Wieviel eine Frau später verdienen kann, entscheide oft schon die Berufswahl mit, sagt Finanzministerin Edith Sitzmann. Deshalb sei noch viel Aufklärungsarbeit nötig, wenn man sich das Berufswahlverhalten junger Mädchen anschaut.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)
Stuttgart - In Sachen Selbstmarketing sieht Edith Sitzmann bei manchen Frauen noch Nachholbedarf. Der Grundsatz, tue Gutes und rede darüber, sei wichtig, sagt Baden-Württembergs Finanzministerin. Frauen falle es schwerer, sich selbst wichtig zu nehmen, so ihr Eindruck.
Frau Sitzmann, glauben Sie, dass Frauen anders führen als Männer?
Es ist komisch, dass ich als Frau immer gefragt werde, ob ich anders führe als ein Mann. Männer werden nicht gefragt, ob sie anders führen als Frauen. Letztendlich müsste man mit Leuten sprechen, die schon mal einen Mann als Chef und eine Frau als Chefin hatten. Ich war lange selbstständig – also meine eigene Chefin, in der Landesregierung habe ich einen Chef, den Ministerpräsidenten. Es geht nicht so sehr um Mann oder Frau. Mir ist wichtig, allen Menschen mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen.
Bei Frauen wird auch sehr auf Äußerlichkeiten geachtet. Bei der britischen Premierministerin Theresa May wurde ausführlich über ihre Schuhe berichtet. Bei einem Mann ist das schwer vorstellbar. Nervt Sie das?
Mit nerven hat das nichts zu tun. Es gibt Ausnahmen bei den Männern – etwa wenn es um die Farbe von Krawatten geht. Wenn CDU-Politiker bei Koalitionsverhandlungen grüne Krawatten tragen oder der Ministerpräsident eine grün-schwarze, dann fällt das auf. Es wird auch darüber berichtet, wenn Männer teure Maßanzüge tragen oder wenn man vermutet, sie könnten die Haare getönt haben. Ansonsten stimmt es schon, dass bei Frauen das Aussehen und die Kleidung öfter im Fokus stehen. Andererseits ist es doch wunderbar, dass ich als Frau eine viel größere Bandbreite habe, mich anzuziehen. Vom schwarzen Finanzerkostüm mit weißer Bluse bis zu bunten Sakkos, Kleidern oder Hosenanzügen.
Leistung allein reicht nicht, um voranzukommen. Auch Selbstmarketing ist sehr wichtig. Haben Frauen hier Nachholbedarf?
Der Grundsatz, tue Gutes und rede darüber, ist wichtig. Als Trainerin habe ich für Frauen Kurse gegeben, etwa vor Kommunalwahlen. Da haben wir auch daran gearbeitet, wie sich die Teilnehmerinnen in Szene setzen und sich ins Gespräch bringen können. Es geht nicht nur darum, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt und wie man auftritt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Frauen sich etwas mehr überwinden müssen, um sich öffentlich zu präsentieren, als dies bei Männern der Fall ist.
Viele Fachleute sagen, dass sich Frauen oft selbst im Weg stehen. Sehen Sie das auch so?
Ich würde das nicht als frauenspezifisches Charakteristikum nehmen. Oft sind es Themen oder Problemstellungen, die einem mal mehr oder mal weniger liegen. Frauen fällt es allerdings manchmal etwas schwerer, sich selbst wichtig zu nehmen und Sendungsbewusstsein zu entwickeln, dass sie was Wichtiges zu sagen haben.
Dort, wo die Zukunft entschieden und gut Geld verdient wird, sind Frauen an der Spitze selten. Nehmen wir das Silicon Valley und die Finanzbranche. Woran liegt das?
Ich bin Finanzministerin – und dabei in bester Gesellschaft. Es gibt fünf Finanzministerinnen in dieser Republik – also ganz so einsam ist es nicht. Aber es ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig, gerade wenn man sich das Berufswahlverhalten von jungen Mädchen anschaut. Viele werden lieber Friseurin als Mechatronikerin und da verdienen sie deutlich weniger als viele Männer.