Kultur: Tim Schleider (schl)
Wollten Sie in Ihrer Jugend denn nie etwas anderes werden als Tänzer?
Nur einmal kurz, da wollte ich Astronaut werden. Heute will ich das eine mit dem anderen kombinieren. Ich will der erste Choreograf sein, der einen Tanzabend auf dem Mond gestaltet . . . Sie lachen, aber ich mein das ernst! Ich weiß jetzt schon genau das Programm.
Ihre Ausbildung haben Sie dann an der Ballettschule in Toronto absolviert.
Ich war 14 und wollte unbedingt nach Kanada. Das war ein bisschen gemein von mir. Meine Familie war extra nach Spanien gezogen, weil sie dachten, dass ich zur Ausbildung bestimmt in Europa lande, und sie wollten nicht so weit von mir entfernt sein. Und dann erkämpfe ich mir einen Platz in Toronto! Das Leben im Internat war herrlich, so ein bisschen wie bei Harry Potter, sehr abenteuerlich. Meine Mutter schimpft allerdings heute: „Du hast die ganze Zeit nie angerufen. Immer nur, wenn du Geld gebraucht hast.“ Ich befürchte, sie hat recht. Es ging mir einfach zu gut.

„Als Choreograf kann ich Kunst nur mit anderen verwirklichen“

 
Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie Tänzerinnen und Tänzer bereits in jungen Jahren auf der Bühne eine enorme Reife ausstrahlen. Andererseits ist das Berufsleben der Tänzer nur kurz.
Wenn man Pech hat, muss man bereits mit 30 oder 35 Jahren aus gesundheitlichen Gründen an den Ausstieg denken. Aber die persönliche Reife bleibt ja. Tänzer haben viel gelernt, sind international unterwegs gewesen, können zwei, drei Sprachen, sind diszipliniert und teamfähig. Das ist unser Kapital für das Leben danach.
Sehen Sie sich eher als einsamer Kämpfer oder als Gruppenmensch?
Meine Arbeit als Choreograf lebt vom Umgang mit Menschen. Ich bin als Künstler nicht autonom wie ein Maler oder ein Schriftsteller. Meine Kunst kann nur in Zusammenarbeit mit anderen Menschen, mit den Tänzern lebendig werden.