Im Interview verrät der Effizienzexperte Thomas Bauernhansl, welche Herausforderungen Industrie 4.0 mit sich bringt, wie die Politik die Unternehmen unterstützen kann – und warum gerade der Mittelstand von der Entwicklung profitiert.

Stuttgart - Im Interview verrät der Effizienzexperte Thomas Bauernhansl, welche Herausforderungen Industrie 4.0 mit sich bringt, wie die Politik die Unternehmen unterstützen kann – und warum gerade der Mittelstand von der Entwicklung profitiert.

 
Herr Bauernhansl, die Zukunftstechnologie Industrie 4.0 ist in aller Munde. Wie viele Unternehmen im Südwesten beschäftigen sich momentan damit?
Ich gehe davon aus, dass alle Unternehmen die Entwicklung bei Industrie 4.0 beobachten. Intensiv beschäftigten sich damit vielleicht 20 bis 30 Prozent der Unternehmen. Die anderen warten ab, welche Geschäftsmodelle sich entwickeln. Viele tragen auch das Thema Datensicherheit wie eine Monstranz vor sich her, um nicht aktiv werden zu müssen. Das ist aber ein schwaches Gegenargument. Denn Datensicherheit geht heute auch ohne Industrie 4.0 jeden an.
Der Maschinenbau ist mittelständisch geprägt. Sind viele nicht schlichtweg mit dem Thema überfordert?
Das Gegenteil ist der Fall. Ich sehe in der Industrie 4.0 gerade eine Chance für kleine Unternehmen, viele haben das nur noch nicht erkannt. Kleine reagieren viele flexibler auf Veränderungen durch neue Geschäftsmodelle. Zudem verschafft ihnen das Internet der Dienste und Dinge Zugang zu den Kunden weltweit. Die nötige Software wird heute als Serviceleistung angeboten, was preiswerter ist als der Kauf einer Lizenz.
In der neuen Welt sind IT- und Softwarewissen nötig. Hat der Mittelständler die Kompetenzen an Bord?
Der Mittelstand hat nicht alle Kompetenzen an Bord. Einem größeren Mittelständler empfehle ich, einen IT-Spezialisten einzustellen, der sich mit dem Web auskennt. Wer sich dies nicht leisten kann, kann auf die Angebote von Instituten wie etwa Fraunhofer zurückgreifen.
Stehen ausreichend Datenleitungen zur Verfügung?
Für erste Lösungen reicht die bestehende Netzinfrastruktur aus. Mittel- bis langfristig wird es eng. Nicht nur Industrie 4.0 benötigt Übertragungskapazitäten, sondern auch die mobile private Kommunikation, das autonome Auto oder Smart Home. Bis 2020 müssen die Netze massiv ausgeweitet werden. Da ist die Politik gefordert, die es, glaube ich, auch erkannt hat.
Gibt es bereits Geschäftsmodelle?
Es gibt noch keine etablierten Modelle, aber die Unternehmen sind dran. Im Fokus steht die Kundenorientierung. Es geht darum zu erkennen, was gut und was schlecht beim Kunden läuft. Doch Kunden gewähren nur dann Zugang zu ihren Daten, wenn sie selbst einen Vorteil davon haben – etwa in Form von Produktivitätssteigerungen.
Wann wird Industrie 4.0 zum Exportschlager?
Die Voraussetzungen für die Unternehmen sind gut. Entscheidend sind aber die nächsten drei bis fünf Jahre. Ein Großteil der Mittelständler steht noch zu stark auf der Bremse. Wenn sie jetzt nicht Fahrt aufnehmen, besteht die Gefahr, dass sie etwa von den USA abgehängt werden. Dort ist Industrie 4.0 ein großes Thema. Die USA sehen darin einen Weg zur Reindustrialisierung. Ihr Potenzial dabei ist gut, denken sie nur an die Aktivitäten von Google im Bereich der Robotik.