Kommt Ihnen dieses Leben sehr exotisch vor, Herr Raff?
Raff Nein. Ich kenne bei Bosch und bei Daimler Leute, die genau so leben, vielleicht sogar noch extremer. Die reisen ständig, entsprechend läuft es dann in den Ehen, die Kinder sehen ihre Väter kaum. Da muss man für sich entscheiden, ob einem das dicke Gehalt diesen Preis wert ist.
Menez  So negativ würde ich es für mich nicht sehen. Ich habe schon die Sehnsucht nach Metropolen wie New York, in denen ich den Input für Modedinge bekomme. Gleichzeitig freue ich mich jedes Mal, wenn das Flugzeug gleich landet, dass ich zum ersten Mal wieder Stuttgart sehe. Einmal sagte ich zu meinem Sohn halb im Scherz, dass wir nach London ziehen könnten. Er sagte nur: „Mama, auf keinen Fall!“
Das Interview findet in einer Lounge des Flughafens statt. Vorab die Sicherheitskontrolle: Gürtel ablegen, Geldbeutel aus der Hosentasche, Schlüssel auch. Piepst der Scanner? Nein. Wie war das damals bei Reinhard Mey? Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein.
Herr Raff, Sie sind in Degerloch geboren, und Sie leben in Degerloch.
Raff Meine alemannischen Altvorderen haben vermutlich schon im dritten Jahrhundert die alten Römer davongejagt. Unsere Scheuer samt Bauerngarten ist einer jener zwölf Höfe, die ums Jahr 1100 in einer Hirsauer Urkunde erwähnt werden. Die Raffs allerdings sind erst 1566 nach Degerloch gekommen.
Weniger als hundert Jahre nach der Entdeckung Amerikas.
Raff  Wir sind Degerlocher Aborigines.
Hätten Sie sich ein Leben, wie Frau Menez es führt, auch für sich selbst vorstellen können, Herr Raff?
Raff Was heißt hier vorstellen können? Ich bin Mundartschriftsteller. In der Branche kann man nicht davonlaufen – schon in Franken habe ich das Problem, dass die Leute mich nicht mehr verstehen und meine Bücher nicht mehr kaufen.
Also keine Fluchtgedanken?
Raff Es hat schon einige lockende Versuchungen gegeben. Ein sehr schönes und nettes Mädle aus Kalifornien wollte mich unbedingt heiraten, aber sie wollte nicht von Santa Monica nach Württemberg wegziehen. Für mich stellte sich immer die Frage: Wer schafft dann in meinem schönen Bauerngarten?
Menez  Den bewirtschaften Sie selbst?
Raff  Der liebe Gott und ich.