Am Montag ist eine Wanderin mit ihrem Hund auf einer Alm im Stubaital von einer Herde Kühe attackiert und tödlich verletzt worden. Im StZ-Interview erklärt der Tiermediziner Thomas Richter, was dahinter steckt.

Stuttgart - Am Montag ist eine Wanderin mit ihrem Hund auf einer Alm im Stubaital von einer Herde Kühe attackiert und tödlich verletzt worden. Warum die Tiere aggressiv werden und worauf man bei einer Begegnung achten sollte, weiß Thomas Richter, Professor für Tierhaltung und Nutztierethologie in Nürtingen.
Herr Richter, warum gehen Kühe auf Menschen los?
Wenn es sich um Mutterkühe handelt, die mit ihren Kälbern gemeinsam auf der Weide sind, können diese unter Umständen sehr aggressiv werden. Sie wollen einerseits ihre Kinder vor Gefahren schützen und andererseits sind diese Tiere – anders als die Milchkühe – nicht an den Menschen gewöhnt, sie verhalten sich also teilweise wie Wildtiere.
Dann sind Muttertiere also die gefährlichsten Kühe?
Wenn Kühe überhaupt gefährlich werden, sind Mutterkühe gefährlicher als Milchkühe. Am gefährlichsten aber sind immer noch die Bullen, das liegt am Testosteron. Denen sollte man möglichst gar nicht nahe kommen.
Worauf sollte man als argloser Wanderer Acht geben?
Zunächst einmal sind die allermeisten Rinder harmlos, sie wollen in erster Linie in Ruhe gelassen werden. Falls ein Rind aggressiv wird, hält es den Kopf gesenkt und das Maul nach unten gerichtet. Scharrt es womöglich noch mit dem Vorderfuß, sollte man sich schleunigst entfernen. Rinder sind allerdings schneller als Menschen.
Wie reagieren Kühe auf Hunde?
Kühe haben vor Hunden wie vor Wölfen Angst, weil sie Kälber reißen. Also wird eine Kuh versuchen, ihr Kalb zu beschützen und gegebenenfalls den Angreifer zu töten. Es kommt natürlich darauf an, wie sich der Hund verhält. Wenn Gefahr im Verzug ist, sollte man als erstes den Hund von der Leine lassen, da er schneller ist als die Kuh.
Darf man Kühe überhaupt streicheln?
Wenn die Tiere lieb sind und einen so nah an sich heran lassen, schon. Aber man sollte immer vorsichtig sein, manchmal sieht man die Kälber auch nicht, weil sie im hohen Gras liegen. Wie gesagt – Muttertiere sind sehr gefährlich. Am besten hält man grundsätzlich einen großzügigen Sicherheitsabstand ein.
Woran erkenne ich eine freundliche Kuh?
Wenn das Kühe sind, die an Menschen gewöhnt sind, werden sie bei einer Begegnung auf freier Fläche normalerweise neugierig auf Sie zukommen. Dann haben sie den Kopf oben, die Hörner sind weit zurück genommen und das Maul ist nach vorne gestreckt.
Sind Sie selbst schon in eine brenzlige Situation geraten?
Mich wollte eine Kuh bei einer tierärztlichen Untersuchung schon mal tot treten. Die konnte ihre Hinterbeine so weit heben, dass sie fast meinen Kopf getroffen hätte. Dass Menschen von Rindern attackiert werden, kommt durchaus vor. Der Nachbarbauer von unserem Versuchbetrieb hier in Nürtingen ist vom eigenen Bullen getötet worden. Und der ehemalige Landwirtschaftsminister Joseph Ertl saß nach dem Angriff eines Stiers für den Rest seines Lebens im Rollstuhl.