Exklusiv Jake Gyllenhaal wirft ein kritisches Licht auf den Mythos vom American Dream. „Wir bekommen von klein auf den Wunsch eingeflößt, erfolgreich zu sein, Geld zu verdienen und berühmt zu werden“, sagte der US-Schauspieler im Interview.

Toronto - Filme dreht Jake Gyllenhaal seit seiner Kindheit – er ist ja auch der Sohn eines Regisseurs und einer Produzentin. Mit einer kleinen Rolle in der Komödie „City Slickers“ begann die Filmkarriere, später folgten Kultfilme wie „Donnie Darko“, Blockbuster wie „The Day after tomorrow“ und eine Oscarnominierung für „Brokeback Mountain“. Was darstellerisch alles in ihm steckt, zeigt der 33-Jährige vor allem in den vergangenen drei Jahren. Nach eindrücklichen Rollen in „End of Watch“, „Prisoners“ und „Enemy“ setzt er nun mit seiner Antihelden-Rolle in „Nightcrawler“ noch einen drauf.
Jake, man kann Ihre Figur in „Nightcrawler“ als Soziopathen beschreiben. Wie haben Sie sich dieser Rolle angenähert?
Zunächst dachte ich, dass ich das in klassischer Manier tue. Ich habe allerlei Bücher gelesen über Soziopathie, um erahnen zu können, wie so jemand tickt. Aber bald habe ich gemerkt, dass dies der falsche Weg ist. Denn jemand wie dieser Lou Bloom sieht ja sich selbst und sein Handeln nicht als böse oder moralisch verwerflich. Deswegen funktioniert die Herangehensweise von außen nicht. Stattdessen habe ich den Kopf frei gemacht und mich in ihn hineinversetzt: Ich habe mich jeden Tag aufs Neue darauf gefreut, die Verzweiflung meines Gegenübers auszuloten und sie für meine Zwecke zu nutzen.
Klingt fast, als hätten Sie richtig Freude daran, sich auf diese Abgründe einzulassen.
Das gehört für mich dazu. Natürlich bin ich mir darüber bewusst, dass einem das an die Nieren gehen kann. Ich glaube sogar, dass ich eine Rolle wie diese in gewisser Weise nie mehr vollkommen loswerde. Dazu habe ich mich zu stark darauf eingelassen. Aber nur so kann ich sie spielen. Noch heute, ein Jahr nach den Dreharbeiten, kann ich ganze Textpassagen auswendig.
Das ist sonst nicht die Regel?
Nein. Ich erinnere mich gut an den Herbst vergangenen Jahres. Eigentlich war ich noch mit der Pressearbeit zu „Prisoners“ beschäftigt. Aber ich hatte schon aufgehört zu essen, um für „Nightcrawler“ abzumagern. Jede freie Minute habe ich damit verbracht, das Drehbuch auswendig zu lernen und mich in Lou Bloom einzudenken. Das war mir als Schauspieler wichtig, aber auch als Produzent von „Nightcrawler“. Ich wusste, dass wir nur 25 Tage für den Dreh haben würden und angesichts unseres knappen Budgets und vielen Nachtdrehs häufig kurzfristig würden umplanen müssen. Das geht nur, wenn einem die Rolle in Fleisch und Blut übergegangen ist.