viele können halt auch gar nichts mit meiner Musik anfangen. Halb, halb.

Es gibt den Spruch vom schwierigen zweiten Album. Danach wurdest du heute sicher schon siebenmal gefragt …
Ich hatte die Angst auch kurz. Aber dann kam der Kody von Chimperator und hat gesagt: Bleib locker, mach dein Ding. Dann hab ich losgelegt, ziemlich schnell das Album gemacht und war zufrieden damit.

Hast du dir Druck gemacht, dass du an den Stil des erfolgreichen ersten Albums anknüpfen möchtest?
Die Chimperator-Leute haben mich gefragt: Worauf hast du Bock? Da habe ich gesagt: Das Gleiche, vielleicht mit ein bisschen mehr Rap. Und die: Dann mach halt genau so mit ein bisschen mehr Rap. Bei Raop gab es ja schon ein paar Tracks vor der Veröffentlichung. Das aktuelle Album ist runder.

Wie lange hat die Arbeit an dem Album gedauert?
Dreieinhalb Monate.

Wen hört man darauf, dich und Psaiko Dino?
Ganz falsche Information. Psaiko ist nur Live-DJ. Die Beats habe allesamt ich gemacht. Okay: Drei, vier Beats waren von Shuko. Der ist richtig krass.

Deine Musik und die von Chimperator wird häufig von Gangsta Rap abgegrenzt, der Mitte der Nuller Jahre eine Hochzeit hatte. War deutscher Gangsta Rap eine Mode, die jetzt endgültig vorbei ist?
Ich glaube, es kommt wieder. Aber auf eine schlaue Art. Damals, das war stupide. Der nächste Gangsta Rap wird von schöneren Menschen gemacht, er wird mehr Style haben. So wie die Azzlacks oder Kollegah. Für alles andere ist man in Deutschland zu weit.

Bist du aktiver Teil der Stuttgarter Hip-Hop-Szene?
Ich kriege automatisch viel mit, vor allem wenn ich auf Konzerte von Kumpels gehe. Dajuan und Sam zum Beispiel.

Die sind beide bei Chimperator. Gibt es Hip-Hop-mäßig in Stuttgart noch was anderes als Chimperator?
Nicht so viel, glaube ich. Chimperator hat komplett Baden-Württemberg in der Hand. Und ist auch gut so: das ist eine große Familie und es sind ein paar echt krasse Acts dazugekommen.

„Ich will hier nicht weg. Noch.“

Auf deinem neuen Album machst du einige Anspielungen auf Stuttgart, die außerhalb Stuttgarts kein Mensch versteht. Ist Stuttgart dein Lebensmittelpunkt?
Ich wohne gerade mit meinem Bruder in einer Bude in Stuttgart, bin aber zum Musikmachen daheim, in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. Da kann ich laut sein. Und weil ich das Album machen musste, bin ich ständig dorthin gefahren. Heimat ist von dort bis hier. Man ist ja in einer halben Stunde dort. Ich fahre oft schneller zu meinen Eltern als im Stau von Degerloch in die Stadt runter.

Die alternative Szene in Esslingen hat kürzlich einen Sampler herausgebracht: „Von Heimat kann man hier nicht sprechen“. Diese Szene grenzt sich von Stuttgart ab. Du rappst explizit positiv über Stuttgart.
Stuttgart ist geil. Ich bin ja hier aufgewachsen, schon in der Kindheit ständig hergekommen, Skateboard gefahren, abends dann hier bei Kumpels übernachtet. Ich kenne hier alle und alle kennen mich, ich will hier nicht mehr weg. Noch.

Ist Stuttgart besser geworden in den letzten Jahren?
Man wird älter, das macht das Leben schöner. Als Kind war es so: Man hat ein Skateboard und muss schauen, wann der Zug fährt. Jetzt hat man ein Auto und muss nicht mehr Mutti anrufen, ob man doch noch ein bisschen bleiben darf. Das macht das Leben einfach und das ist das Schöne daran.

Warum beschäftigen sich gerade so viele Stuttgarter mit Stuttgart?
Keine Ahnung. Was meinst du?

Ich glaube, Stuttgart ist nicht mehr so provinziell. Und man kann sagen: Wir haben Cro.
Ich denke da gerade zum ersten Mal darüber nach. Ja, es ist schon ein bisschen so, dass ich das Gesicht von Stuttgart bin. Und es ist ein sympathisches, frisches Gesicht, was Neues und steht für cool. Müsst ihr halt mal ne Umfrage machen!

„Indie ist, was wir alles abgesagt haben“

Jetzt zu ein bisschen Kritik. Der Konzertveranstalter Berthold Seliger hat vergangenes Jahr ein Buch über die Probleme der Musikindustrie geschrieben. Im Interview hat er mir unter anderem gesagt: Wenn vor zehn Jahren einer für H&M, McDonald’s und Axe Werbung gemacht hätte, wäre der unten durch gewesen und künstlerisch nicht mehr glaubwürdig. Er hat dich gemeint.
Es gibt zwei Typen von Menschen. Die einen sagen: Na gut, dann hängt er halt auf nem Plakat in der Stadt. Die anderen sagen: „Sellout! Du verrätst du Kultur!“ Ich zähle zur ersten Gruppe. Bei H&M dachte ich: Geil, ich bin Modedesigner und habe die Chance, mit denen eine Modekollektion zu machen. Was geht, ist doch super.

Was ist mit McDonald’s?
Schmeckt irre gut und war ein witziges Konzept.

Axe?
Die Axe-Kampagne wirbt natürlich für ein Produkt, aber eben auch für Frieden.

Dein Album wird mit dem „Red Bull Tag am See“ präsentiert. Berthold Seliger wird bei der Vorstellung vermutlich schlecht, dass ein Energy-Drink einer Album-Releaseparty den Namen leiht.
Wir wollten schon zum ersten Album mit einem Boot über den Neckar fahren und Konzerte spielen. Leider machen einem da Behörden leicht einen Strich durch die Rechnung. Jetzt kommen unsere Kumpels von Red Bull und sagen: wenn ihr was machen wollt, wir kriegen es hin. Die haben uns den Tag am See ermöglicht. Voll geil. Es geht darum, dass wir machen, was wir machen wollen. Wie kann man dagegen sein? Klar man kann auch ein Buch schreiben, alles scheiße finden und immer nur meckern oder zu einem Interview mit einem Veranstalter, in dem einmal mein Name fällt, als Aufhänger ein Cro-Foto posten, damit mehr Leute drauf klicken. Ich finde das schräg. Man kann ja nicht gegen alles sein.

Indie-Haltung halt.
Was ist daran denn Indie? Indie ist, was wir alles abgesagt haben. Hier kommen zwei Angebote die Woche rein, für die andere alles machen würden. Indie ist zehn Jahre buckeln ohne Geld zu sehen und dann ohne Major-Label Doppelplatin holen und die Schleyer-Halle ausverkaufen.

Wie würdest du den typischen Cro-Hörer beschreiben?
Eigentlich genau wie ich, nur vielleicht ein paar Jahre jünger. Er hat den Pulli an wie ich, Skinny Jeans, zerrissene Skaterschuhe und das Cappie nach hinten.

Wie hält man junge Hörer bei der Stange? Sie laufen erfahrungsgemäß schnell weg.
Du musst halt fresh bleiben. Wenn die Musik stimmt, läuft das schon. Ich war ja selbst mal jung und hatte Vorbilder und fand die cool. Ich springe da erst ab, wenn mir die Musik nicht mehr gefällt. Wenn er plötzlich anfängt, Reggae zu machen. Wenn es mich aufregt und ich mich frage: Warum bleibt der nicht einfach cool? Vielleicht fange ich ja selbst irgendwann mal an, Heavy Metal zu machen und tunke meine Maske in schwarze Farbe. Dann verliere ich auf jeden Fall alle Fans, die ich bis dahin habe. Dafür habe ich dann andere, haha.

Deine erste Single "Melodie" ging ja schon gut ab. Du kannst für das zweite Album also entspannt bleiben. Hattest du Muffensausen?
Ja, am Tag, bevor es losging. Und am Tag, an dem ich den Titelsong „Melodie“ geschrieben habe. Ich gehe immer ran an die Musik, mache fünf Tage was und es kommt nix raus und am letzten Tag läuft es ganz gut. Dann mache ich zwei Wochen Pause und es geht wieder fünf Tage lag nix. Aber dann kommt wieder ein Song. Das ist so der Rhythmus.

Der Song "Melodie" klingt so ein bisschen nach Disco.
Wegen dem Saxofon, was gerade jeder in seiner Musik drin hat. Das klingt ein bisschen nach Pharrell-Disco. Das ist schon das, was gerade abgeht. Aber genau so wollte ich es.

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