Chris Pratt war Kellner, Komiker und lange Zeit der klassische Nebendarsteller – bis er mit der Marvel-Verfilmung „Guardians of the Galaxy“ plötzlich in die Riege der Weltstars aufstieg. Mit uns spricht er über Ruhm, Bescheidenheit und seine neue Rolle als Sexsymbol.

Herr Pratt, nach all den Jahren in Nebenrollen und kleinen Projekten ist es sicher ein tolles Gefühl, plötzlich ein Weltstar zu sein, oder?
Das Wort haben Sie gesagt, nicht ich. Ich selbst weiß nur zu gut, dass Ruhm nichts Greifbares ist und ich verdammt noch mal auf dem Boden bleiben sollte. Dafür sind die Erinnerungen an die Jahre, in denen es ganz anders aussah, viel zu präsent. Und wenn ich in meinen Jahren in Hollywood eines gelernt habe, dann, dass man nie zu hohe Erwartungen haben darf. Wie oft habe ich nach irgendwelchen Castings begeistert bei meiner Mutter angerufen und gejubelt, wie gut es gelaufen sei. Nur um dann Wochen später auf Nachfrage kleinlaut zu gestehen, dass ich die Rolle wieder nicht bekommen habe.
Jetzt mal nicht so bescheiden. Nach „Guardians of the Galaxy“, „Jurassic World“ und „Passengers“ spielen Sie doch wirklich in einer Liga, in der man sich um so etwas keine Gedanken mehr machen muss.
Klar, das will ich nicht bestreiten. Meine Karriere ist ja in der Tat ein bisschen so verlaufen wie eine im Sport. Angefangen in der Kreisklasse und dann Schritt für Schritt nach oben gekämpft. Ich will nur nicht, dass es so klingt, als sei ich jetzt erst zufrieden. Denn das stimmt nicht. Insgesamt gab es in den letzten 15 Jahren nämlich kaum einen Moment, den ich nicht genossen habe. Von der ersten Statistenrolle in einer Serie an, für die sich meine gesamte Familie jubelnd vorm Fernseher versammelte, hat eigentlich alles immer Spaß gemacht. Jeder neue Schritt, den ich meisterte, fühlte sich genauso aufregend an wie dieser jetzt!
Entdeckt wurden Sie, als Sie auf Hawaii als Kellner jobbten. War die Schauspielerei Zufall?

Das ist so hypothetisch, dass ich nicht wirklich weiß, was ich antworten soll. Von meiner heutigen Warte aus muss ich sagen: Das Schicksal hatte für mich diesen Beruf im Sinn, deswegen musste es so kommen. Irgendwie hätte ich es also in jedem Fall aus meinem VW-Bus in Hawaii nach Hollywood geschafft.

 
Hatten Sie eigentlich einen Karriereplan?
Einen Plan? Nein, so etwas gab es nicht. Eigentlich ging es immer nur darum, die Miete zu bezahlen. Deswegen habe ich immer für alles vorgesprochen: Hauptrollen und Nebenrollen, Bösewichte und Helden, Nerds und Football-Macker. Wenn mal etwas klappte, war ich unglaublich dankbar, aber irgendetwas zu planen wäre vermessen gewesen. Dass ich zumindest ein bisschen Einfluss auf meine Karriere nehmen konnte, ist eine relativ neue Entwicklung.
Ihr Kollege Vin Diesel hat mal zu Protokoll gegeben, dass die wichtigste Lektion in Sachen Erfolg war, auch mal Nein sagen zu können.
Da ist etwas dran. Ein Angebot auch mal abzulehnen kann eine ziemlich eindrückliche Erfahrung sein. Aber es ist gar nicht so leicht, sich dazu durchzuringen. Zumindest habe ich diese Erfahrung gemacht. Denn die längste Zeit war es ja nie ich, der darüber entschieden hat, ob ich eine Rolle spiele oder nicht. All die Jahre habe ich einfach für alles vorgesprochen und dann gebetet, dass es zumindest ein paar Zusagen gibt. Was eher selten der Fall war, und wenn, dann auch nicht zwingend für gute Filme. Jetzt in der Position zu sein, mir Angebote aussuchen zu können und nicht mehr vorsprechen zu müssen, ist schon etwas Besonderes. Mein erster Instinkt ist noch immer, alles begeistert anzunehmen. Deswegen ist es gut, dass ich ein Team um mich herum habe, das mich berät.
Früher spielten Sie überwiegend den Spaßvogel. Hätten Sie sich damals je ausgemalt, Karriere als Actionheld zu machen?
Kein bisschen. Und tatsächlich ist ja der Richtungswechsel, den ich in meiner Karriere hingelegt habe, ziemlich beispiellos in Hollywood. Mir fällt jedenfalls niemand ein, bei dem es ähnlich gelaufen wäre. Vermutlich wäre ich Gefahr gelaufen, in der Schublade für lustige Nebendarsteller steckenzubleiben. Aber meine körperliche Veränderung, die ich ja bewusst herbeigeführt habe, hat sicherlich dabei geholfen, dass es anders gekommen ist. Jetzt stecke ich dafür in der Actionhelden-Schublade. Da komme ich sicherlich noch schwerer wieder raus.
Da Sie gerade Ihre antrainierten Muskeln erwähnen: Fühlen Sie sich wohl als Sexsymbol?
Auf jeden Fall freue ich mich, wenn die Zuschauer finden, dass ich jetzt besser aussehe als früher. Finde ich ja auch. Und fühle mich obendrein deutlich besser und gesünder. Ich bin es allerdings ein bisschen leid, darüber zu sprechen. Denn letztlich ist das ja alles Teil des Jobs. Und ich glaube, nichts nervt die Leute mehr, als wenn Schauspieler sich darüber auslassen, wie schwer ihr Job ist, nur weil sie ein bisschen mehr Proteine futtern und ins Fitnessstudio gehen müssen.
Ihr Sohn Jack wird fünf. Fällt es Ihnen leicht, Job und Familie unter einen Hut zu bringen?
Super, dass Sie das fragen. Denn normalerweise wird so eine Frage nur Frauen gestellt. Aber aus Gründen der Geschlechtergleichheit beantworte ich so etwas gerne. Und nicht nur das. Auch dass man mich auf mein Gewicht und meinen Körper anspricht und ich auf Covern meine Nippel präsentiere, ist doch eine Abwechslung. Endlich werde auch ich als Mann wie ein Objekt behandelt.
Aber Sie schulden uns noch eine Antwort.
Ach ja. Was soll ich sagen? Es ist tatsächlich nicht immer einfach, beides unter einen Hut zu bringen. Man muss lernen, seine Zeit zu verwalten und einzuteilen. Jegliche Spontanität kann man eigentlich vergessen. Sie wird ersetzt durch exakt geplante Skype-Anrufe, Flugreisen und Geschenke. Rücksichtnahme, Unterstützung und Fürsorge kann man auch vermitteln, wenn man vielleicht nicht jeden Tag anwesend ist. Zum Glück geht all das heutzutage sehr viel einfacher als vor 100 Jahren. Heute kann man sich Bilder und Videos schicken und muss nicht monatelang auf Briefe warten.
Sie klingen jedenfalls, als seien Sie leidenschaftlicher Papa.
Das bin ich auch. Ich muss auch gestehen, dass ich die Sache fast noch cooler finde, jetzt, wo er kein Baby mehr, sondern schon ein kleiner Junge ist. Jack ist ein Fan von Superhelden-Filmen aus dem Hause Marvel, was mich natürlich besonders stolz macht.
Kann Chris Pratt eigentlich auch ernst?
Das will ich doch meinen. Sogar die Arbeit an „Guardians of the Galaxy 2“ hatte für mich viele ernste Momente. Darin geht es ja dieses Mal auch um Peter Quills Vater, und alleine die Beschäftigung damit ließ mich sehr viel an meinen Vater denken. Der war nicht lange nach den Dreharbeiten zum ersten Teil gestorben, und meine Trauer ist immer noch sehr präsent. Das habe ich in die Rolle einfließen lassen. Da gab es dann auch mal ein paar Drehtage, an denen ich nicht einen Witz nach dem nächsten gerissen habe.