Israel hat vor einem übereilten Abschluss der Atomgespräche mit dem Iran gewarnt. „Wir machen uns große Sorgen“, sagte der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, im StZ-Interview.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)
Stuttgart - Die palästinensischen Islamisten seien eine Bedrohung für die ganze Welt, warnt Yakov Hadas-Handelsman, Israels Botschafter in Berlin. Deshalb sei ihre Bekämpfung im Interesse Europas.
Herr Botschafter, der Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem hat die Spannungen in Israel stark erhöht. Sind wir bereits mitten in einer neuen Intifada, einer neuen großen Welle der Gewalt und Gegengewalt?
Es ist zu früh zu wissen, ob das eine neue Intifada ist. Klar aber ist, dass der Terrorismus, besonders in Jerusalem, in den letzten Monaten stark angestiegen ist. Und dass es weder für uns noch für die palästinensische Autonomiebehörde ein Interesse gibt, dass die Situation eskaliert. Aber wenn jemand mit Hetze und Gewalt anfängt, weiß man nie, wie sich die Lage entwickelt.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Palästinenserführer Mahmut Abbas vorgeworfen, dessen Reden hätten die Attentate inspiriert. Glauben die Israeli tatsächlich, dass er hinter den Angriffen steckt?
Nein, das behaupten wir auch nicht. Aber er weiß Bescheid, was passiert, wenn Hass und Hetze, auch durch ihn selbst und die palästinensische Autonomiebehörde, verbreitet werden, und dass Worte tödlich sein können. Im Sommer hat sich gezeigt, was Hass-Reden in der muslimischen Welt und auch in Deutschland anrichten können.
Der letzte Anschlag traf Juden beim Gebet. Schlägt der politische Konflikt jetzt um in einen religiösen Krieg?
Dieser Konflikt war immer eine Mischung aus Religion und Politik. Es hat sich im Laufe der Zeit allerdings einiges verändert. Noch vor einigen Jahren wurden die Anschläge von säkularen Organisationen wie der Fatah durchgeführt. Heute ist es klar, dass die Terroristen etwa zur Hamas oder zum Islamischen Dschihad gehören. Sie wollen Israel vernichten, aber das ist nicht ihr Hauptziel. Sie wollen ein globales islamisches Kalifat errichten. Da gibt es keinen großen Unterschied zwischen Isis, Al-Kaida oder Hamas. Das bedeutet, dass auch Europa gefährdet ist.
Dieses Mal aber kamen die Attentäter nicht aus dem von der Hamas beherrschten Gaza-Streifen. Es waren Araber, die in Israel wohnten.
Das stimmt. Die letzten Attentate wurden von Einzeltätern verübt. Aber: sie alle waren beeinflusst von der Hetze und dem Hass der radikalen Kräfte, der auch aus Ramallah kommt.
Wie schon in früheren Fällen wurden auf Anweisung von Premier Netanjahu die Häuser der Attentäter zerstört. Was soll das – außer der Befriedigung von Rachegefühlen?
Das ist Abschreckung. Zerstörte Häuser kann man wieder aufbauen – Menschenleben aber kann man nicht wieder herstellen.
Aber damit trifft Israel nicht die Täter, sondern deren Familien. Das ist Sippenhaft und eigentlich nicht gerecht und unmenschlich.
Wieso ist das unmenschlich? Das höchste Gericht in Israel erlaubt den Abriss dieser Häuser. Es ist rechtmäßig und bisher wurde nur ein Haus zerstört. Diese Leute können ihr Hab und Gut aus ihrem Haus holen, bevor es zerstört wird. Und nach einigen Monaten werden sie ein neues Haus aufbauen. Aber die Opfer der Attentate werden nicht wieder auferstehen. Wichtig ist: Es wirkt! Es schreckt ab, und das ist entscheidend.
Der Friedensprozess scheint völlig zum Erliegen gekommen zu sein. Es gibt auch keinerlei Initiative mehr von außen, beispielsweise durch die Amerikaner, die Konfliktparteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Ist der Friedensprozess tot?
Es passiert zu viel – aber in die falsche Richtung.
Wo passiert zu viel?
Das Hauptproblem ist, dass die Palästinenser sich entschlossen haben, einseitig einen Staat auszurufen, ohne dass dieser Staat ein Friedensabkommen mit Israel hat. Wir sagen: So geht das nicht! Wir sind einverstanden mit einem Staat für die Palästinenser. Aber das erreicht man nur über Verhandlungen, und der Preis für beide Seiten ist ein Ende des Konflikts und Frieden. An diesem Punkt macht die internationale Gemeinschaft einen Fehler. Statt den Palästinensern zu erklären, dass sie den falschen Weg eingeschlagen haben, werden sie von europäischen Staaten wie etwa Schweden unterstützt. Damit wird aber genau das Gegenteil erreicht. Denn die Palästinenser glauben nun, dass man auch ohne ehrliche Verhandlungen einen unabhängigen Staat erreichen kann.
Verhandelt wird im Moment auch mit dem Iran. Israel sitzt zwar nicht mit am Tisch, hat aber ein großes Interesse an einem erfolgreichen Abschluss der Atomgespräche. Wie ist ihre Einschätzung?
Wir machen uns große Sorgen. Wir haben Angst, dass in einem Abkommen mit dem Iran – sollte es am Ende wirklich eines geben – zu viele Schlupflöcher drin sind,   durch die das Regime in Teheran schlüpfen kann. Tatsache ist, dass der Iran nicht bereit ist, offen und ehrlich zu kooperieren.
Sie sind im Moment also gegen ein Abkommen mit dem Iran?
Nein, das sind wir natürlich nicht. Wir sind für ein Abkommen. Ich sage nur, dass man sehr vorsichtig sein muss. Der Iran muss sich ernsthaft dazu verpflichten, sein militärisches Atomprogramm zu beenden. Am Ende darf kein Vertrag mit dem Iran stehen, der die Situation schlechter macht als sie jetzt ist.
Woher kommt diese große Skepsis Israels?
Wissen Sie, der Rest der Welt – auch Europa – kann mit der atomaren Bedrohung durch das Mullah-Regime leben. Sie sind weit weg. Wir in Israel aber können uns diesen Luxus nicht leisten. Für uns ist der Iran eine existenzielle Bedrohung, weil dort tagtäglich dazu aufgerufen wird, Juden auszulöschen. Insbesondere Deutschland muss verstehen, dass wir diese Drohungen sehr ernst nehmen.