Wenn die Ergebnisse des Stresstests vorliegen, wird Heiner Geißler wieder die Diskussionen moderieren. Vorab mahnt der Schlichter die Bahn.

Stuttgart - Als er im vergangenen Herbst zum Schlichter im Streit um Stuttgart 21 benannt wurde, wollten ihn viele schon vor dem Start scheitern sehen: Wenige Monate später ist Heiner Geißler nach zähen Verhandlungsrunden zu einer - wenn auch umstrittenen - politischen Kultfigur geworden. Nun wird der 81-Jährige zurückkehren. Am 14.Juli soll öffentlich über die Ergebnisse zum Ausgang des Stresstests diskutiert werden. Im StZ-Interview spricht Geißler über seine Erwartungen vor den Gesprächen.

 

Herr Geißler, dem Vernehmen nach sollen Sie als Moderator nach Stuttgart zurückkehren, wenn im Juli Gegner und Befürworter des Projekts Stuttgart 21 über den Stresstest streiten werden.

Es ist richtig, dass der Lenkungskreis damit einverstanden war, mich zu bitten, die letzte Sitzung wegen des Stresstests zu moderieren. Dazu bin ich auch bereit, aber ich benötige vorher noch einige Informationen. Zudem müssen Bedingungen erfüllt sein.

Welche Informationen und Bedingungen sind dies?

Ich muss wissen, ob beim Stresstest die Anwendung allgemein anerkannter Standards des Bahnverkehrs im Konsens erfolgt ist. Der Stresstest hätte ja dann wenig Sinn, wenn schon das Verfahren, also das Zustandekommen der Ergebnisse, anschließend angezweifelt würde.

Ihre Schlichtungsgespräche haben im vergangenen Herbst in Stuttgart eine Befriedung gebracht. Inzwischen ist von Seiten des Bahnchefs Grube von Volksverdummung durch die Grünen die Rede. Die Gegner des Aktionsbündnisses kündigen Großdemonstrationen an.

Diese verbalen Aufgeregtheiten hat es von beiden Seiten schon immer gegeben. Das würde ich nicht überbewerten.

Die Ergebnisse des Stresstests sollen nun möglicherweise innnerhalb von einigen Stunden diskutiert werden. Ist diese Zeit für eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht viel zu knapp bemessen?

Es wäre schön, wenn mehr Zeit vorhanden wäre. Es geht diesmal nicht mehr um ein grundsätzliches Pro und Kontra zu Stuttgart 21, sondern um eine Bewertung der Ergebnisse des Stresstests. Der Stresstest wird übrigens nicht allein von der Bahn oder der Landesregierung durchgeführt, sondern auch von der Züricher Firma SMA - dem haben alle Seiten damals ausdrücklich zugestimmt.

"Ich höre nur, dass sich die Gegner beschweren"

Ein großes Thema in Ihrer ersten Schlichtungsrunde war die Frage der Transparenz: Die Gegner bemängelten mehrfach, dass die Bahn ihnen wichtige Informationen vorenthält. Nun steht die Bahn deswegen wieder in der Kritik - sie will die Ergebnisse des Stresstests der grün-roten Landesregierung erst zwei Tage vor der abschließenden Diskussion zukommen lassen.

Die Bahn hat jetzt noch vier Wochen Zeit, etwas nachzuholen, falls sie in dieser Hinsicht etwas versäumt haben sollte. Den dringenden Rat würde ich ihr geben. Das habe ich übrigens schon vor zwei oder drei Monaten der Bahn gegenüber mehrfach deutlich gesagt. Die Ergebnisse müssen allen Beteiligten so rechtzeitig vorgelegt werden, dass sie noch einmal überprüft werden können.

Was am Ende des Stresstests herauskommt, ist das eine. Aber wie dies dann bewertet wird, steht doch auf einem anderen Blatt.

Hier sind die Beteiligten, also die Projektträger, eine rechtliche Verpflichtung eingegangen, auch der Öffentlichkeit gegenüber. Bei der Schlichtung haben schließlich mehr als eine Million Leute zugeschaut. Insofern halte ich die Ergebnisse auch für rechtlich verbindlich. Das war eine vertragliche Festlegung. Nun wird es darauf ankommen, dass die Ergebnisse des Stresstests vorgelegt werden.

Dennoch: die Gegner beschweren sich massiv, dass die Fakten erneut nicht ausreichend offen gelegt werden. Eine Politik der Häppchen-Information hat im vergangenen Jahr mit dazu beigetragen, dass sich der Streit um Stuttgart 21 verschärft hat.

Ich höre nur, dass sich die Gegner beschweren. Andererseits muss man auch festhalten, dass im Lenkungskreis der Verkehrsminister sitzt.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die neuerliche Schlichtungsrunde?

Alle Beteiligten, also auch die Projektträger, haben sich ja dazu verpflichtet, dass ein Stresstest anhand einer Simulation durchgeführt wird. Die Projektträger verpflichten sich, die Ergänzungen der Infrastruktur, also die Bauvorhaben am Bahnhof und für Gleise, die sich als notwendig erweisen, auch tatsächlich herzustellen bis zur Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs. Um welche Maßnahmen es sich handelt, ist ebenfalls vereinbart worden. Was genau nachgebessert werden muss, hängt von den Ergebnissen des Stresstests ab. Dazu kann ich noch nichts sagen.

Die Schlichtungsrunden

Ein Rückblick und ein Ausblick

Schlichter Der CDU-Politiker Heiner Geißler, geboren am 3. März 1930, war von 1982 bis 1985 Bundesminister für Jugend, Familie und Bildung und in der Zeit zwischen 1977 und 1989 Generalsekretär der CDU. 2010 wurde Geißler mit dem "Leuchtturm für besonders publizistische Leistungen" ausgezeichnet.

1. Runde Vom 22. Oktober bis zum 30. November 2010 hat die erste Schlichtung im Stuttgarter Rathaus stattgefunden. Gegner und Befürworter standen sich mit ihren Aussagen direkt gegenüber. Am Ende sprach sich Geißler für die Fortführung des Bahnprojekts aus, forderte jedoch Nachbesserungen.

2.Runde Laut dem Bahnchef Rüdiger Grube sollen die Ergebnisse des Stresstests am 11. Juli den Projektpartnern vorgestellt und am 14. Juli veröffentlicht werden. Auf Vorschlag von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster wird Heiner Geißler auch die Moderation dieses Treffens übernehmen. ela