Exklusiv Nach dem überraschenden Wechsel im April vom Produktionschef von Mercedes-Benz Cars zum Chef der Truck-Sparte erläutert der Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard im StZ-Interview seine Zukunftspläne.

Stuttgart. - Im Februar machte die unzufriedene Arbeitnehmerseite im Daimler-Aufsichtsrat Druck. Wolfgang Bernhard musste seinen Platz im Vorstand mit Andreas Renschler tauschen und die Führung der Lkw-Sparte übernehmen. Im StZ-Interview blickt Bernhard auf diesen Wechsel zurück und erläutert, wie er den größten Lkw-Hersteller der Welt an der Spitze halten will.
Herr Bernhard, wie ist der Wechsel vom Produktions- und Einkaufschef von Mercedes-Benz Cars zum Lkw-Vorstand abgelaufen? Kam die Eskalation der Auseinandersetzung mit den Betriebsräten für Sie überraschend?
Der Wechsel kam überraschend. Ich hatte nicht damit gerechnet, Lkw-Vorstand zu werden. Doch die neue Aufgabe ist ebenso faszinierend wie die bisherige. Ich werde auch in der neuen Verantwortlichkeit mit Leidenschaft alles dafür geben, um dieses Geschäft erfolgreich voranzubringen.
Der Betriebsrat hat Ihnen vorgeworfen, dass Sie zu keinem echten Dialog bereit seien. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
Ich habe zu vielen Betriebsräten sehr gute und vertrauensvolle Beziehungen. Gemeinsam haben wir viele gute Vereinbarungen getroffen. Natürlich ist das nicht immer ganz einfach, gerade bei schwierigen Sachthemen und starkem Wettbewerbsdruck. Es gehört aber zu meiner Verantwortung, diese Dinge offen anzusprechen, damit wir langfristig wettbewerbsfähig sind. Das ist auch im Sinne der Mitarbeiter. In der Vergangenheit ist es uns ja gelungen, gemeinsame Lösungen zu finden. Und das wird uns auch in Zukunft gelingen.
Seit Sie nach dem Intermezzo bei VW wieder zu Daimler zurückgekommen sind, haben Sie sich als Chef der Transportersparte und als Produktions- und Einkaufschef von Mercedes-Benz Cars sehr mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Warum?
Für mich ist es nicht erstrebenswert, jeden Tag in der Zeitung zu stehen. Meine Hauptaufgabe ist es, sich intern um die Zukunft des Unternehmens zu kümmern. Natürlich ist es als Truck-Chef auch Teil meiner neuen Aufgabe, Daimler Trucks und seine Produkte nach außen zu vertreten.
Bisher hatten Sie es in Ihrer Karriere vor allem mit Personenwagen zu tun, nun stehen Lastwagen im Mittelpunkt. Erfordert dies eine große Umstellung?
Ja, denn es gibt große Unterschiede zwischen den beiden Geschäftsfeldern. Ein Pkw-Kauf ist immer auch eine emotionale Entscheidung. Beim Lkw ist das anders. Der Lkw-Kunde will mit seinem Fahrzeug Geld verdienen und rechnet mit spitzem Bleistift. Zudem gibt es in der Lkw-Sparte von Daimler mehr Marken als im Pkw-Geschäft. Neben Mercedes-Benz sind das Freightliner, Fuso und einige andere. Es gibt auch deutlich mehr technische Unterschiede der Fahrzeuge in den jeweiligen Weltregionen, etwa in puncto Sicherheit oder bei den Emissionsvorschriften.
Dürfen Sie sich heute auch selbst hinter das Lenkrad eines schweren Lastwagens setzen?
Ja, ich habe den Lastwagen-Führerschein innerhalb meiner ersten 100 Tage gemacht.
Wie geht es dem Fahrlehrer?
Dem geht es gut. Der Fahrlehrer hat gesagt: Herr Bernhard, da haben Sie sich aber viel vorgenommen. Es war für mich dann auch sehr anstrengend. Man braucht mindestens 25 Fahrstunden, und muss für die theoretische Prüfung nicht nur Vorfahrts-  und andere Verkehrsregeln, sondern auch viele andere Vorschriften kennen: Arbeitszeitregeln, Gefahrguttransporte, maximale Gewichte, Höhen und Breiten, Zollbescheinigungen. Ich habe am Wochenende stundenlang gebüffelt.
Wie sehen die geschäftlichen Perspektiven für 2013 aus?
Die Märkte haben in diesem Jahr, von einigen Ausnahmen abgesehen, überwiegend stagniert. Trotz der verhaltenen Marktentwicklung gelingt es uns, den Absatz leicht zu steigern. Beim Ergebnis wollen wir das Vorjahresniveau erreichen. Das werden wir voraussichtlich auch schaffen.
Und wie sind die Erwartungen für 2014?
Über das nächste Jahr können wir noch nichts sagen. Da gibt es noch einige Unwägbarkeiten wie etwa vorgezogene Käufe vor der Einführung der neuen Emissionsstufe Euro 6 in Europa, die im nächsten Jahr vorübergehend zu einer Kaufzurückhaltung führen könnten. Wir rechnen insgesamt jedoch mit keiner gravierenden Veränderung der Marktentwicklung im nächsten Jahr.
Daimler hat gerade die Lkw-Modellpalette in Europa umfassend erneuert, in Nordamerika sieht es ähnlich aus. Müsste dies nicht mehr Schub geben? Verpufft die Innovationsoffensive in den flauen Märkten?
Keineswegs, denn wir können selbst in einem schwierigen Marktumfeld unsere Position stärken und ausbauen. Der Marktanteil in den USA erreicht historische Höchststände, nahezu 40 Prozent. Auch in Europa und in Deutschland konnten wir im Marktanteil leicht zulegen.
Aber eigentlich haben Sie bei den Modellneuheiten jetzt Ihr Pulver verschossen. Das heißt, was neue Modelle anbelangt, liegt jetzt erst einmal eine Durststrecke vor Ihnen.
Nein, da muss man genauer hinschauen. Wir haben in Europa unsere Modelle früher als die Wettbewerber auf die neue Emissionsstufe Euro 6 umgestellt. Unsere Fahrzeuge haben schon bewiesen, dass die Qualität stimmt und die versprochenen Kraftstoffeinsparungen auch erreicht werden. Diese Fragen kommen bei unseren Wettbewerbern erst jetzt auf. Wir sind hier mit einem Jahr Vorsprung im Rennen und deshalb hervorragend positioniert. Selbstverständlich werden wir mit Nachdruck daran arbeiten, technologisch weiter an der Spitze zu stehen.