Der IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann will in der nächsten Tarifrunde keine Zurückhaltung an den Tag legen, nur weil die konjunkturellen Aussichten unsicher sind. Er kündigt einen Umverteilungszuschlag und eine offensive Lohnpolitik an.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Vor Beginn der Metalltarifrunde hat in der Wissenschaft eine Debatte über Lohnerhöhungen eingesetzt. IG-Metall-Verhandlungsführer Jörg Hofmann plädiert für eine offensive Strategie.

 


Herr Hofmann, der neue Südwestmetall-Chef Wolf will die Tarifrituale zurückdrängen – haben Sie da Gesprächsbedarf?
Das ist immer so ein flockiger Spruch. Im Kern kenne ich kaum einen Verhandlungsprozess in Politik und Wirtschaft, der so effektiv ist wie Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie, wenn man um das Volumen betrachtet, um das es dabei geht. Wir haben auch dieses Jahr vor, mit einer klaren Zeitplanung an das Thema heranzugehen, um nach einer begrenzten Anzahl von Runden ein Ergebnis zu bekommen. Das ist schon mal ein großer Beitrag für mehr Effizienz. Ich hoffe, dass die Arbeitgeber nicht wie im vorigen Jahr bis zum Ablauf der Friedenspflicht warten, bevor sie substanziell in Gespräche gehen. Das ist das Ritual, das mich in den letzten Jahren am meisten gestört hat. Sinn der Friedenspflicht ist es, Lösungen auszuloten. Das wurde nicht genutzt. Mit dem ersten Arbeitgeberangebot konnte man bisher frühestens rechnen, wenn es Warnstreiks gegeben hat. Insofern wünsche ich mir, dass dieses Ritual verändert wird, ja.

Sehen Sie derlei Vorstöße als Schaugefechte, um den Wechsel im Vorsitz deutlich zu machen – oder als Ausdruck eines Wandels?
Dass Herr Wolf schnelle Entscheidungsprozesse liebt, ist mir bekannt. Insoweit meint er das mit den Tarifritualen auch so. Das verlangt aber, den eigenen Laden in Ordnung zu bringen und sich nicht aufzuregen, wenn die IG Metall relativ früh sagt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Ergebnis anzustreben, oder zuzuspitzen. Schauen wir mal, wie dies dieses Jahr gelingt. Jeder neue Vorsitzende muss zunächst mal einen Stallgeruch verbreiten. Mehr würde ich in manche Aussage der letzten Wochen nicht hineininterpretieren.

Könnte sich das Verhältnis zu Südwestmetall verschlechtern, wenn es so weiter geht?
Nein.

Unter den Wirtschaftswissenschaftlern ist eine rege Kontroverse über die Lohnsteigerungen des Jahres im Gange. Muss der Abschluss zur Stützung der Konjunktur deutlich über die Preissteigerung hinausgehen?
Ich rate uns auch in diesem Jahr dazu, an der produktivitätsorientierten Lohnpolitik aus Inflationsrate plus Produktivität als Ausgangspunkt festzuhalten. Und wir werden überlegen, was als Umverteilungszuschlag zu berücksichtigen ist. Da kommt man natürlich eher zu einer offensiveren Lohnpolitik. Das heißt, dass unsere Leute nicht nur einen Inflationsausgleich erhalten, sondern auch eine ordentliche Beteiligung an dem, was mehr produziert wurde.