Johnny Depp bleibt sich treu. Die Segnungen der digitalen Technik erfreuen ihn weniger als das echte Leben und wahre Freunde. Und auch sonst gibt der US-Star einen Blick hinter die Dreharbeiten seines neuen Films „Transcendence.“

Beverly Hills - In seinem aktuellen Film „Transcendence“ (Besprechung in der StZ vom 24. April) spielt Johnny Depp einen Experten für künstliche Intelligenz namens Will Caster, dessen Gehirn mit einem Computer verbunden wird. Kein Wunder, dass wir mit dem 50-Jährigen über Technik und Tod gesprochen haben, als er sich in Beverly Hills im Four Seasons Hotel den Fragen der Presse stellte. Das Thema Verlobung war tabu – trotz auffälligem Ring am Finger und Gerüchten über eine Schwangerschaft seiner Freundin Amber Heard.
Mister Depp, in „Transcendence“ segnen Sie – ohne zu viel zu verraten – ziemlich bald das Zeitliche und führen danach sozusagen eine virtuelle Existenz. Wie haben Sie darstellerisch da einen Unterschied hergestellt?
Das war durchaus eine kniffelige Angelegenheit und eine Sache von Nuancen. Die Idee war, dass Will, sobald er in den Computer hochgeladen wird, sich erst einmal wieder entwickeln und vieles neu erlernen muss. Kleine Unsicherheiten in der Stimme, kleine Macken und Einschränkungen in der Mimik – so etwas war dabei von großer Bedeutung. Aber unser Regisseur Wally Pfister hatte dafür eine raffinierte Herangehensweise, die mir sehr entgegen kam.
Nämlich?
Er hat mich von den anderen Schauspielern in den Szenen räumlich isoliert. Ich kommuniziere mit ihnen ja nur als Gesicht auf dem Bildschirm, also standen wir nie gemeinsam vor der Kamera. Ich befand mich in einem kleinen Raum abseits des eigentlichen Sets und wurde dabei gefilmt, wie ich in einen Monitor spreche, was dann direkt in die Hauptkulissen übertragen wurde. So wie wenn man über Skype miteinander spricht. Das hat die Interaktion sofort verändert. Hätte ich bloß hinter der Kamera gekauert, um mit meiner Film-Ehefrau Rebecca Hall die Dialoge durchzuspielen, wäre das Spezielle am Umgang mit einer virtuellen Person viel schwieriger herzustellen gewesen.
In den Drehpausen hatten Sie hoffentlich mehr Anschluss an den Rest des Teams.
Oh ja, keine Sorge. Und zum Glück, denn bei diesem Film waren wir wirklich ein ganz besonderes Team. Ich würde sogar behaupten, dass dies die musikalischsten Dreharbeiten waren, die ich je erlebt habe. Wenn der Regisseur die Mittagspause schwänzt, weil er statt beim Catering lieber mit seiner Gitarre und einem Verstärker in seinem Wohnwagen sitzt, dann breitet sich am ganzen Set schnell eine Art Rockkonzert-Stimmung aus.
Haben Sie selbst denn auch zur Klampfe gegriffen?
Klar, wir haben immer wieder richtige Jamsessions hingelegt. Rebecca spielt, wie wir schnell feststellten, fantastisch Klavier und singt auch noch super. Unser Kollege Paul Bettany ist ebenfalls talentiert, sowohl am Mikrofon wie auch an der Gitarre. Und ich schlage mich wohl auch ganz passabel. Manchmal kam auch noch Bob aus dem Kamera-Team mit seinen Trommeln dazu. Dann waren wir eine echte „Transcendence“-Band!
Hauptthema von „Transcendence“ ist ja der technische Fortschritt und wie die Menschheit damit umgeht. Sind Sie selbst versiert in Computer-Dingen?
Lassen Sie es mich so sagen: meine Kinder sind klug genug, nie mich zu fragen, wenn es irgendwelche Probleme mit dem Internet oder ihrem Laptop gibt. Genauso wenig übrigens, wie sie wegen ihrer Hausaufgaben zu mir kommen. Vor allem, wenn es um Mathe geht.
Aber Sie besitzen ein Smartphone, oder? Sind Sie einer dieser Menschen, die ständig irgendwelche neuen Apps ausprobieren?
All diese Foto-Apps mag ich zumindest ganz gerne, mit denen man Bilder bearbeiten und verändern kann. Wenn ein Familienfoto sich mit nur einem Klick in ein abstraktes Kunstwerk verwandeln kann – das ist doch klasse. Dass sich heutzutage jeder mit solchen Spielereien austoben kann, gefällt mir.
Bekamen Sie denn für „Transcendence“ wenigstens ein bisschen Nachhilfe in Sachen moderner Technik?
Klar, wir haben alle interessante Gespräche mit klugen Forschern der Berkeley University geführt. Eine der spannendsten Begegnungen meines Lebens war aber definitiv die mit Elon Musk, der nicht nur zu den Gründern von PayPal gehört, sondern auch die treibende Kraft beim Elektroauto-Hersteller Tesla ist. Er hat uns bei den Dreharbeiten besucht und mit auf eine Spritztour in seinem brandneu entwickelten Auto genommen. Ich saß auf dem Beifahrersitz, Paul Bettany auf meinem Schoß, hinten Wally und Rebecca.
Ängstigt Sie, wohin die Weiterentwicklung all dieser modernen Technologien führen könnte? Den Film könnte man ja durchaus auch als Warnung verstehen.
Ich halte mich da lieber von Pauschalaussagen fern. Die technischen Neuerungen und Möglichkeiten an sich machen mir keine Angst. Aber natürlich ist es die Frage, wer sie in die Hände bekommt – und zu welchen Zweck. Das ist wie mit Schusswaffen. Die Pistole selbst trägt nie die Schuld an einem Mord, sondern die Person, die schießt. Und machen wir uns nichts vor: umkehren lässt sich die Entwicklung sowieso nicht mehr. Also heißt es jetzt, einen gesunden Weg zu finden, mit all diesen Sachen umzugehen.
Aber jetzt mal Hand aufs Herz: wenn es möglich wäre und Sie – wie Ihre Film-Ehefrau – vor der Wahl stünden, das Gehirn eines geliebten Verstorbenen in den Computer hochzuladen, würden Sie das tun?
Wenn ich auch nur annähernd das Gefühl hätte, dass das den Wünschen dieser Person entsprechen könnte, vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn man um die Liebe seines Lebens trauert, ist man doch wohl zu allem bereit, oder? Wenn es um meine eigene Person geht, würde ich allerdings ganz nüchtern sagen: bloß nicht. Bei meinem Glück in Sachen Technik ist der Computer, in den ich hochgeladen werde, schon ein paar Wochen später ein Auslaufmodell und ich lande beim Pfandleiher. Da lasse ich mich doch lieber gleich aussortieren.
Sie scherzen. Aber können Sie die eigene Sterblichkeit so locker sehen?
Zumindest versuche ich es. Denn was bringt es, in ständiger Angst vor dem Tod zu leben? Es ist ja nicht so, dass wir ihm entgehen können. Dabei hilft es natürlich sehr, zu wissen, dass ich mich nicht mit dem Gefühl plagen muss, die großen Dinge in meinem Leben noch nicht erreicht zu haben. Im Gegenteil. Ich führe ein erfülltes, privilegiertes Leben und habe zwei fantastische Kinder. Was will man mehr?
Alle Ziele sind also erreicht?
Und übertroffen! Ich bin aber auch nie jemand gewesen, der von Ehrgeiz getrieben wird. Das ist es übrigens, was mich immer mit meinen Helden, meinen Seelenverwandten wie Hunter S. Thompson verbindet. Der war von vielem getrieben, aber nicht von beruflichen Ambitionen. Das gleiche gilt für Marlon Brando, mit dem ich in dieser Einstellung zum Leben ebenfalls sofort auf einer Wellenlänge war, als ich ihn privat kennen lernte. Auch er wurde für mich vom Helden zum persönlichen Freund – und blieb es bis zu dem Moment, als er aus unserer Welt davon schwebte. Und glücklicherweise nicht mit einem Computer verschmolzen wurde.