In Stuttgart hat die WM der Sportgymnastik begonnen. Bruno Grandi, der Präsident des Turnweltverbandes Fig, spricht über die Schwierigkeiten der Sportart.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)
Stuttgart – - Bruno Grandi ist nicht nur der Präsident des Turnweltverbandes Fig, sondern schwingt sich auch immer wieder zu dessen Chefkritiker auf. Zurzeit ist der 81-jährige Italiener in Stuttgart bei den Weltmeisterschaften der Rhythmischen Sportgymnastik (RSG), deren Bewertungssystem ihm Bauchschmerzen bereitet. „Absprachen zwischen Ländern darf es nicht geben“, sagt Bruno Grandi im StZ-Interview.
Signore Grandi, fühlen Sie sich manchmal nicht ein bisschen wie Don Quijote, nur dass Sie nicht gegen Windmühlen, sondern um eine Verbesserung der Objektivität und Nachvollziehbarkeit der Wertungen in den Turnsportarten kämpfen, besonders der Rhythmischen Sportgymnastik?
Von Zeit zu Zeit schon. Oft sogar. Aber viele Probleme haben wir auch schon gelöst. Aber es bleibt noch viel zu tun. Der Code de Pointage, also die Punkteverteilung, ist kompliziert. Wir haben die Bewertung für die Schwierigkeit und eine Bewertung für die Ausführung mit jeweils 10,0 möglichen Punkten. Eine Gymnastin hat am Montag beispielsweise etliche Fehler gemacht und trotzdem eine Ausführungsnote von 9,0 bekommen. Das ist nicht möglich. Sie hat viel zu viele Fehler gemacht, aber sie gehört eben einem einflussreichen Land an. Da geht es auch um politische Ränkespiele bei den Kampfrichterinnen: Wenn du meine Gymnastin bestrafst, wähle ich dich das nächste Mal nicht mehr. Das darf nicht sein.
Aber warum lässt sich das nicht abstellen?
Das Fig-Exekutivkomitee hilft mir nicht genug. Seit 19 Jahren sage ich das selbe. Aber ich habe nicht genug Unterstützung
Ihre Zeit als Fig-Präsident neigt sich langsam dem Ende zu, im Oktober 2016 wird Schluss sein. Was wollen Sie bis dahin noch erreichen?
Viele Dinge, beispielsweise wird ein neuer Code de Pointage in der RSG kommen. Er wird detaillierter sein, viel klarer. Die RSG ist ein fantastischer, ein schöner Sport. Aber die Benotung ist kompliziert. 9,70 Sekunden auf 100 Meter sind 9,70 Sekunden, da gibt es nichts zu rütteln. In der RSG ist das komplexer wegen des ästhetischen Aspekts, der mit bewertet wird. Wir müssen die Kampfrichterinnen so gut schulen, dass sie genau verstehen, was sie da machen. Es wird immer bis zu einem gewissen Grad subjektiv bleiben, aber wir müssen da mehr Grenzen setzen. Wir machen alle Fehler, jeden Tag. Absichtliche Fehler dürfen aber nicht sein. Absprachen zwischen Ländern, die sich bevorteilen, darf es nicht geben. Wir wollen die Kampfrichterinnen entsprechend vorbereiten und kontrollieren, dazu nutzen wir eine spezielle Software. Am Ende hängt es aber immer auch an der Ehrlichkeit der Jury.
Wie ist Ihr Eindruck, gibt es seit dem Kampfrichterskandal 2012, als Mauscheleien aufgedeckt wurden, Fortschritte?
Nach den RSG-Weltmeisterschaften 2014 in Izmir, die wir hinsichtlich der Bewertung genau ausgewertet haben, bin ich optimistisch. Die Kampfrichterinnen haben realisiert, dass wir sie kontrollieren und bestrafen können. Das war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Hier in Stuttgart war die Benotung der ersten Übung, die schwierig zu bewerten war, am Montagmorgen ein Debakel. Eine gibt 5,7 in der Ausführung, eine 7,0 – das ist nicht möglich. Danach wurde es aber besser.