Kunststaatssekretär Dietrich Birk (CDU)wirbt im Gespräch mit der StZ für "Kultur 2020", die neue Kunstkonzeption für Baden-Württemberg.

Kultur: Tim Schleider (schl)
Stuttgart - Am Donnerstag soll der Landtag in Stuttgart abschließend die neue Kunstkonzeption beraten: "Kultur 2020". Dietrich Birk, der Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, erklärt, warum solche Grundsatzerklärungen wichtig sind.

Herr Birk, der Entwurf Ihres Ministeriums namens "Kultur 2020. Kunstpolitik für Baden-Württemberg" umfasst 206 eng bedruckte Seiten. Wozu kann solch ein Brocken gut sein?


"Kultur 2020" ist zweierlei: eine Gesamtschau der Kulturlandschaft Baden-Württembergs einerseits, die Planungsgrundlage für die Kulturpolitik der kommenden Jahre andererseits. Das heißt nicht, dass wir hier im Ministerium diesen Band dann jeden Tag vor uns hertragen werden. Wir wissen ja, dass Kultur dynamisch ist, dass sie sich aus sich heraus weiterentwickelt.

Andere Bundesländer erarbeiten keine Kunstkonzeptionen und betreiben trotzdem Kulturpolitik. Was macht Baden-Württemberg da besser?


Die Politik hält es aus gutem Grund für nötig, in wichtigen Bereichen der Gesellschaft den Ist-Zustand sorgfältig zu analysieren, die wünschenswerten Ziele zu beschreiben und dann aus alledem eine Strategie der nächsten Schritte zu erarbeiten. Auf diese Weise entstehen in anderen Politikfeldern etwa Bildungskonzepte, Energiekonzepte und derlei mehr. Baden-Württemberg sagt nun, für die Entwicklung unseres Landes ist auch die Kultur derart wichtig. Um diese Qualität der kulturpolitischen Diskussion werden wir in vielen anderen Bundesländern beneidet.

Was sind denn die wichtigsten Funktionen der Kultur für das Land?


Wir nennen in "Kultur 2020" eine Reihe gleichberechtigter Ziele. Für mich sind folgende Punkte besonders wichtig: die kulturelle Bildung bei Kindern und Jugendlichen, die Kultur als ein Weg zur Integration für Bürger mit Migrationshintergrund, also die Chancen der interkulturellen Begegnung, schließlich die Öffnung der Kunst- und Kulturszene auch für jene Menschen, die bislang noch wenig daran teilhaben - hieran soll sich in den kommenden zehn Jahren unsere Kulturpolitik messen.

Es fällt auf, dass im Gegensatz zum Vorläuferpapier, der Kunstkonzeption von 1989 aus der Ära Lothar Späths, nur noch wenig von Kultur als Standortfaktor die Rede ist. Hat dieses Schlagwort ausgedient?


Nein. Eine hochwertige Kulturlandschaft unterstützt die Bedeutung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Baden-Württemberg. Zudem ist die Kulturszene selbst ja ein eigener Wirtschaftszweig. Die Kreativwirtschaft unseres Landes erzielt stark wachsende Umsätze. Aber es stimmt, die Gewichte der Argumente haben sich verschoben. Das Bewusstsein für die Rolle der Kultur als Quelle einer kreativen, produktiven Unruhe in der Gesellschaft ist enorm gewachsen. Unser Papier sieht Kultur als zentrales Feld gesellschaftlicher Bildung, Debatte und Kreativität.

Wo sehen Sie weitere wichtige Unterschiede zur Kunstkonzeption von 1989?


Als Folge der alten Kunstkonzeption gab es eine Reihe wichtiger Neugründungen: Denken Sie an die Filmakademie in Ludwigsburg, das ZKM in Karlsruhe, die Popakademie in Mannheim. In der vor uns liegenden Dekade wird es nun vor allem darauf ankommen, diesen Bestand zu pflegen und weiterzuentwickeln. Und gleichzeitig brauchen wir natürlich auch noch den Freiraum, jenseits aller Institutionen Platz für neue Ideen und Projekte zu schaffen. Es gibt einige Sparten, die wir stärker in den Fokus nehmen müssen, zum Beispiel den zeitgenössischen Tanz.