Christoph Haug leitet eine Werbeagentur in Esslingen. Kurz vor Heiligabend legt er seinen Mantel an, wirft sich einen großen Sack mit Geschenken über die Schulter und besucht kranke Kinder im Olgäle.

Kultur: Adrienne Braun (adr)
EsslingenHeiligabend ist am schönsten zu Hause mit der Familie. Aber nicht alle Kinder können am Montag daheim feiern, sondern liegen im Krankenhaus. Um sie etwas zu trösten, besucht sie Christoph Haug – als Weihnachtsmann verkleidet. Er hat sogar Geschenke dabei, die von der Aktion Weihnachtsmann & Co. gestiftet werden.
Herr Haug, wie wird man Weihnachtsmann? Mussten Sie ein Casting absolvieren?
Nein. Nachdem ich ein paar Jahre bereits bei Weihnachtsmann & Co. tätig war, hatten wir die Idee, dass man im Olgahospital die Kinder beschenken könnte. Das ist dann zu einem Selbstläufer geworden.

Haben Sie eine Ausbildung zum Weihnachtsmann gemacht, oder reicht ein wenig Einfühlung?
Wer gut auf Kinder eingehen kann und weiß, wie man schnell die unterschiedlichsten Interessen weckt, hat sicher viel Spaß an der Sache. Für mich war auch meine Tochter ein Ansporn, mich hier besonders zu engagieren.

Sie ziehen also mit Ihrem schweren Sack mit Geschenken durchs Krankenhaus?
„Ich will bis ins hohe Alter der Nikolaus sein“privat Wir sind ein Team von zwei bis drei Weihnachtsmännern, die sich die Stationen im Olgahospital teilen. Es sind immer um die 300 Kinder, manchmal auch mehr. Ich beschere also an einem Nachmittag um die hundert Kinder, die teilweise allein im Zimmer sind oder in Zwei- und Dreibettzimmern.

Eigentlich klopft der Weihnachtsmann sehr laut und poltert. Das ist im Krankenhaus vermutlich anders?
Wir gehen immer sehr vorsichtig in die Zimmer, da manche Kinder um die Mittagszeit noch schlafen. Wenn sie direkt von der OP kommen, sind sie oft noch sehr müde. Manche Kinder haben vor dem Weihnachtsmann mit Mütze und Bart auch Angst. Deshalb begleiten mich immer noch Engel. Sie können das Eis schneller brechen. Wenn ich sehe, dass ein Kind Angst hat, gehen die Engel vor und überreichen das Geschenk – und ich halte mich eher im Hintergrund.

Müssen die Kinder für Sie auch ein Gedicht aufsagen oder etwas singen?
Es ist meist alles sehr spontan. Wir wollen die Kinder überraschen. Einzelne sagen auch mal etwas auf, manche singen gemeinsam ein Ständchen. Aber mir ist wichtig, schnell in ein Gespräch mit den Kindern zu kommen, das Interesse zu wecken. Dabei wird meistens viel gelacht, und wir machen, wenn gewünscht, Fotos mit den Kindern.

Worüber reden Sie denn?
Wir sprechen meistens über die Dinge, mit denen die Kinder sich im Moment beschäftigen. Wenn ich sehe, was sie auf ihrem Tisch haben, was sie im Zimmer haben, dann weiß ich schnell, wo die Interessen sind. Das nehme ich dann zum Anlass für ein Gespräch.

Sie nehmen sich also richtig viel Zeit für die kleinen Patienten?
Es ist schon vorgekommen, dass wir in einem Zimmer eine halbe Stunde waren, aber meistens sind es fünf bis zehn Minuten. Manchmal schlafen die Kinder auch, oder es sind die Eltern da. Wobei sich die Eltern meistens unheimlich freuen, weil sie natürlich Sorgen haben, wenn ihre Kinder an Weihnachten im Krankenhaus sind.

Sie sind also kein strenger Weihnachtsmann, der die Kinder ermahnt?
Das steht mir nicht zu, mit fremden Kindern streng zu sein, erst recht nicht mit Kindern, die an Weihnachten im Krankenhaus sind. Ich versuche sie zu motivieren, auch weiterhin durchzuhalten und gegen ihre Krankheit zu kämpfen. Ich möchte einfach in dem Moment, den ich mit den Kindern zusammen bin, Freude bringen und versuche, über die paar Minuten eine gute Stimmung zu schaffen.

Treffen Sie viele schwer kranke Kinder, oder dürfen die meisten der Patienten schon bald wieder nach Hause?
Wir kommen in unterschiedliche Abteilungen. Ich bin oft bei Kindern, die sehr krank sind. Ich frage natürlich nicht jedes Kind, was es für eine Krankheit hat. Aber wenn ich merke, dass die Kinder darüber sprechen wollen, gehe ich darauf ein. Ich würde auch nicht unterscheiden zwischen schwer krank oder einer harmlosen Mandel-OP. Natürlich sind die Krankheiten sehr unterschiedlich. Aber ein Krankenhausaufenthalt, erst recht um die Weihnachtszeit, ist für Kinder immer belastend.

Wie erleben Sie denn selbst die Situationen, die Sie im Krankenzimmer erleben?
„Manche haben vor dem Mann mit Bart und Mütze Angst.“privat Ich weiß fast nie, was mich im Zimmer erwartet. Es ist teilweise sehr erschütternd, was man vor Ort alles sieht. Aber ich bin auch jedes Mal unheimlich begeistert, wie tapfer die Kinder sind und welch starker Wille in ihnen steckt.

Sagen die Kinder, dass es Ihnen schwerfällt, an Weihnachten nicht zu Hause zu sein?
Ja. Manche haben so schwerwiegende Krankheiten, dass eine Entlassung nicht absehbar ist. Da muss man sehr vorsichtig vorgehen. Bei Kindern, deren Heilungsprozess nicht gut verläuft oder die gerade die Absage bekommen haben, dass sie nicht heimdürfen, will ich nicht weiter nachfragen.

Erzählen Ihnen die Kinder besondere Dinge, weil Sie eben der Weihnachtsmann und damit jemand Besonderes sind?
Ich habe das Gefühl, dass sie gern mit mir reden. Ich bin ein Weihnachtsmann, der in einer sehr lockeren Art und Weise auf die Kinder eingehen kann. Wir scherzen viel – und das gefällt den Kindern unheimlich. Dadurch kriegen sie schnell einen Draht zu mir und fragen, ob sie noch ein Foto machen dürfen.

Sie haben dabei sicher auch mit Kindern aus anderen Kulturen zu tun?
Im Olgahospital kommen die Kinder aus allen Kulturkreisen. Das spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Das Schöne ist: irgendwie sind die Kinder sich alle ähnlich, egal welcher Herkunft sie sind. Sie haben einfach Freude an den Dingen. Es ist gar nicht schwierig, sich auf sie einzustellen.

Hat sich für Sie das Leben verändert durch die Arbeit als Weihnachtsmann?
Ja, es hat sich verändert. Trotz der vielen Jahre, die ich die Arbeit mache, trage ich die Schicksale von den Kindern in mir. Einige Kinder kenne ich über ein, zwei Jahre. Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, welchen Wert die Gesundheit hat. Da denke ich natürlich auch an mein eigenes Kind, meine siebenjährige Tochter. Ich glaube, ich genieße die gemeinsame Zeit mit meiner Tochter nun noch intensiver. Auch wenn es jedes Mal wieder sehr erschütternde Fälle gibt, will ich versuchen, die Aktion als Nikolaus bis ins hohe Alter zu machen.