Der Politiker Ferhad Ahma fordert, dass Verbrechen der Ära Assad bestraft werden. Dennoch müssten die Syrer „viel verzeihen“. Ahma ist Mitglied im Syrischen Nationalrat und an den Plänen für die Zeit nach dem Sturz des Despoten beteiligt.

Stuttgart – Der Arm von Assads Geheimdiensten reicht bis nach Berlin. Diese schmerzliche Erfahrung musste der 37-jährige Exilsyrer Ferhad Ahma im vergangenen Jahr selbst machen. Als Mitglied des Syrischen Nationalrats engagiert er sich in der Opposition gegen das Regime. Im Gespräch mit Thomas Thieme beschreibt er seine Positionen im Konflikt.


Herr Ahma, wann haben Sie zuletzt Kontakt nach Syrien gehabt?
Ich stehe täglich in Verbindung mit Menschen in verschiedenen Teilen des Landes, auch über die familiären Kontakte hinaus. Das läuft über Internet und per Telefon – über ausländische Nummern.

Wie geht es Ihrer Familie im Land?
Nicht gut. Ein Cousin wurde vor wenigen Tagen von einer Kugel getroffen. Zum Glück ist er nicht lebensgefährlich verletzt. Es gibt Mitglieder der Familie, die auf der Flucht in einem Flüchtlingslager in der Türkei sind. Den anderen geht es den Umständen entsprechend.

Sie selbst haben die Härte des syrischen Regimes zu spüren bekommen. Mitten in Deutschland, in ihrer eigenen Berliner Wohnung, sind sie im Dezember letzten Jahres von zwei vermummten Männern attackiert und verletzt worden. Was hat Sie gerettet?
Es geschah um zwei Uhr nachts. Ein Nachbar ist durch den Lärm wach geworden und hat seine Tür aufgerissen. Die Angreifer haben das gehört und sind geflohen.

Welche Erklärung haben Sie für die Attacke?
Die syrischen Geheimdienste sind auch im Ausland aktiv, seit Beginn der Protestbewegung im März 2011 noch mehr als vorher. Sie verfolgen die Menschen, die den Widerstand unterstützen, sammeln Informationen über sie und schüchtern ihre Angehörigen in Syrien ein. Die Palette reicht von Drohungen am Telefon über Angriffe bis hin zur Entführung von Lebenspartnern von Oppositionellen.

Haben Sie heute keine Angst?
Angst nicht unbedingt. Angesichts der Ereignisse in Syrien selbst hat so ein Überfall sehr wenig Bedeutung. Es kommt mir zumindest so vor, weil ich mich täglich mit der Situation in Syrien beschäftige und alles andere verdränge. Aber ich bin natürlich etwas vorsichtiger geworden.

Wie macht sich das im Alltag bemerkbar: Drehen Sie sich öfter um, weil Sie sich verfolgt fühlen?
Es sind Kleinigkeiten. Ich versuche, dunkle Ecken zu meiden, wenn ich abends unterwegs bin. Früher habe ich immer sofort die Tür aufgemacht, wenn jemand geklopft oder geklingelt hat. Heute frage ich erst einmal nach, wenn ich keinen Besuch erwarte.