Exklusiv Die grüne EU-Spitzenfrau Ska Keller (32) macht Front gegen langjährige Parteifreunde. Und sie hält Rot-Grün im europäischen Parlament für möglich – unter Bedingungen.

Stuttgart - Selbstbewusst ist sie. Beim Grünen-Parteitag in Dresden wirft Franziska (Ska) Keller beim Ringen um Listenplatz eins auf der deutschen Wahlliste ihren Hut in den Ring – gegen die altgediente Grüne Rebecca Harms. Die 32-jährige Keller forciert einen Generationswechsel bei den Ökos – und erklärt warum.
Straßburg - Frau Keller, Sie sind Spitzenkandidatin der europäischen Grünen. Reicht das nicht? Warum ist Ihnen nun noch der erste Listenplatz in Deutschland wichtig?
Mit dem Ergebnis der Green Primaries, der grünen Vorwahlen im Internet, habe ich Rückenwind gespürt, auch in Deutschland als Spitzenkandidatin anzutreten. Wenn wir Grünen die Europapartei sind, müssen wir ein solches Ergebnis auf europäischer Ebene auch national ernst nehmen. Ich möchte den Delegierten in Dresden ein Angebot machen, sie sollen entscheiden.
Sie erzielten 23 000 Stimmen. Europa hat ein Wahlvolk von 388 Millionen Menschen. Ist Ihre Legitimationsbasis da nicht ausgesprochen schwach?
Wir haben uns an die gerichtet, die Grüne sind oder mit den Grünen sympathisieren. Es wäre schön, wenn da 388 Millionen die Messlatte wären, aber in der Realität lassen sich die beiden genannten Zahlen schlecht miteinander vergleichen. Klar hätte ich mir eine höhere Beteiligung gewünscht, aber mit 23 000 muss man nicht in Sack und Asche gehen. Wir hatten nicht das Geld für Briefkastenwerbung oder Kinospots. Wir vier Kandidaten waren in zehn europäischen Städten unterwegs, ich bin darüber hinaus noch viel durch die EU gereist, habe für die Primaries geworben und viel positives Feedback erhalten. Die grüne Parteienfamilie hat gezeigt, dass sie innovativ ist und Neues ausprobiert.
Eine Voraussetzung für die Teilnahme waren Handy und E-Mail-Adresse. Haben Sie damit nicht viele Europäer ausgeschlossen?
Ja, das ist auf jeden Fall ein Problem. Wir hatten überlegt, wie wir die Wahl so inklusiv wie möglich gestalten, dass möglichst viele mitmachen. Wir konnten europaweit keine Urnen aufstellen oder eine Briefwahl organisieren – deshalb online. Damit erreichten wir am meisten. Diejenigen ohne E-Mail waren aber ausgeschlossen. Wir müssen überlegen, wie wir das besser hinbekommen. Die Online-Abstimmung muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein.