Exklusiv Bosch-Betriebsratschef Alfred Löckle fordert vom Management Konzepte für die Sicherung von Beschäftigung und Werken. Blaichach im Allgäu liefert ein Beispiel.

Stuttgart – - Ob Marktsättigung in Europa, Internet der Dinge, Verzögerungen bei der Elektromobilität oder Sparmaßnahmen in der Verwaltung – Alfred Löckle, der Bosch-Konzernbetriebsratschef, muss mit vielen Bällen jonglieren.
Herr Löckle, nach schwierigen Zeiten steigt die Autonachfrage in Europa wieder. Sind Sie erleichtert?
Aktuell sind wir schon erleichtert. Wir haben in den Kfz-Werken eine durchgehend gute Auslastung. Das Unternehmen steigert seine Ertragskraft. Das hilft uns in diesem Jahr.
Derzeit herrscht Krisenpause, aber wie sind die Perspektiven für die Werke mittelfristig?
Die strukturellen Themen kann niemand wegdiskutieren. Die gute Konjunktur bringt uns eine Verschnaufpause, mehr nicht. Wir müssen die Zeit nutzen, um Zukunftskonzepte zur nachhaltigen Stabilisierung unserer Standorte und der Beschäftigung – insbesondere der industriellen Arbeitsplätze – zu erarbeiten.
Wo sind die Stellschrauben?
Wir haben mehrere Stellschrauben, die wir systematisch bearbeiten. An erster Stelle steht, dass wir die Pflege aktueller Produkte nicht vernachlässigen. Das ist die Gefahr bei einem innovationsgetriebenen Unternehmen wie Bosch. Zu oft ist der Blick alleine auf die nächste oder übernächste Produktgeneration gerichtet. Vernachlässigt wird dabei gerne, für ein aktuelles Produkt weitere Kunden zu gewinnen. Punkt zwei ist – und diesen Weg hat uns Bosch-Chef Volkmar Denner geebnet –, dass wir systematisch nach ganz neuen Märkten für die Anwendung der Technologien der Standorte suchen.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ein Beispiel dafür ist der Standort Blaichach im Allgäu. Dort ist es gelungen, eine Beschichtungstechnik, die ABS-Komponenten besonders verschleißfest macht, für Mahlwerke von Kaffeeautomaten zu nutzen. Damit hat der Autostandort ein zweites Standbein und sich einen ganz anderen Kundenkreis erschlossen.
Gibt es weitere Beispiele?
Ich war vergangene Woche in unserer Gießerei in Lollar bei Marburg. Dort stellt Buderus Kessel her, riesengroße Heizanlagen aus Guss. Darin wird Öl verbrannt. Der Markt dafür ist seit Jahren rückläufig. Betriebsrat und IG Metall begleiten seit Jahren den Standort – auch mit Maßnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit – was einen sozialverträglichen Abbau von Arbeitsplätzen möglich macht. Bosch gibt jetzt dem langgehegten Wunsch der Belegschaft nach zusätzlichem Geschäft mit Kunden außerhalb des Heizungsgeschäfts statt. Ideen, um neue Kunden zu gewinnen, gibt es, und Bosch hat die Mittel dafür zugesagt, auch um Standortvorteile aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht zu verlieren.
Klingt nach einer einfachen Aufgabe.
Von wegen. Mit neuen Erzeugnissen bewegen wir uns in einem ganz neuen Markt und Wettbewerberumfeld. Obwohl überall der Flächentarifvertrag der IG Metall gilt, sind die Arbeits- und Entgeltbedingungen bei Bosch insgesamt deutlich vorteilhafter für die Beschäftigten. Die Werkleitung verfolgt nunmehr ein taffes Kostensenkungsprogramm, um in den neuen Märkten wettbewerbsfähig zu sein. Für die IG Metall und für unseren Betriebsrat wird das ein harter Weg. Denn die Belegschaft darf nicht über Gebühr geschröpft werden. Niemand kennt das Ergebnis. Aber wir müssen uns dem Prozess stellen.
Um welche Summen geht es?