Der Autozulieferer Conti aus Hannover hat die Technologie, um Dieselfahrzeuge sauberer zu machen, sagte Vorstandschef Elmar Degenhart. Das System, das bis zu 1000 Euro kostet, funktioniere bei einer Außentemperatur bis minus sieben Grad Celsius.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Elmar Degenhart kennt eine Lösung, um chaotische Verkehrsverhältnisse in Städten zu beenden. Im Interview erläutert der Conti-Chef das Konzept der elektrischen Robo-Taxis. Er spricht über die Idee und die Probleme.

 
Herr Degenhart, können Sie sich vorstellen, kein eigenes Auto mehr zu besitzen sondern es mit vielen anderen zu teilen?
Für mich als Automann mit Wohnsitz außerhalb einer Großstadt ist so etwas unvorstellbar.
Car Sharing und Robo-Taxis werden beliebter. Was heißt das für Premiumhersteller?
Niemand bezweifelt, dass wir vor großen Veränderungen stehen. Gravierend werden sie in den Megastädten sein, wo heute gut 3,5 Milliarden und spätestens 2050 sieben Milliarden Menschen leben werden. Doch die Verkehrsverhältnisse sind schon jetzt schwierig. Die Zahl der Fahrzeuge in den Städten kann nicht beliebig steigen.
Was müssen wir tun?
Die Stadtinfrastruktur wird sich ändern müssen – und an die technischen Möglichkeiten automatisierter und elektrischer Autos anpassen. Das ist kein schneller Prozess, aber es wird so kommen. Wir sind zum Beispiel in Singapur an solchen Projekten beteiligt.
Gibt es auch deutsche Städte?
Wir nehmen in Regensburg beispielsweise an einem solchen Projekt teil. In weiteren Städten werden Diskussionen geführt – dabei geht es um Shared-Mobility-Konzepte auf zwei und vier Rädern sowie deren Anbindung an öffentliche Verkehrsnetze.
Wie muss man sich das vorstellen?
Konkret geht es darum, die Verkehrsinfrastruktur so zu gestalten, dass beispielsweise Robo-Taxis auf extra Fahrspuren unterwegs sind und möglichst nicht mit anderen Fahrzeugen, Fußgängern oder Radfahrern kollidieren können.
Wann könnte das Realität werden?
Wir können uns vorstellen, dass autonom fahrende Fahrzeuge – dort wo die Infrastruktur auf die Fähigkeit der Fahrzeuge angepasst ist – von 2025 an im Einsatz sind.
Und dann würden die Busse abgeschafft?
Das glaube ich nicht. Solche Konzepte könnten in den Innenstädten wichtig sein. Busse wird es nach wie vor geben, allein schon um Außenbezirke effizient zu vernetzen. Hinzu kommt, dass man ja auch nicht gleich alle Straßen entsprechend umrüsten kann, sondern mit zwei oder drei Strecken mit hohem Verkehrsaufkommen beginnt – den „Rennerstrecken“.
Sie rechnen dann mit einem Einsatz der autonomen Autos von 14 Stunden – das schafft kein Elektroauto ohne zu tanken.
Dieses Problem wird es nicht mehr geben, wenn Sie die Batterie in einer Viertelstunde auf 70 bis 80 Prozent Kapazität aufladen können. Mit dem Strom aus der 240-Volt-Steckdose funktioniert das natürlich nicht. Wenn Sie eine Hochleistungsbatterie entsprechend aufladen wollen, brauchen Sie ein 800-Volt-Ladesystem. Porsche geht in diese Richtung – und will beispielsweise dem Käufer des Mission-E-Fahrzeugs bereits 2019 die entsprechende Ladeinfrastruktur verfügbar machen. Das ergibt aber nur Sinn, wenn der Fahrer nicht nur das Auto, sondern gleich auch die Ladestation für zu Hause erwirbt. Aber zumindest entlang der Autobahnen muss es eine flächendeckende Infrastruktur geben.
Was machen Nicht-Porsche-Fahrer?
Es wird alle möglichen Leistungsklassen von Ladestationen geben. Continental hat gerade ein System entwickelt, dem es gleichgültig ist, ob das Auto an einer Ladestation mit 800, 600 oder 240 Volt andockt. Wir wollen damit dem Fahrer die Suche nach der richtigen Station abnehmen. In Zukunft muss das Laden auch induktiv erfolgen. Sie fahren an die Ladestation heran – im Boden und im Auto befinden sich die nötigen Einrichtungen zum kabellosen Laden. Wenn Sie mal versucht haben, im Winter bei Eis und Schnee die Batterie eines Elektroautos nachzuladen, werden Sie dies zu schätzen wissen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde kürzlich für Äußerungen heftig kritisiert, dass es nicht möglich sei, ab 2030 flächendeckend elektrisch zu fahren?
Er wurde zu Unrecht kritisiert. Es ist völlig realitätsfremd, eine solche Forderung aufzustellen. Derzeit werden weltweit etwa 90 Millionen Pkw pro Jahr produziert – inklusive Geländewagen und leichten Nutzfahrzeugen unter sechs Tonnen. Bis 2025 werden wir etwa bei 110 Millionen Fahrzeugen liegen. Zu diesem Zeitpunkt werden weltweit ca. zehn Prozent der Fahrzeuge rein elektrisch fahren. In China dürfte dieser Anteil bei etwa 20 Prozent liegen.
Und danach?
Die Zeit zwischen 2025 und 2030 ist wichtig, weil wir dann voraussichtlich über eine Batterietechnologie verfügen, die wesentlich energieeffizienter ist als die Lithium-Ionen-Technologie von heute. Ziel ist, das Gewicht einer Batterie sowie ihr Volumen im Vergleich zu heute zu halbieren. Und wir müssen die Kosten von derzeit etwa 200 Euro pro Kilowattstunde auf weit unter 100 Euro senken. Damit hätte ein Elektrofahrzeug mit 75 Kilowattstunden eine Reichweite von 500 bis 600 Kilometern, bei Kosten ähnlich dem Diesel.
Mit welcher Technologie?
Wir glauben, dass das mit der Lithium-Ionen-Technologie nicht möglich sein wird. Die größten Chancen sehen wir derzeit bei einer Festkörpertechnologie.
Da ist Bosch doch auch dran?
Ja, unter anderem. Continental versucht sich diese Option offen zu halten. Die Frage ist nur, ob es wirtschaftlich attraktiv ist, Zellen herzustellen. Wir können uns aber vorstellen, das mit Kooperationen zu bewerkstelligen.
Haben Sie bisher eine solche Aktivität nicht kritisch gesehen?
Meine Zweifel haben sich auf eine Zellfabrik in Deutschland bezogen. Mit den derzeitigen Stromkosten in Deutschland ist eine solche Fabrik nicht wettbewerbsfähig darstellbar. In Ländern wie Polen oder Ungarn sind die Stromkosten teilweise nur halb so hoch wie hierzulande. Konzerne wie LG und Samsung errichten deshalb dort Fabriken. Niemand wird in Deutschland eine Zellfabrik bauen, wenn die Stromkosten nicht sinken. Selbst wenn die Umlage für Ökostrom entfallen würde, wäre Strom hierfür noch zu teuer.
Welche Zellkapazitäten werden benötigt?
Das sind gewaltige Zahlen. Wenn 2025 der Produktionsanteil der Elektrofahrzeuge auf zehn Prozent steigt, brauchen wir weltweit ungefähr 30 Zellfabriken mit jeweils einer Kapazität von 40 Gigawattstunden pro Jahr. Eine solche Fabrik kostet zwischen drei und vier Milliarden Dollar. Bis 2025 müssten also mehr als 100 Milliarden Dollar investiert werden.
Wie viele würden in Europa stehen?
Bei einem Marktanteil von zehn Prozent an Elektrofahrzeugen in Europa, wären das drei bis vier Fabriken.
Die Fabriken in Polen und Ungarn werden sicher nicht mit regenerativem Strom betrieben.
Derzeit stammen gut 30 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus regenerativen Quellen. Von einem solchen Anteil an sind die Gesamtemissionen zum Betrieb eines E-Fahrzeugs geringer als die eines Verbrennungsmotors. Deutschland möchte Richtung 50 Prozent marschieren. Aber Deutschland allein nicht. Die Energiepolitik muss zumindest europaweit, besser weltweit abgestimmt sein.
Damit in Deutschland doch noch eine Zellfabrik entsteht, muss die Industrie also die Politik mit ins Boot nehmen.
Ich gehe davon aus, dass sich Politik und Industrie zusammensetzen und vernünftige Gespräche führen werden. Es kann nicht im Interesse der Politik sein, dass Zellfabriken nur in Ländern mit den niedrigsten Kosten entstehen. Aber so oder so müssen wir die Technologie dafür erst einmal haben. Das ist der Knackpunkt. Frühestens 2019 können wir sagen, ob und wann wir die neue Zelltechnologie sicher und robust in Serie bringen können.
Aber im Moment haben Sie noch ganz andere Probleme – den Diesel. Was passiert, wenn der Kunde den Diesel ablehnt?
Bei Lkw und Nutzfahrzeugen ist der Diesel ohne Alternative. Den Pkw-Diesel müssen wir sauberer machen. Die Technologie dafür gibt es. Das Problem ist die Abgasnachbehandlung bei niedrigen Temperaturen. Wenn wir aber die Systeme heizen, dann wird das Problem kleiner. Continental liefert zum Beispiel beheizbare Katalysatoren an die Industrie. Für kleine Fahrzeuge unter 1,6 Liter wird sich dies nicht rechnen. Dieses System funktioniert vielleicht nicht optimal bei minus 20 Grad Außentemperatur, aber mit ihm lassen sich die Stickoxid-Grenzwerte bei realen Fahrbedingungen und gleichzeitig sehr kalten Temperaturen von bis zu minus sieben Grad Celsius einhalten.
Um wie viel verteuert sich die Abgasnachbehandlung?
Je nach Fahrzeug ist mit Zusatzkosten von mehreren hundert bis 1000 Euro zu rechnen.