Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi sitzt zwar in Haft: Mit den verheerenden Folgen seiner Tat kämpft die Szene immer noch.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Der deutsche, möglicherweise auch der internationale Kunstmarkt hat immer noch mit den Folgen des Skandals zu tun, der durch Fälschungen des teilweise auch in Freiburg wohnhaften Wolfgang Beltracchi verursacht wurde. Der vom Landgericht Köln am 27. Oktober 2011 zu sechs Jahren Haft verurteilte Drahtzieher einer Gruppe, der auch seine Frau und weitere Verwandte und Bekannte angehörten, schleuste eine immer noch nicht restlos aufgeklärte Zahl von Falsifikaten in den Kunstmarkt ein, vor allem gefälschte Werke von Expressionisten. Aufregung verursachte kürzlich in Freiburg der Vorstoß des Vorsitzenden des örtlichen Kunstvereins, eine Ausstellung von „Originalfälschungen“ zu veranstalten. Der Plan wurde vorerst zurückgewiesen.

 


Herr Morat, Sie waren jüngst in Bologna, Sie gehören dem 1990 gegründeten dreiköpfigen Morandi-Komitee an. Werden auch Werke dieses Meisters gefälscht?
Wir haben bisher in jeder Sitzung 30 bis 40 Fälschungen ausgesondert, also seit Existenz des Komitees deutlich über 1000. Es liegen sowohl für die Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen und Radierungen Werkkataloge vor. Aber kein Werkverzeichnis ist im ersten Anlauf vollständig.

Da muss also geprüft werden, ob ein beispielsweise als Erbstück aufgetauchtes Bild ein echter Morandi ist.
Ja. Und oft stimmt das auch. Es kommen jährlich rund fünfzig neue Werke dazu. In 99,5 Prozent aller Fälle stellt sich in kürzester Zeit, alleine durch Anschauen heraus, ob ein Bild authentisch ist oder nicht.

Bei den Expressionisten Heinrich Campendonk und Max Pechstein gab es offensichtlich weniger gute Aufpasser. Immerhin konnte der zeitweise auch in Freiburg lebende Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi über Jahre eine große Anzahl von nachgemachten Werken in den Kunsthandel einschleusen.
Man muss einräumen, dass der Mann sein Handwerk auf hohem Niveau beherrscht, er wurde nicht durch die Inaugenscheinnahme der Bilder entlarvt, sondern über die Gestaltung des sogenannten Flechtheim-Aufklebers auf der Rückseite.

In der Berichterstattung über den Prozess in Köln wurde sogar von einem genialen Fälscher geschrieben.
Es ist eine Sache, ein Bild nach existierenden Vorlagen nachzuschaffen oder es selber zu erschaffen. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Handwerk und Genius.

Der Fälscher hat sich damit gerechtfertigt, er hätte nicht kopiert, sondern dem Werk des Künstlers etwas hinzugefügt.
Das ist völlig abwegig. Es kann niemand entscheiden, was gefehlt hat und was dazukommen soll. Auf welcher Grundlage? Es wird zur Anmaßung, wenn man ein Nachempfinden als authentisch ausgibt.

Trotz der Verurteilung hält ein Teil der Freiburger High Society zu ihm und empfindet das Vergehen offenbar als Kavaliersdelikt.
Das ist natürlich Unfug, er hat massiv geschädigt. Die Frage ist nur, wen. Es mag natürlich sein, dass der Verlust von ein oder zwei Millionen für manche verschmerzbar ist. Aber ich zweifle daran, ob die feine Gesellschaft noch so sympathisiert. Ich selbst gehöre nicht dazu, aber ich weiß, dass sich diese Leute doch sehr getäuscht fühlen.

Nicht alle, es gab sogar einen Vorstoß, die Originale des Fälschers in einer Ausstellung des Kunstvereins zu zeigen. Viele halten Beltracchi für eine Art Robin Hood, der lediglich ein paar Reiche geschröpft habe.
Dann hätte er konsequenterweise das Geld oder wenigstens einen Teil an Kollegen weitergeben müssen, die am Hungertuch nagen. Die gibt es in großer Zahl, da kann er jede beliebige Summe höchst sinnvoll unterbringen. Ich hielte es für einen Skandal, wenn man die Fälschungen ausstellen würde. Es wäre allenfalls erwägenswert, Beltracchis eigene Bilder zu präsentieren. Wenn ich die für gut hielte, würde ich sie ausstellen oder eines kaufen.

Der Laie fragt sich schon: Was setzt sich auf dem Kunstmarkt eigentlich durch? Das, worauf sich die entscheidenden Galeristen und Experten einigen?
Das kann man so sehen. Ob und bis ein Künstler einmal aus der Anonymität heraustritt, kann schnell gehen und rasch zu Ende sein. Oder ewig lange dauern. Machen Sie eine Statistik der letzten 500 Jahre, da sind vielleicht 80 Künstler in die oberste Kategorie gekommen, 500 in den weiteren Kreis. Wahrscheinlich 98 Prozent bleiben unbekannt. Das ist ein völlig undurchschaubarer Vorgang mit vielen Zufälligkeiten, im Einzelnen nicht nachvollziehbar.

Der Markt verlangt ständig neue Bilder, auch für Leute, die Wohlstand zeigen wollen. Aber Originale sind nicht beliebig vermehrbar, das birgt Gefahren.
Genau so ist es. Und das wird auch so weitergehen. Ich kenne aber viele Leute, wo sich die anfänglich eher oberflächliche zur authentischen und sachlich fundierten Beziehung zur Kunst weiterentwickelt hat.

Wie kann man die Gefahr vermindern, dass Fälscher sich im Markt tummeln? Müssen die Kunstexperten vorsichtiger sein?
Auch Experten können sich täuschen, das ist bedauerlich, aber es passiert. Eine gutachtende Person allein ist vielleicht zu wenig, aber leider gibt es nicht für jeden Künstler gleich ein Komitee. Es  wird immer wieder Fälschungsversuche geben, so wie es auch andere Kriminalität gibt.

Sie sind als Förderer und Sammler von Künstlern bekannt, die – von Ausnahmen wie Morandi abgesehen – nicht unbedingt zu den sehr bekannten zählen, allerdings spektakuläre und auf jeden Fall ungewöhnliche Werke schaffen wie Artur Stoll, Carl Schuch oder Raffi Kaiser, den Sie jetzt dabei sind auszustellen. Was bewegt Sie dabei?
Jedenfalls nicht die Aussicht auf materielle Gewinne. Im Gegenteil, die Förderung solcher Künstler hat mich Unsummen und unendlich viel Zeit gekostet. Ich hab’s bei Stoll zu Lebzeiten getan, weil ich vom künstlerischen Rang seiner Arbeit absolut überzeugt war. Und bin. Nicht weil ich erwartet hätte, dass ich eines Tages mal das große Geld damit verdiene. Es gibt Leute, die mich deshalb für nicht zurechnungsfähig halten. Das ist mir vollkommen gleichgültig. Dennoch freut es einen natürlich schon, wenn man andere überzeugt und wenn mal im Informationsdienst Kunst steht: Hut ab vor Franz Armin Morat! Niemand ist frei von Eitelkeit.