Sport: Joachim Klumpp (ump)

Im Umkehrschluss wird oft bemängelt, dass Führungsspieler fehlen.
Ich sehe viele Spieler, die diese Rolle übernehmen können. Allen voran Torwart Silvio Heinevetter. Wenn’s um was geht, ist er da und kann die Mannschaft mitreißen. Wie wichtig ein Oliver Roggisch als Säule trotz seiner 34 Jahre ist, hat man in Hamburg gegen Schweden gesehen, als er krankheitsbedingt gefehlt hat. Er ist aus der Mannschaft in der Abwehr momentan nicht wegzudenken. Das gilt aber auch für Michael Haaß in einer 6:0-Deckung. Er hat nach seiner langwierigen Verletzungspause jetzt wieder so richtig den Anschluss gefunden und wird eine ganz wichtige Position einnehmen. Zudem denke ich zum Beispiel auch an Adrian Pfahl, der im Moment das Vertrauen und Selbstbewusstsein hat, eine solche Rolle anzunehmen und diese auch sehr gern ausfüllt.

Und warum haben Sie auf einen erfahrenen Spieler wie Michael Kraus verzichtet?
Seit ich Bundestrainer bin, war er leider sehr oft verletzt. Zuletzt hat er zwar seine Einsatzzeiten gehabt, das aber auch wieder mit wechselndem Erfolg, so dass ich einfach das Vertrauen in Michael Haaß und Martin Strobel setze, weil die mein Spielsystem kennen und bei allen Maßnahmen dabei waren. Die beiden wissen also, was ich erwarte.

Andere, wie Lars Kaufmann und Holger Glandorf, haben von sich aus abgesagt, was viel Wirbel verursacht hat. Lässt sich das jetzt so einfach ausblenden?
Ja. Für mich ist das ad acta gelegt. Ich habe eine ganz andere Aufgabe vor mir. Ich muss mich mit den Spielern auseinandersetzen, die in Spanien sind. Das macht sehr viel Spaß und rückt das andere Thema ganz weit nach hinten.

Zuletzt hat sogar Ihr dänischer Kollege Ulrik Wilbek die Abstellungspolitik der Bundesligisten kritisiert, wie zuvor auch Sie.
Ich habe nicht gesagt, dass ich Probleme mit der Bundesliga habe. Sicher ist uns der eine Verein wohlgesinnter als der andere. Die Absprachen laufen mit vielen Trainern auch sehr gut, wenngleich man das noch verbessern oder intensivieren könnte. Aber es hat mir gefallen, dass sich nun mal ein ausländischer Kollege zu der Situation in der Liga äußert. Ich möchte das jetzt aber nicht mehr vertiefen, denn wir haben andere Aufgaben vor Augen.

Den Umbruch in der Nationalmannschaft voranzutreiben, zum Beispiel.
Ich sehe das realistisch – und ich stehe zu dem Umbruch. Die Frage ist, ob ich die Zeit dazu bekomme, wenn ich die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit sehe. Der Umbruch geht nur mit der Bundesliga zusammen, da brauche ich die Hilfe der Vereine.

Wie viele Trainingseinheiten hatten Sie mit der Mannschaft eigentlich vor der Weltmeisterschaft ?
In Steinbach fünf, in Schweden drei und in Stuttgart fünf, das war’s dann. Viel weniger geht wirklich nimmer. Deshalb ist es für mich wichtig, die Ruhe zu bewahren. Da kann noch nicht alles greifen. Zumal wir viele neue Spieler dabeihaben. Aber ich bin trotzdem zufrieden, wie sich die Mannschaft entwickelt hat.

Wie sehen Sie die Rollenverteilung auf der wichtigen Spielmacherposition?
Martin Strobel ist für mich eher die führende Figur gegen offensive Abwehrreihen, da hat er seine Qualitäten. Michael Haaß strahlt gegen eine 6:0-Deckung mehr Torgefahr aus und hat natürlich auch eine zentrale Aufgabe in der Abwehr. Und im Falle von Verletzungen haben wir noch Sven-Sören Christophersen in der Hinterhand und Steffen Weinhold, der als Linkshänder für die gegnerische Abwehr immer unangenehm ist.

Die Mannschaft wirkte unter Ihnen bisher nicht konstant. Es gab immer wieder Höhen und Tiefen . . .
. . . die für mich als Trainer ein Stück weit erklärbar sind. Im Rückspiel der WM-Qualifikation in Bosnien-Herzegowina ist so ein Zwölf-Tore-Vorsprung Gift für die Mannschaft, wenn das letzte Saisonspiel ansteht. Und wenn unsere Mannschaft nicht hundert Prozent konzentriert ist, haben wir es gegen jeden Gegner schwer. Vor dem Montenegro-Spiel (27:31, Anm. d. Red.) hatten wir viele englische Wochen in den Knochen und nur drei Trainingseinheiten. Da waren die Spieler nicht so fokussiert auf die Nationalmannschaft, wie das notwendig ist für so ein schweres Spiel. Zudem lagen wir gleich drei, vier Tore zurück – dann kommt Verunsicherung auf. Und dann hatten wir an diesem Tag leider niemanden, der Verantwortung übernahm. Aber nur an solchen Spielen wächst man auch.

Welche Rolle spielt dabei der Diplompsychologe, den Sie im Team dabeihaben?
Er hat die Mannschaft in Gruppen- und Einzelgesprächen auf den Umgang mit Stresssituationen vorbereitet. Und wir haben uns gemeinsam Ziele erarbeitet.

Und was haben Sie im Reisegepäck zur Ablenkung dabei?
Gar nichts. Ich habe im Moment nur Handball im Kopf, und das ist auch nötig, wenn man mit so einer jungen Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft bestehen will.