Der VfB-Präsidentschaftskandidat Gerd Mäuser spricht über seine Nervosität vor der Wahl und sein Verhältnis zu Dieter Hundt.  

Stuttgart - Am Sonntag wählen die Mitglieder des VfB Stuttgart einen neuen Präsidenten. Einziger Kandidat ist das bisherige Aufsichtsratsmitglied Gerd Mäuser: "Ich sehe mich als Moderator von Fachleuten", sagt der 53-Jährige.

 

Herr Mäuser, wissen Sie, mit wie vielen Gegenstimmen Erwin Staudt 2003 zum VfB-Präsidenten gewählt wurde?

Nein. Ich tippe, es waren nicht sehr viele.

Es waren genau drei. Mit welchem Ergebnis wären Sie am Sonntag zufrieden?

Mit 50 Prozent plus einer Stimme.

So bescheiden?

Es ist extrem schwer einzuschätzen, wie viele Mitglieder überhaupt kommen und wie viele Leute die sogenannte Opposition mobilisieren kann. Ich kann mir daher nicht sicher sein, dass ich gewählt werde.

Woran liegt es, dass die Wahl diesmal keine Formsache zu sein scheint?

Es sind zwei Dinge zu berücksichtigen: zum einen unsere zeitweise schlechten sportlichen Leistungen in der vergangenen Saison. Die Unzufriedenheit, die damit einhergegangen ist, wurde auf den Vorstand, den Aufsichtsrat und damit auch auf dessen Kandidaten projiziert. Und zum anderen gibt es in Deutschland den Trend, dass Dagegensein ein Wert an sich ist.

Haben Sie Verständnis dafür, dass die Herausforderer nun gegen Sie sind?

Ich habe immer dann Verständnis, wenn einer gut vorbereitet, rational begründet und auf Fakten fokussiert seine Einwände vorbringt. Was mir nicht gefällt ist diese Dramatisierung, die der Sache nicht guttut. Dann verkommt es zur Show, und dafür bin ich nicht zu haben.

Was spricht denn, rational begründet, für den Kandidaten Mäuser?

Mein Zehnpunkteprogramm, an dem ich mich messen lasse und das ich zuletzt auf jeder Veranstaltung und in jedem Hintergrundgespräch erläutert habe. Ich habe mich mit vielen Leuten intern und extern darüber ausgetauscht und die Rückmeldung erhalten, dass das die richtigen Schritte sind, um den Club in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Ihr Konzept unterscheidet sich allerdings nicht grundlegend von den Ideen Ihrer Herausforderer. In der Sache scheinen Sie nicht weit auseinanderzuliegen.

Ich habe mich mit den anderen Konzepten nicht beschäftigt. Ich kenne Herrn Roleder und Herrn Seemann auch gar nicht persönlich und überlasse es den Mitgliedern, sich selbst ein Bild von ihnen und ihren Programmen zu machen.

Allerdings ist so eine Wahl eine hochemotionale Angelegenheit, bei der es nicht nur um das Programm geht, sondern auch um die Person. Sie sind in Berlin geboren, in Hessen aufgewachsen...

...habe zwischenzeitlich in München gewohnt...

...was die Sache nicht besser macht. Viele Fans fragen sich: hat der Mäuser überhaupt ein VfB-Gen?

Ich habe nie in VfB-Bettwäsche geschlafen. Aber ich wohne seit fast 18 Jahren hier, bin seit neun Jahren im Aufsichtsrat und war bei fast jedem Heimspiel. Und: mein Hund Musti trägt hin und wieder sogar ein VfB-Trikot (lacht). Sie sehen: der VfB ist für mich zur Heimat und Familie geworden.

Trotzdem wird die Wahl kein Selbstläufer. Täuscht der Eindruck, dass der ganze Verein von einer gewissen Nervosität ergriffen ist?

Nein, der täuscht nicht. Es ist doch klar: wer angesichts der Ereignisse in den vergangenen Monaten nicht nervös wäre, der hätte nicht begriffen, worum es geht. Es geht um die Zukunft des VfB Stuttgart, des größten Vereins in Baden-Württemberg mit all seiner gesellschaftlichen Relevanz. Es wäre mehr als schlecht, wenn sich die Fans nicht mehr auf den Verein verlassen könnten und der VfB gegenüber Geschäftspartnern und Banken ins Trudeln geriete.

Mit Ihnen würde man Kontinuität wählen?

Im besten Sinne des Wortes. Ich stehe für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess beim VfB.

"Ich bin nicht der emotionale Sambatänzer"

Sie hätten es einfacher, wenn Sie nicht der Kandidat des bei vielen Fans ungeliebten Aufsichtsratschefs Dieter Hundt wären.

Das mag sein. Auch ich habe mitbekommen, dass es heißt, ich sei seine Marionette oder ein Duckmäuser. Dazu kann ich nur sagen: ich bin unabhängig, sowohl geistig als auch materiell. Als Abnicker bekommt man mich nicht.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass es bei dieser Wahl weniger um Sie, sondern vielmehr um Dieter Hundt geht. Haben Sie sich mal überlegt, sich von ihm zu distanzieren, um bessere Wahlchancen zu haben?

Überhaupt nicht. Ich will dazu zwei Dinge sagen. Erstens: Dieter Hundt hat für den Verein Enormes geleistet. Der VfB würde heute nicht so gut dastehen, wenn es ihn nicht gäbe. Man darf nicht vergessen, dass er zu einem Zeitpunkt eingestiegen ist, als vieles im Argen lag. Seine Leistung besteht im Wesentlichen darin, dass er es geschafft hat, die Region und die dazugehörige Wirtschaft in den Verein zu integrieren.

Und zweitens?

Zweitens kann ich den Vorwurf, Dieter Hundt würde sich ins operative Geschäft einmischen, nicht bestätigen. In den neun Jahren meiner Aufsichtsratstätigkeit hat es solch einen Fall nicht gegeben. Wir haben alle Entscheidungen, zum Teil auch nach kontroversen Diskussionen, einstimmig getroffen.

Was würden Sie tun, wenn Sie bei der Wahl durchfallen?

Dann bin ich weiter glühender VfB-Fan und schaue mir die Spiele im Stadion an.

Das heißt, Sie würden nicht noch einmal kandidieren?

Das weiß ich noch nicht. Das hängt davon ab, wie die Wahl verläuft. Wenn mehr als 90 Prozent der Leute sagen, den Mäuser wollen wir nicht, dann wäre die Sache beendet.

Und bei einer knappen Niederlage?

Dann müsste ich mir das überlegen. Es ist ja etwas anderes, ob man nach einer sachlichen, fairen Diskussion knapp scheitert - oder ob man mit Tomaten beworfen wird.

Haben Sie sich schon überlegt, wie Sie bei der Mitgliederversammlung auftreten werden, emotional oder eher sachlich?

Ich bin nicht der emotionale Sambatänzer, und ich bin auch kein Volkstribun, der die Massen begeistert. Ich habe eine gute Rede vorbereitet, die werde ich halten, allerdings nicht frei, weil man sonst dazu neigt, sich zu verplappern oder wichtige Dinge wegzulassen. Und dann setze ich darauf, dass meine Inhalte überzeugend sind.

Wie ist Ihr Rollenverständnis? Gerhard Mayer-Vorfelder war der dominante Typ, der jede Entscheidung selbst getroffen hat. Erwin Staudt hat sich mehr im Hintergrund gehalten. Wo sehen Sie sich?

Ich sehe mich als Moderator von Fachleuten, die durch ihre Entscheidungen sicherstellen müssen, dass die Wahrscheinlichkeit des sportlichen Erfolges wieder steigt. Wenn Sie es auf der Skala Mayer-Vorfelder und Staudt haben wollen, dann bin ich irgendwo in der Mitte.

"Eine junge, offensiv spielende Mannschaft soll auf den Platz"

Erwin Staudt hat sich bei seinem Amtsantritt als Visionär bezeichnet, er wollte eine Fußballarena und die Mitgliederzahl erhöhen. Das hat er geschafft. Welche Visionen bleiben Ihnen übrig?

Ein neues Stadion kann ich ja nicht mehr bauen, und das Carl-Benz-Center steht auch schon. Jetzt geht es darum, die Infrastruktur und die Trainingsmöglichkeiten auf dem Vereinsgelände zu überprüfen und zu schauen, was im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten an Verbesserungen machbar ist.

Sie könnten den Fans ja auch versprechen, dass sich der VfB in absehbarer Zeit auf Augenhöhe mit den Bayern bewegen will.

Der VfB Stuttgart ist der VfB Stuttgart, das heißt, wir wollen den Stuttgarter Weg weiterverfolgen, sowohl sportlich als auch wirtschaftlich. Und der hat mit den Bayern erst mal gar nichts zu tun.

Wie sieht dieser Stuttgarter Weg in sportlicher Hinsicht aus?

Kurzfristig wollen wir in der neuen Saison eine junge, offensiv spielende Mannschaft auf den Platz bringen, die die Vereinsphilosophie bestmöglich verkörpert. Und langfristig muss es uns gelingen, den VfB wieder auf der internationalen Bühne zu etablieren. Da kommt uns ja die Uefa entgegen, denn ab der Saison 2012/13 gibt es einen vierten Champions-League-Platz.

Und wirtschaftlich? Wäre es für Sie denkbar, sich neues Geld von außen zu besorgen?

Davon halte ich gar nichts. Wir wollen keinen fremden Investor. Wir sind ein Verein und wollen auch ein Verein bleiben, bei dem die Mitglieder der Souverän sind. Wir sind stolz darauf, dass wir das Stadion und alle Vermarktungsrechte in der eigenen Hand haben. Auch das soll so bleiben.

Das bedeutet aber auch, dass Sie gegenüber anderen Clubs finanziell im Nachteil sind.

Das ist aus unserer Sicht akzeptabel, weil wir im Gegenzug unsere Unabhängigkeit bewahren und Herr im eigenen Haus sind. Dafür stehe ich: die Mitglieder sollen entscheiden, was mit dem Verein passiert.

Wie würden, sofern Sie gewählt werden, Ihre Sofortmaßnahmen aussehen, um zu verhindern, dass der VfB wieder abstürzt?

Wesentliche Transfers sind ja schon getätigt. Wir haben bewiesen, dass wir auch bereit sind, ins Risiko zu gehen: Wir haben William Kvist verpflichtet und neun Nachwuchsspielern Verträge gegeben, ohne bisher einen Erlös realisiert zu haben.

Muss Christian Träsch verkauft werden?

Dazu will ich jetzt nichts sagen, das wäre den handelnden Personen gegenüber unfair. Ich war in diese Verhandlungen bisher auch nicht eingebunden. Das interessiert mich momentan nicht und würde mich nur vom Wesentlichen ablenken. Das nächste Spiel ist das wichtigste. Und das ist am Sonntag um zwölf Uhr.

Was tun Sie bis dahin gegen die Nervosität?

Am Samstagabend hat mein Sohn Abiball. Das ist die ideale Ablenkung.

Gerd Mäusers Zehnpunkteplan in Kürze

1. Wirtschaft und Finanzen Fortsetzung der Strategie der kontrollierten Offensive. Erhalt der Selbstständigkeit des Vereins ohne fremde Investoren.

2. Nachwuchsförderung Wiederbelebung des Konzepts der „Jungen Wilden“ – stärkerer regionaler Bezug und Investitionen in die Ausbildung.

3. Jugendarbeit Stärkung und Intensivierung der bisher bereits erfolgreichen Jugendarbeit.

4. Scouting Professionalisierung und vor allem Internationalisierung.

5. Sportliche Kompetenz Stärkung der sportlichen Kompetenz der Gremien.

6. Transferpolitik Qualitative Verbesserung.

7. Infrastruktur Ausbau der Infrastruktur; Professionalisierung und Verbesserung der Trainingsstrukturen und -möglichkeiten.

8. Marketing Sicherung des aktuell hohen Sponsorvolumens; Ausbau von Dienstleistungen und Partnerschaften.

9. Fans Weitere Verbesserung der Beziehungen zu Fans und Mitgliedern, Regionalkonferenzen, Online-Forum.

10. Positionierung Der Verein soll als größter Sportverein in Baden-Württemberg positioniert werden.

Zur Person

Laufbahn: Gerd Mäuser wurde am 16. März 1958 in Berlin geboren. Bereits seine Zivildienststelle – Essen auf Rädern – stand schon teilweise im Zeichen des Autos. Nach einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker studierte er BWL. Danach war Mäuser zuerst bei BMW und dann bei Porsche in verschiedenen Führungspositionen tätig. Nachdem er bei Porsche als Marketingvorstand ausgeschieden ist, arbeitete er zuletzt als Berater für Jaguar.

Familie: Gerd Mäuser wohnt mit seiner Lebensgefährtin und den drei Kindern in Bietigheim-Bissingen.