Daniel Ginczek ist beim VfB Stuttgart der neue Hoffnungsträger. Trotz des vorletzten Tabellenplatzes hat der Stürmer keinerlei Zweifel am Klassenverbleib.

Stuttgart – - Wegen muskulärer Probleme musste Daniel Ginczek diese Woche im Training kürzertreten – im Abstiegsduell an diesem Samstag gegen den SC Freiburg aber will der Stürmer unbedingt dabei sein: „Ich bin zu hundert Prozent überzeugt davon, dass wir in der Liga bleiben. Sonst bräuchte ich ja gar nicht aufzulaufen“, sagt der 24-Jährige.
Herr Ginczek, Sie haben in den letzten beiden Heimspielen gegen Eintracht Frankfurt und Werder Bremen jeweils zwei Tore geschossen. Hält die Serie auch gegen Freiburg?
Das wäre sehr schön. Aber Sie kennen doch auch den alten Spruch: Es ist egal, wer die Tore schießt – Hauptsache wir gewinnen.
Wie zuversichtlich sind Sie?
Wir hatten in Augsburg ein sehr unglückliches Spiel, wie leider schon oft in dieser Saison. Aber meistens haben wir nach so einer Partie die richtige Antwort gegeben. Das werden wir auch im Derby tun.
Ein Schlüsselerlebnis für Sie persönlich war Ihr erstes Tor für den VfB, der 1:1-Ausgleich gegen Frankfurt. Was hat dieser Treffer bei Ihnen ausgelöst?
Ich wollte eigentlich schon viel früher treffen. Gerade wenn man neu bei einem Verein ist, will man möglichst schnell zeigen, was man drauf hat. Leider konnte ich das wegen meiner Verletzung nicht. So kam das Tor zwar mit großer Verspätung – hat mir nach der langen Leidenszeit aber extrem gut getan. Dieses Erfolgserlebnis hat mir in den anschließenden Spielen das nötige Selbstvertrauen gegeben.
Warum leben gerade Stürmer so sehr vom Selbstvertrauen?
In vielen Momenten benötigt man im Fußball ein Quäntchen Glück – und das hat man als Stürmer, wenn man sich gut fühlt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ich gegen Bremen in der letzten Minute allein vor dem Tor war, hatte ich alle Möglichkeiten. Ich entschied mich dafür, den Ball mit dem Außenrist durch die Beine des Torhüters zu schießen. Das war nicht ohne Risiko. Wenn ich nicht schon davor getroffen hätte, wäre der Ball vermutlich hängengeblieben.
Spüren Sie, dass sich Ihr Stellenwert innerhalb der Mannschaft durch die fünf Tore in den letzten vier Spielen verändert hat?
Natürlich nehmen es die Mitspieler genau wahr, wenn man als Stürmer eine gute Phase hat und häufiger das Tor trifft. Das tut einer Mannschaft immer gut, gerade in Situationen, in denen es nicht so läuft. Aber ich habe mich auch schon vorher voll integriert gefühlt, auch in der Phase, als ich verletzt war.
Im Umfeld hieß es damals häufig, der VfB habe wieder einmal falsch eingekauft. Wie sehr haben Sie diese Zweifel belastet?
Auch ich habe mitbekommen, dass manche Leute gesagt haben, es sei ein großer Fehler gewesen, einen verletzten Spieler zu holen. Da macht man sich Gedanken. Aber ich wusste gleichzeitig immer, dass ich der Mannschaft helfen kann, sobald ich richtig fit bin. Selbstzweifel kamen daher nie auf. Ich habe ein gesundes Selbstbewusstsein.
Jetzt gelten Sie nicht mehr als Fehleinkauf, sondern als großer Hoffnungsträger.
Das ist ein schönes Gefühl. Wenn es läuft, entwickelt man sich auch als einzelner Spieler weiter – und dann kann das die ganze Mannschaft beflügeln. Wir haben aus den letzten Spielen sehr viel Schwung mitgenommen.
Woran liegt es, dass das Offensivspiel des VfB in den vergangenen Wochen deutlich besser geworden ist als zu Beginn der Rückrunde?
Wir haben spielerisch eine sehr hohe Qualität. Gerade im Abstiegskampf lautet häufig die Devise: den Ball hoch und weit nach vorne schlagen, Hauptsache er ist weg vom eigenen Tor. Das tun wir zur Not zwar auch mal. Ansonsten aber versuchen wir, den Ball flach und mit Risiko nach vorne zu bringen und spielerische Lösungen zu finden.
Ist das ein entscheidender Vorteil gegenüber der Abstiegskonkurrenz?
Ich glaube schon, dass wir von den Mannschaften, die unten stehen, mit den besten Fußball spielen. Und ich sehe es als weiteren ganz großen Vorteil an, dass wir den Kampf um den Klassenerhalt schon vor vielen Wochen aufgenommen haben. Es ist immer besser, wenn man von ganz unten kommt, als wenn man von oben immer weiter durchgereicht wird.
Bei Hannover 96 und dem Hamburg SV scheinen die Nerven endgültig blank zu liegen, beim VfB dagegen ist es erstaunlich ruhig. Ist auch das ein Pluspunkt?
Ich habe es natürlich auch zur Kenntnis genommen, das dort die Trainer gewechselt wurden. Wichtig ist aber, dass wir nur nach uns schauen und weiter die Ruhe bewahren. Damit sind wir zuletzt sehr gut gefahren. Ich sehe viele Pluspunkte auf unserer Seite und kein Minus.
Aber der VfB ist noch immer Vorletzter.
Auch mir ist klar, dass wir noch Punkte benötigen. Trotzdem bin ich zu hundert Prozent überzeugt davon, dass wir in der Liga bleiben. Sonst bräuchte ich ja gar nicht aufzulaufen.
Mit Nürnberg sind Sie vergangenes Jahr abgestiegen. Was war damals anders außer der Tatsache, dass Sie in der Endphase der Saison verletzt waren?
Es sind immer nur Nuancen, die am Ende darüber entscheiden, ob man drinbleibt oder nicht. Es geht darum, möglichst wenige individuelle Fehler zu machen. Mit Nürnberg haben wir letztes Jahr zu viele gemacht. Außerdem war die Qualität der Mannschaft lange nicht so hoch wie jetzt in Stuttgart.
Der mentale Druck aber ist der gleiche. Wie sehr belastet er Sie?
Ich würde jetzt nicht wie andere sagen: ich mag den Abstiegskampf. Das ist keine schöne Situation. Aber sie war noch belastender, als wir acht Wochen lang auf dem letzten Tabellenplatz gestanden haben und jeder geschrieben hat: der VfB Stuttgart ist der erste Absteiger. Jetzt haben wir einige Ausrufezeichen gesetzt, das macht die Sache etwas leichter. Wenn man sich zu viele Gedanken macht, verkrampft man nur. Das weiß ich aus Erfahrung.
Sie sind erst 24 Jahre alt, haben aber schon bei vielen Proficlubs gespielt: in Dortmund, Bochum, St. Pauli, Nürnberg, jetzt beim VfB. Wie kam es, dass Sie so oft den Verein gewechselt haben?
Man könnte fast meinen, ich sei ein Wandervogel. So ein Typ bin ich aber eigentlich gar nicht. Es lag auch daran, dass ich von Dortmund zweimal ausgeliehen wurde, um Spielpraxis zu sammeln. Dann bin ich mit Nürnberg abgestiegen und erhielt das Angebot vom VfB.
Wie sehr bringt es einen weiter, wenn man sich immer wieder neu beweisen muss?
Ich denke schon, dass man dadurch sehr reift. Ich habe mich ja mit jedem Wechsel weiter von meiner westfälischen Heimat entfernt. Man wird erwachsener, muss sich schnell anpassen, lernt neue Menschen und neue Städte kennen. Ich war dafür immer sehr offen und habe nirgendwo länger als drei, vier Tage im Auto das Navi benutzt. Danach habe ich immer versucht, mich alleine zurechtzufinden.
Auch in Stuttgart?
Selbstverständlich. Die Stadt ist überragend. Die Königstraße, die Wilhelma, die ganze Gegend hier – das gefällt mir alles sehr gut.
Wie groß ist Ihr Wunsch, zur Abwechslung mal länger sesshaft zu werden?
Den Wunsch habe ich natürlich, nicht nur als Fußballprofi, sondern auch als Familienvater. Ich hoffe daher sehr, dass ich hier noch eine Weile bleiben kann und darf. Ich will dabei mithelfen, den VfB wieder weiter nach oben zu bringen.