Sie haben den iranischen Regisseur Jafar Panahi mit einem Film eingeladen. Panahi hat Berufsverbot und darf Teheran nicht verlassen. Da fragt man sich: wie konnte es ihm gelingen, einen Film zu drehen? Und sind Sie sicher, dass Sie mit Ihrer Einladung das Richtige tun?
Jafar Panahi hat Berufsverbot, aber keinen Hausarrest. Er hat ja schon einmal, noch zu Zeiten seines Hausarrests, einen Film gedreht: „This is not a Film“ spielte im Fahrstuhl seines Apartmenthauses im Norden von Teheran. Was ihm jetzt gelungen ist, ist ein kontemplativer Film, außerhalb der Wohnung, ein Zustandsbericht. Und wir hätten ihn sicher nicht eingeladen, wenn wir nicht gewiss wären, dass das eine gute Idee ist.

Gab es so was wie eine diplomatische Vorbereitung?
Ich hab dem Präsidenten und dem Botschafter geschrieben, dass wir den Film haben und dass ich sie vorab informiere. Wir haben aber keine Sensation draus gemacht. Jetzt warten wir mal, was passiert. Ich habe natürlich auch geschrieben, dass es schön wäre, wenn Panahi herkommen könnte. Wir werden diesen Film unaufgeregt zeigen. Und damit ist für mich ein Teil der notwendigen Beweisführung erbracht: dass bei allen Verboten es immer wieder gelingt, Kunst zu produzieren, die ihren Weg in die Öffentlichkeit findet. Das ist die Nachricht.

Bei der Eröffnung setzen Sie auf was ganz anderes als Politik – Sie starten mit dem Kung-Fu-Film „The Grandmaster“ Ihres Jurypräsidenten Wong Kar Wai. Leisten Sie sich ein bisschen Eskapismus?
Erstens muss man ja auch pragmatisch sein in diesem Geschäft. Und es war schon immer mein Ziel, dass Wong Kar Wai einmal Jurypräsident wird. Seit Jahren versuche ich das – ich war bei ihm in Hongkong, seither trink ich seinen Pu Erh Tee. Aber es ist echt schwer, diesen Mann hinter seinem Ofen hervorzuholen. Entweder er dreht oder er schneidet. Ganz langsam hat sich das so ergeben. Und in der Diskussion kam es dann so, dass sein Film auch mitkommt, der übrigens gerade in Asien einen fulminanten Start hatte. Der Film läuft natürlich außerhalb des Wettbewerbs.

Sie haben jedes Jahr dasselbe Problem: eingequetscht zwischen Oscars und Konkurrenz müssen Sie ein knackiges Programm zusammenstellen. Sie sagen, es wird immer schwerer, die Stars nach Berlin zu bekommen. Was machen Sie dagegen?
Nix. Wir versuchen einfach, eine Berlinale zu machen, die interessant ist und alle Bedürfnisse bedient: Hollywoodstars auf dem roten Teppich, gute Filme im Wettbewerb, Independentfilme von Anfängern – es gab ein paar Filme, die wir gerne gehabt hätten, und die nun kurz vor der Berlinale gestartet sind. Anfangs erschien es mir in diesem Jahr leichter, einige große Filme zu bekommen. Und dann änderten sich auf einmal kurz vor der Nominierungsphase der Oscars die Entscheidungen bei den großen Studios. Na ja, und damit muss man eben umgehen. Wir haben trotzdem große Filme, auch von Hollywood-Studios und Regisseuren, im Programm. Stars sowieso.

Suchen Sie eigentlich heimlich immer auch immer nach einem potenziellen Skandalfilm?
Heimlich nicht. Skandal ist ja schwierig in Berlin. Das einzige Mal, dass die Polizei hier eingeschritten ist, war 1976 bei dem Film „Im Reich der Sinne“ des gerade verstorbenen Nagisa Oshima. Ich finde, der polnische Beitrag hat Skandalpotenzial. Ich weiß, dass wir Putz machen müssen, aber ich lege es nicht drauf an.

Wenn man sich so anschaut, wer alles kommt, könnte man dann sagen, es wird eine Berlinale der Frauen?
Ja, das wird so sein. Wir haben allein drei Regisseurinnen im Wettbewerb, eine Französin, eine Polin und eine Deutsche aus Südafrika. Es kommt Jane Campion und Isabella Rosselini, wir haben die drei großen Diven Catherine Deneuve, Isabelle Huppert und Juliette Binoche, und der deutsche Star Nina Hoss ist auch wieder hier.

Wie immer zum Schluss: Sie haben drei Wünsche frei für dieses Festival. Film ab!
Erst mal wünsche ich mir einigermaßen gutes Wetter. Dann wünsche ich mir aus gegebenem Anlass, dass ich etwas schwäbische Tradition in diesem Festival zeigen kann – sei es durch Speisen oder durch Sprechen oder vor allem mit unserer Philosophie, wonach man lieber einen Buckel vom Schaffen als einen Bauch vom Fressen hat. Ich will, dass es ein bisschen durchdringt, dass Schwaben hier nicht nur Häuser im Prenzlauer Berg besitzen. Und mein dritter, schlichter Wunsch ist – und das weiß ich dann nach dem ersten Abend –, dass es einfach ein sehr schönes Festival wird.